Erste Szene

[365] Ein Kirchhof.


Zwei Totengräber kommen mit Spaten u.s.w.


ERSTER TOTENGRÄBER. Soll die ein christlich Begräbnis erhalten, die vorsätzlich ihre eigne Seligkeit sucht?

ZWEITER TOTENGRÄBER. Ich sage dir, sie soll's, mach' also flugs ihr Grab: Der Totenbeschauer hat über sie gesessen, und christlich Begräbnis erkannt.

ERSTER TOTENGRÄBER. Wie kann das sein, wenn sie sich nicht defensionsweise ertränkt hat?

ZWEITER TOTENGRÄBER. Nun, es ist so befunden.

ERSTER TOTENGRÄBER. Es muß aber se offendendo geschehen, es kann nicht anders sein. Denn dies ist der Punkt: wenn ich mich wissentlich ertränke, so beweist es eine Handlung, und eine Handlung hat drei Stücke: sie besteht in Handeln, Tun und Verrichten: Ergel hat sie sich wissentlich ertränkt.

ZWEITER TOTENGRÄBER. Ei, hört doch, Gevatter Schaufler!

ERSTER TOTENGRÄBER. Erlaubt mir! Hier steht das Wasser: gut; hier steht der Mensch: gut. Wenn der Mensch zu diesem Wasser geht und sich selbst ertränkt, so bleibt's dabei, er mag wollen oder nicht, daß er hingeht. Merkt Euch das! Aber wenn das Wasser zu ihm kommt und ihn ertränkt, so ertränkt er sich nicht selbst. Ergel, wer an seinem eignen Tode nicht schuld ist, verkürzt sein eignes Leben nicht.

ZWEITER TOTENGRÄBER. Ist das Rechtens?

ERSTER TOTENGRÄBER. Ei freilich, nach dem Totenbeschauerrecht.[365]

ZWEITER TOTENGRÄBER. Wollt Ihr die Wahrheit wissen? Wenn's kein Fräulein gewesen wäre, so wäre sie auch nicht auf geweihtem Boden begraben.

ERSTER TOTENGRÄBER. Ja, da haben wir's. Und es ist doch ein Jammer, daß die großen Leute in dieser Welt mehr Aufmunterung haben, sich zu hängen und zu ersäufen, als ihre Christenbrüder. Komm, den Spaten her! Es gibt keine so alten Edelleute als Gärtner, Grabenmacher und Totengräber: sie pflanzen Adams Profession fort.

ZWEITER TOTENGRÄBER. War der ein Edelmann?

ERSTER TOTENGRÄBER. Er war der erste, der je armiert war.

ZWEITER TOTENGRÄBER. Ei, was wollt' er!

ERSTER TOTENGRÄBER. Was? bist ein Heide? Wie legst du die Schrift aus? Die Schrift sagt: Adam grub. Konnte er ohne Arme graben? Ich will dir noch eine andre Frage vorlegen: wenn du mir nicht gehörig antwortest, so bekenne –

ZWEITER TOTENGRÄBER. Nur zu!

ERSTER TOTENGRÄBER. Wer baut fester als der Maurer, der Schiffsbaumeister oder der Zimmermann?

ZWEITER TOTENGRÄBER. Der Galgenmacher, denn sein Gebäude überlebt an die tausend Bewohner.

ERSTER TOTENGRÄBER. Dein Witz gefällt mir, meiner Treu. Der Galgen tut gut: aber wie tut er gut? Er tut gut an denen, die übel tun. Nun tust du übel zu sagen, daß der Galgen stärker gebaut ist als die Kirche: also würde der Galgen an dir gut tun. Noch 'mal dran! frisch!

ZWEITER TOTENGRÄBER. Wer stärker baut als ein Maurer, ein Schiffsbaumeister oder ein Zimmermann?

ERSTER TOTENGRÄBER. Ja, sag mir das, und du sollst Feierabend haben.

ZWEITER TOTENGRÄBER. Mein' Seel', nun kann ich's sagen.

ERSTER TOTENGRÄBER. Frisch!

ZWEITER TOTENGRÄBER. Sapperment, ich kann's doch nicht sagen.


Hamlet und Horatio treten in einer Entfernung auf.


ERSTER TOTENGRÄBER. Zerbrich dir den Kopf nicht weiter darum, der dumme Esel geht doch nicht schneller, wie du ihn[366] auch prügeln magst; und wenn dir jemand das nächste Mal die Frage tut, antworte: der Totengräber. Die Häuser, die er baut, währen bis zum Jüngsten Tage. Geh, mach' dich ins Wirtshaus, und hole mir einen Schoppen Brantewein!


Zweiter Totengräber ab.


Er gräbt und singt.


In jungen Tagen ich lieben tät,

Das dünkte mir so süß.

Die Zeit zu verbringen, ach, früh und spät,

Behagte mir nichts wie dies.

HAMLET. Hat dieser Kerl kein Gefühl von seinem Geschäft? Er gräbt ein Grab und singt dazu.

HORATIO. Die Gewohnheit hat es ihm zu einer leichten Sache gemacht.

HAMLET. So pflegt es zu sein: je weniger eine Hand verrichtet, desto zarter ist ihr Gefühl.

ERSTER TOTENGRÄBER singt.

Doch Alter mit dem schleichenden Tritt

Hat mich gepackt mit der Faust,

Und hat mich weg aus dem Lande geschifft,

Als hätt' ich da nimmer gehaust.


Wirft einen Schädel auf.


HAMLET. Der Schädel hatte einmal eine Zunge und konnte singen: wie ihn der Schuft auf den Boden schleudert, als wär' es der Kinnbacken Kains, der den ersten Mord beging! Dies mochte der Kopf eines Politikers sein, den dieser Esel nun überlistet; eines, der Gott den Herrn hintergehn wollte: nicht wahr?

HORATIO. Es ist möglich.

HAMLET. Oder eines Hofmannes, der sagen konnte: »Guten Morgen, geliebtester Prinz! Wie geht's, bester Prinz?« Dies mochte der gnädige Herr der und der sein, der des gnädigen Herrn des und des Pferd lobte, wenn er es gern zum Geschenk gehabt hätte: nicht wahr?

HORATIO. Ja, mein Prinz.

HAMLET. Ja ja, und nun Junker Wurms; eingefallen und mit[367] einem Totengräberspaten um die Kinnbacken geschlagen. Das ist mir eine schöne Verwandlung, wenn wir nur die Kunst besäßen, sie zu sehen. Haben diese Knochen nicht mehr zu unterhalten gekostet, als daß man Kegel mit ihnen spielt? Meine tun mir weh, wenn ich dran denke.

ERSTER TOTENGRÄBER singt.

Ein Grabscheit und ein Spaten wohl,

Samt einem Kittel aus Lein,

Und oh, eine Grube, gar tief und hohl,

Für solchen Gast muß sein.


Wirft einen Schädel auf.


HAMLET. Da ist wieder einer: warum könnte das nicht der Schädel eines Rechtsgelehrten sein? Wo sind nun seine Klauseln, seine Praktiken, seine Fälle und seine Kniffe? Warum leidet er nun, daß dieser grobe Flegel ihn mit einer schmutzigen Schaufel um den Hirnkasten schlägt, und droht nicht, ihn wegen Tätlichkeiten zu belangen? Hum! Dieser Geselle war vielleicht zu seiner Zeit ein großer Käufer von Ländereien, mit seinen Hypotheken, seinen Grundzinsen, seinen Kaufbriefen, seinen Gewährsmännern, seinen gerichtlichen Auflassungen. Werden ihm seine Gewährsmänner nichts mehr von seinen erkauften Gütern gewähren, als die Länge und Breite von ein paar Kontrakten? Sogar die Übertragungsurkunden seiner Ländereien können kaum in diesem Kasten liegen: und soll der Eigentümer selbst nicht mehr Raum haben? He?

HORATIO. Nicht ein Tüttelchen mehr, mein Prinz.

HAMLET. Wird nicht Pergament aus Schafsfellen gemacht?

HORATIO. Ja, mein Prinz, und aus Kalbsfellen auch.

HAMLET. Schafe und Kälber sind es, die darin ihre Sicherheit suchen. Ich will diesen Burschen anreden. – Wessen Grab ist das, heda?

ERSTER TOTENGRÄBER. Meines, Herr.


Singt.


Und oh, eine Grube, gar tief und hohl,

Für solchen Gast muß sein.

HAMLET. Ich glaube wahrhaftig, daß es deines ist, denn du liegst darin.[368]

ERSTER TOTENGRÄBER. Ihr liegt draußen, Herr, und also ist's nicht Eures; ich liege nicht darin, und doch ist es meines.

HAMLET. Du lügst darin, weil du darin bist und sagst, daß es deines ist. Es ist aber für die Toten, nicht für die Lebendigen: also lügst du.

ERSTER TOTENGRÄBER. 's ist eine lebendige Lüge, Herr, sie will von mir weg, zu Euch zurück.

HAMLET. Für was für einen Mann gräbst du es?

ERSTER TOTENGRÄBER. Für keinen Mann.

HAMLET. Für was für eine Frau denn?

ERSTER TOTENGRÄBER. Auch für keine.

HAMLET. Wer soll denn darin begraben werden?

ERSTER TOTENGRÄBER. Eine gewesene Frau, Herr; aber, Gott hab' sie selig! sie ist tot.

HAMLET. Wie keck der Bursch ist! Wir müssen nach der Schnur sprechen, oder er sticht uns mit Silben zu Tode. Wahrhaftig Horatio, ich habe seit diesen drei Jahren darauf geachtet: das Zeitalter wird so spitzfindig, daß der Bauer dem Hofmann auf die Fersen tritt. – Wie lange bist du schon Totengräber?

ERSTER TOTENGRÄBER. Von allen Tagen im Jahre kam ich just den Tag dazu, da unser voriger König Hamlet den Fortinbras Uberwand.

HAMLET. Wie lange ist das her?

ERSTER TOTENGRÄBER. Wißt Ihr das nicht? Das weiß jeder Narr. Es war denselben Tag, wo der junge Hamlet geboren ward, der nun toll geworden und nach England geschickt ist.

HAMLET. Ei so! Warum haben sie ihn nach England geschickt?

ERSTER TOTENGRÄBER. Nu, weil er toll war. Er soll seinen Verstand da wieder kriegen; und wenn er ihn nicht wieder kriegt, so tut's da nicht viel.

HAMLET. Warum?

ERSTER TOTENGRÄBER. Man wird's ihm da nicht viel anmerken: die Leute sind da eben so toll wie er.

HAMLET. Wie wurde er toll?

ERSTER TOTENGRÄBER. Seltsam genug, sagen sie.

HAMLET. Wie, »seltsam«?[369]

ERSTER TOTENGRÄBER. Mein' Seel', just dadurch, daß er den Verstand verlor.

HAMLET. Kennt Ihr den Grund?

ERSTER TOTENGRÄBER. Freilich, dänischer Grund und Boden. Ich bin hier seit dreißig Jahren Totengräber gewesen, in jungen und alten Tagen.

HAMLET. Wie lange liegt wohl einer in der Erde, eh' er verfault?

ERSTER TOTENGRÄBER. Mein' Treu', wenn er nicht schon vor dem Tode verfault ist (wie wir denn heutzutage viele lustsieche Leichen haben, die kaum bis zum Hineinlegen halten), so dauert er Euch ein acht bis neun Jahr aus; ein Lohgerber neun Jahre.

HAMLET. Warum der länger als ein andrer?

ERSTER TOTENGRÄBER. Ei, Herr, sein Gewerbe gerbt ihm das Fell so, daß er eine lange Zeit das Wasser abhält, und das Wasser richtet so 'ne Blitzleiche verteufelt zu Grunde. Hier ist ein Schädel, der Euch dreiundzwanzig Jahre in der Erde gelegen hat.

HAMLET. Wem gehört er?

ERSTER TOTENGRÄBER. Einem unklugen Blitzkerl. Wer denkt Ihr, daß es war?

HAMLET. Ja, ich weiß nicht.

ERSTER TOTENGRÄBER. Das Wetter über den unklugen Schalk! Er goß mir einmal eine Flasche Rheinwein über den Kopf. Dieser Schädel da war Yoricks Schädel, des Königs Spaßmacher.

HAMLET. Dieser? Nimmt den Schädel.

ERSTER TOTENGRÄBER. Ja ja, eben der.

HAMLET. Ach, armer Yorick! – Ich kannte ihn, Horatio: ein Bursche von unendlichem Humor, voll von den herrlichsten Einfällen. Er hat mich tausendmal auf dem Rücken getragen, und jetzt, wie schaudert meiner Einbildungskraft davor! mir wird ganz übel. Hier hingen diese Lippen, die ich geküßt habe, ich weiß nicht wie oft. Wo sind nun deine Schwänke? deine Sprünge? deine Lieder, deine Blitze von Lustigkeit, wobei die ganze Tafel in Lachen ausbrach? Ist jetzt keiner da, der sich über dein eignes Grinsen aufhielte? Alles weggeschrumpft? Nun begib dich in die Kammer der[370] gnädigen Frau, und sage ihr, wenn sie auch einen Finger dick auflegt: so 'n Gesicht muß sie endlich bekommen; mach' sie damit zu lachen! – Sei so gut, Horatio, sage mir dies eine!

HORATIO. Und was, mein Prinz?

HAMLET. Glaubst du, daß Alexander in der Erde solchergestalt aussah!

HORATIO. Gerade so.

HAMLET. Und so roch! pah! Wirft den Schädel hin.

HORATIO. Gerade so, mein Prinz.

HAMLET. Zu was für schnöden Bestimmungen wir kommen, Horatio! Warum sollte die Einbildungskraft nicht den edlen Staub Alexanders verfolgen können, bis sie ihn findet, wo er ein Spundloch verstopft?

HORATIO. Die Dinge so betrachten, hieße sie allzugenau betrachten.

HAMLET. Nein, wahrhaftig, im geringsten nicht. Man könnte ihm bescheiden genug dahin folgen, und sich immer von der Wahrscheinlichkeit führen lassen. Zum Beispiel so: Alexander starb, Alexander ward begraben, Alexander verwandelte sich in Staub; der Staub ist Erde; aus Erde machen wir Lehm: und warum sollte man nicht mit dem Lehm, worein er verwandelt ward, ein Bierfaß stopfen können?

Der große Cäsar, tot und Lehm geworden,

Verstopft ein Loch wohl vor dem rauhen Norden.

O daß die Erde, der die Welt gebebt,

Vor Wind und Wetter eine Wand verklebt!

Doch still! doch still! Beiseit! Hier kommt der König!


Priester u.s.w. kommen in Prozession; die Leiche der Ophelia; Laertes und Leidtragende folgen ihr; der König, die Königin, ihr Gefolge u.s.w.


Die Königin, der Hof: wem folgen sie?

Und mit so unvollständ'gen Fei'rlichkeiten?

Ein Zeichen, daß die Leiche, der sie folgen,

Verzweiflungsvolle Hand an sich gelegt.

Sie war von Stande: lauern wir ein Weilchen,

Und geben acht!


Zieht sich mit Horatio zurück.[371]


LAERTES.

Was für Gebräuche sonst?

HAMLET.

Das ist Laertes,

Ein edler junger Mann. Gebt acht!

LAERTES.

Was für Gebräuche sonst?

ERSTER PRIESTER.

Wir dehnten ihr Begräbnis aus, so weit

Die Vollmacht reicht: ihr Tod war zweifelhaft,

Und wenn kein Machtgebot die Ordnung hemmte,

So hätte sie in ungeweihtem Grund

Bis zur Gerichtstrommete wohnen müssen.

Statt christlicher Gebete sollten Scherben

Und Kieselstein' auf sie geworfen werden.

Hier gönnt man ihr doch ihren Mädchenkranz

Und das Bestreun mit jungfräulichen Blumen,

Geläut' und Grabstätt'.

LAERTES.

So darf nichts mehr geschehn?

PRIESTER.

Nichts mehr geschehn.

Wir würden ja der Toten Dienst entweihn,

Wenn wir ein Requiem und Ruh' ihr sängen,

Wie fromm verschiednen Seelen.

LAERTES.

Legt sie in den Grund,

Und ihrer schönen, unbefleckten Hülle

Entsprießen Veilchen! – Ich sag' dir, harter Priester,

Ein Engel am Thron wird meine Schwester sein,

Derweil du heulend liegst.

HAMLET.

Was? die schöne Ophelia?

KÖNIGIN Blumen streuend.

Der Süßen Süßes: Lebe wohl! – Ich hoffte,

Du solltest meines Hamlets Gattin sein.

Dein Brautbett, dacht' ich, süßes Kind, zu schmücken,

Nicht zu bestreun dein Grab.

LAERTES.

Oh, dreifach Wehe

Treff' zehnmal dreifach das verfluchte Haupt,

Des Untat deiner sinnigen Vernunft

Dich hat beraubt! – Laßt noch die Erde weg,

Bis ich sie nochmals in die Arme fasse.


Springt in das Grab.


Nun häuft den Staub auf Lebende und Tote,

Bis ihr die Fläche habt zum Berg gemacht,[372]

Hoch über Pelion und das blaue Haupt

Des wolkigen Olympus.

HAMLET hervortretend.

Wer ist der, des Gram

So voll Emphase tönt? Des Spruch des Wehes

Der Sterne Lauf beschwört und macht sie stillstehn

Wie schreckbefangne Hörer? – Dies bin ich,

Hamlet der Däne!


Springt in das Grab.


LAERTES.

Dem Teufel deine Seele!


Ringt mit ihm.


HAMLET.

Du betest schlecht.

Ich bitt' dich, laß die Hand von meiner Gurgel:

Denn ob ich schon nicht jäh und heftig bin,

So ist doch was Gefährliches in mir,

Das ich zu scheun dir rate. Weg die Hand!

KÖNIG.

Reißt sie doch von einander!

KÖNIGIN.

Hamlet! Hamlet!

ALLE.

Ihr Herren –

HORATIO.

Bester Herr, seid ruhig!


Einige vom Gefolge bringen sie aus einander, und sie kommen aus dem Grabe heraus.


HAMLET.

Ja, diese Sache fecht' ich aus mit ihm,

So lang' bis meine Augenlider sinken.

KÖNIGIN.

O mein Sohn! welche Sache?

HAMLET.

Ich liebt' Ophelien: vierzigtausend Brüder

Mit ihrem ganzen Maß von Liebe hätten

Nicht meine Summ' erreicht. – Was willst du für sie tun?

KÖNIG.

Er ist verrückt, Laertes.

KÖNIGIN.

Um Gottes willen, laßt ihn!

HAMLET.

Beim Element, sag, was du tun willst:

Willst weinen? fechten? fasten? dich zerreißen?

Willst Essig trinken? Krokodile essen?

Ich tu's. – Kommst du zu winseln her?

Springst, um mir Trotz zu bieten, in ihr Grab?

Laß dich mit ihr begraben, ich will's auch;

Und schwatzest du von Bergen, laß auf uns

Millionen Hufen werfen, bis der Boden,

Die Scheitel an der glüh'nden Zone sengend,

Den Ossa macht zur Warze. – Prahlst du groß,

Ich kann's so gut wie du.[373]

KÖNIGIN.

Dies ist bloß Wahnsinn:

So tobt der Anfall eine Weil' in ihm,

Doch gleich, geduldig wie das Taubenweibchen,

Wann sie ihr goldnes Paar hat ausgebrütet,

Senkt seine Ruh' die Flügel.

HAMLET.

Hört doch, Herr!

Was ist der Grund, daß Ihr mir so begegnet?

Ich liebt' Euch immer: doch es macht nichts aus;

Laßt Herkuln selber nach Vermögen tun,

Die Katze maut, der Hund will doch nicht ruhn.


Ab.


KÖNIG.

Ich bitte dich, Horatio, geh ihm nach!


Horatio ab.


Laertes, unser gestriges Gespräch

Muß die Geduld Euch stärken. – Gute Gertrud,

Setzt eine Wache über Euren Sohn!

Dies Grab soll ein lebendig Denkmal haben.

Bald werden wir der Ruhe Stunde sehn,

So lang' muß alles mit Geduld geschehn.


Alle ab.


Quelle:
William Shakespeare: Sämtliche Werke in vier Bänden. Band 4, Berlin: Aufbau, 1975, S. 365-374.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Hamlet. Prinz von Dänemark
Universal-Bibliothek, Nr. 31: Hamlet: Prinz von Dänemark - Tragödie
Die tragische Geschichte von Hamlet, Prinz von Dänemark
Hamlet: Prinz von Dänemark (insel taschenbuch)
Hamlet: Prinz von Dänemark (insel taschenbuch)
Hamlet, Prinz von Dänemark

Buchempfehlung

Spitteler, Carl

Conrad der Leutnant

Conrad der Leutnant

Seine naturalistische Darstellung eines Vater-Sohn Konfliktes leitet Spitteler 1898 mit einem Programm zum »Inneren Monolog« ein. Zwei Jahre später erscheint Schnitzlers »Leutnant Gustl" der als Schlüsseltext und Einführung des inneren Monologes in die deutsche Literatur gilt.

110 Seiten, 6.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon