Fünfunddreißigstes Kapitel.

[368] Als Vinicius am Abend dieses Tages über das Forum nach Hause ging, bemerkte er am Eingang zum Vicus Tuscus Petronius' vergoldete Sänfte, die von acht Bithyniern getragen wurde. Auf einen Wink von ihm machten sie Halt; er trat hinzu und schob die Vorhänge auseinander.

»Du hast gewiß einen angenehmen, erfreulichen Traum,« rief er lachend beim Anblick des schlummernden Petronius.

»Ach, du bist es!« sagte Petronius erwachend. »Ja, ich habe geschlafen, da ich die Nacht auf dem Palatin zugebracht habe. Jetzt bin ich unterwegs, um mir etwas Lektüre für Antium zu kaufen ... Was gibt es Neues?«

»Gehst du zu Buchhändlern?«

»Ja; ich will meine Bibliothek nicht vernachlässigen und ergänze daher meinen Büchervorrat mit ziemlichen Kosten. Wahrscheinlich ist etwas Neues von Musonius und Seneca erschienen. Ebenso suche ich Persius und eine bestimmte Ausgabe von Vergils Eklogen, die ich noch nicht besitze. Ach, wie müde ich bin, und wie mich die Hände von dem Herausnehmen der Rollen aus den Behältern schmerzen! ... Denn ist man einmal in einer Buchhandlung, so treibt einem die Neugierde, sich bald dies, bald jenes anzusehen. Ich war bereits bei Avirunus, bei Atractus auf dem Argiletum und außerdem bei den Sosiern auf dem Vicus Sandalarius. Beim Kastor! wie schläfrig bin ich!«

»Du warst auf dem Palatin; ich möchte dich daher fragen, was es Neues gibt. Weißt du was? Schicke die Sänfte heim, laß die Buchhandlungen Buchhandlungen sein und komm mit mir. Wir wollen über Antium und noch etwas plaudern.«

»Gut,« erwiderte Petronius, indem er aus der Sänfte stieg. »Du wirst schon wissen, daß es übermorgen nach Antium geht.«

»Woher sollte ich das wissen?«[368]

»In was für einer Welt lebst du denn? Und so bin ich der erste, der dir diese Neuigkeit mitteilt? Jawohl! Halte dich übermorgen früh bereit. Erbsen in Olivenöl haben nichts genutzt, ein Tuch um den dicken Hals hat nichts genutzt, und der Rotbart ist heiser. Dem gegenüber kann von einem Aufschube keine Rede sein. Er verflucht Rom, dessen Luft, die ganze Welt. Es würde ihn freuen, die Stadt dem Erdboden gleichzumachen oder sie einzuäschern, und will sobald wie möglich an die See. Er glaubt, daß die Ausdünstungen, welche der Wind aus den engen Gassen zu ihm herüber bringt, ihn ins Grab stürzten. Heut werden große Opfer in allen Tempeln dargebracht, damit er seine Stimme wieder bekomme. Wehe Rom und namentlich dem Senate, wenn sie nicht bald zurückkehrt.«

»Dann wäre er auch nicht imstande, nach Achaja zu gehen.«

»Besitzt denn unser göttlicher Caesar dieses einzige Talent?« entgegnete Petronius lächelnd. »Er würde bei den olympischen Spielen als Dichter mit seinem Brande Trojas, als Wagenlenker, als Musiker, als Athlet, ja sogar als Tänzer auftreten und auf jeden Fall alle für die Sieger gewundenen Kränze davon tragen. Weißt du, wovon der Affe heiser wurde? Gestern wollte er sich mit unserem Paris im Tanzen messen und tanzte uns Ledas Abenteuer vor, wobei er heiß wurde und sich dann erkältete. Er war ganz naß und schlüpfrig wie ein frisch aus dem Wasser genommener Aal. Er veränderte einmal ums andere seine Larve, drehte sich im Kreise wie eine Spindel, fuchtelte wie ein betrunkener Matrose mit den Armen in der Luft herum, bis es mich ekelte, nur diesen dicken Bauch auf den dürren Beinen noch länger anzusehen. Paris hatte ihm ein bis zwei Wochen lang Unterricht gegeben, aber stelle dir den Rotbart als Leda oder als göttlichen Schwan vor. Der ein Schwan. Es ist nicht zu glauben! Aber er will in dieser Pantomime öffentlich auftreten, zuerst in Antium und dann in Rom.«

»Man ist schon darüber empört, daß er öffentlich sang, aber denke dir, daß ein römischer Caesar als Mime auftritt! Nein, das wird sich Rom nicht gefallen lassen.«[369]

»Mein Lieber! Rom wird sich alles gefallen lassen, und der Senat wird dem Vater des Vaterlandes seinen Dankaussprechen.«

Und nach einer Weile fügte er hinzu: »Der Pöbel aber wird stolz darauf sein, daß der Caesar sein Hanswurst ist.«

»Sage selber, kann man sich tiefer erniedrigen?«

Petronius zuckte mit den Achseln.

»Du lebst daheim für dich und denkst dort bald an Lygia, bald an die Christen; du weißt daher noch gar nicht, was sich vor ein paar Tagen ereignete. Nero hat sich öffentlich mit Pythagoras vermählt. Er trat dabei als junge Frau auf. Man könnte glauben, dies mache das Maß des Wahnwitzes voll, nicht wahr? Aber was sagst du dazu, daß die Flamines erschienen und die Ehe feierlichst einsegneten? Ich war dabei. Ich kann sehr viel vertragen, aber hier gestehe ich, daß mir der Wunsch kam, die Götter, wenn es welche gibt, müßten ein Wunder tun ... Aber der Caesar glaubt nicht an Götter und hat darin recht.«

»Er ist also oberster Priester, Gott und Atheist in einer Person,« sagte Vinicius.

Petronius begann zu lachen. »Du hast recht! Darauf bin ich noch gar nicht gekommen; dies ist ein Zusammentreffen, wie es die Welt noch nicht gesehen hat.« Dann wurde er ernst und sagte: »Man muß noch hinzufügen, daß dieser oberste Priester, der nicht an die Götter glaubt, und dieser Gott, der sie verspottet, sich doch als Atheist vor ihnen fürchtet.«

»Der Vorgang im Vestatempel ist ein Beweis dafür.«

»Was ist das für eine Welt!«

»Wie die Welt, so der Caesar! Aber so etwas kann keinen langen Bestand haben.« Unter diesen Gesprächen waren sie bis an Vinicius' Haus gelangt; dieser bestellte heiter das Abendessen und kehrte sodann zu Petronius zurück.

»Nein, mein Lieber, die Welt muß erneuert werden.«

»Wir werden sie nicht erneuern,« erwiderte Petronius, »und sei es auch nur deshalb, weil jedermann zu Lebzeiten Neros nur eine Eintagsfliege ist: man lebt im Sonnenschein seiner Gnade und geht beim ersten kalten Windhauch zugrunde.[370] Beim Sohne der Maja! oft schon habe ich mir die Frage vorgelegt, durch welches Wunder ein Mann wie Lucius Saturninus dreiundneunzig Jahre alt werden und Tiberius, Caligula, Claudius überleben konnte .... Aber das sind nebensächliche Dinge. Würdest du mir gestatten, Eunike mit deiner Sänfte abholen zu lassen? Meine Müdigkeit ist verflogen, und ich möchte gern heiter sein. Laß Lautenspieler beim Mahle zugegen sein, und dann wollen wir von Antium sprechen. Wir müssen darüber nachdenken, namentlich du!«

Vinicius gab den Befehl, Eunike abzuholen, antwortete aber, er habe keine Lust, sich über den Aufenthalt in Antium den Kopf zu zerbrechen. Die möchten sich ihn darüber zerbrechen, die nicht anders leben könnten als in dem Sonnenschein der Gnade des Caesars. Der Palatin umschließe nicht die Welt, namentlich nicht für diejenigen, die noch etwas in ihrem Herzen und in ihrer Seele hätten.

Er sprach so unbekümmert, lebhaft und heiter, daß all dies Petronius auffiel; er betrachtete ihn eine Zeitlang, dann fragte er: »Was geht mit dir vor? Du bist heut so wie du damals warst, als du noch die goldene Bulle am Halse trugst.«

»Ich bin glücklich,« entgegnete Vinicius. »Ich lud dich absichtlich zu mir ein, um es dir mitzuteilen.«

»Was ist geschehen?«

»Etwas, was ich gegen das ganze römische Reich nicht vertauschen möchte.«

Bei diesen Worten setzte er sich, lehnte sich im Sessel zurück, stützte den Kopf in die Hand und begann mit lächelndem Gesicht und freudestrahlendem Ausdruck in den Zügen: »Entsinnst du dich noch, wie wir einst bei Aulus Plautius waren und du zum erstenmal hier jenes göttergleiche Mädchen sahest, das du Morgenröte und Frühling nanntest? Erinnerst du dich jener Psyche, dieser schönsten der Jungfrauen und aller Göttinnen?«

Petronius betrachtete ihn mit solchem Erstaunen, als wollte er sich überzeugen, ob sein Kopf noch in Ordnung sei.[371]

»Von wem sprichst du?« fragte er endlich. »Natürlich entsinne ich mich auf Lygia.«

»Ich bin ihr Verlobter,« erwiderte Vinicius.

»Wie?«

Aber Vinicius sprang empor und rief nach dem Hausverwalter. »Laß alle Sklaven bis auf den letzten Mann zu mir hereinkommen! Rasch!«

»Du bist ihr Verlobter?« wiederholte Petronius.

Bevor er sich von seinem Erstaunen erholen konnte, füllte sich das weite Atrium mit Vinicius' Sklaven. Es befanden sich unter ihnen schwache Greise, Männer in der Vollkraft ihrer Jahre, Frauen, Knaben und Mädchen. Jeden Augenblick wurde das Gedränge größer; aus den Gängen, fauces genannt, erschollen Rufe in verschiedenen Sprachen. Als sie endlich alle an den Wänden entlang und zwischen den Säulen standen, trat Vinicius ans Impluvium und sprach zu seinem Freigelassenen Demas: »Wer zwanzig Jahre in meinem Hause dient, soll morgen beim Prätor erscheinen, wo er die Freiheit erhalten wird: wer noch nicht so lange dient, bekommt drei Goldstücke und eine Woche lang doppelte Ration. Laß nach den Landgefängnissen schicken und sagen, man soll die Strafen erlassen, den Leuten die Ketten von den Füßen nehmen und ihnen genügend zu essen geben. Wisset, daß heute ein Glückstag für mich ist und daß ich wünsche, mein ganzes Haus soll die Freude teilen.«

Eine Weile standen die Sklaven sprachlos da, als trauten sie ihren eigenen Ohren nicht, dann hoben sie alle die Arme empor und riefen: »Aa! Herr! aaa! ...«

Vinicius entließ sie mit einer Handbewegung. Sie eilten hinaus, obgleich sie ihm am liebsten zu Füßen gefallen wären und gedankt hätten, und erfüllten das Haus vom Keller bis zum Dache mit ihrem Jubelgeschrei.

»Morgen,« sagte Vinicius, »lasse ich alle sich im Garten versammeln und vor sich hinzeichnen, was sie wollen. Diejenigen, welche einen Fisch zeichnen, wird Lygia freigeben.«

Petronius, der sich schon längst über nichts mehr wunderte,[372] hatte sich inzwischen erholt und fragte nun: »Einen Fisch? Aha! ich erinnere mich, was Chilon sagte: das christliche Symbol.«

Dann streckte er Vinicius die Hand hin und sagte: »Das Glück ist stets dort, wo man es sieht. Möge Flora dir lange Jahre hindurch Blumen unter die Füße streuen. Ich wünsche dir alles, was du dir selber wünschst.«

»Ich danke dir, denn ich glaubte, du würdest mir abraten, und dies, weißt du, wäre Zeitverschwendung gewesen.«

»Ich dir abraten? Mitnichten. Im Gegenteil, ich sage dir, du tust wohl daran.«

»Ha, Wetterwendischer!« rief Vinicius heiter; »hast du vergessen, was du einst sagtest, als wir Graecinas Haus verließen?«

Petronius erwiderte kaltblütig: »Nein, aber ich habe meine Meinung gewechselt.«

Nach kurzer Zeit fuhr er fort: »Mein Lieber! in Rom wechselt alles. Männer wechseln ihre Frauen, Frauen wechseln ihre Männer, weshalb soll ich da nicht meine Meinung wechseln? Es fehlte nicht viel, da hätte Nero Akte geheiratet, der man geflissentlich seinetwegen königliche Abstammung zuschrieb. Was wäre dabei gewesen? Er würde ein ehrbares Weib und wir eine ehrbare Augusta haben. Bei Proteus und seinem unfruchtbaren Meere! stets werde ich meine Meinung wechseln, so oft ich es für angemessen oder vorteilhaft erachte. Was Lygia betrifft, so ist ihre königliche Abstammung sicherer bezeugt als Aktes pergamentener Adel. Aber in Antium hüte dich vor Poppaea, die sehr rachsüchtiger Natur ist.«

»Ich denke nicht daran! In Antium wird mir kein Haar vom Haupte fallen.«

»Wenn du glaubst, ich werde mich nochmals wundern, so irrst du; woher hast du aber dieser Gewißheit?«

»Der Apostel Petrus hat es mir gesagt.«

»Ah! der Apostel Petrus hat es dir gesagt. Dagegen gibt es allerdings keinen Widerspruch. Gestatte jedoch, daß ich einige Vorsichtsmaßregeln treffe, und sei es auch nur, damit sich der Apostel Petrus nicht als falscher Prophet erweise; denn sollte sich der Apostel Petrus zufällig irren, so[373] könnte er vielleicht dein Vertrauen verlieren, das dem Apostel Petrus in Zukunft sicher von Nutzen sein wird.«

»Tu, was du willst; ich glaube ihm aber. Und wenn du meinst, mich dadurch abzuschrecken, daß du seinen Namen mit spöttischer Betonung wiederholst, so irrst du dich.«

»Nun noch eine Frage: bist du schon Christ geworden?«

»Noch nicht, aber Paulus von Tarsos wird mich begleiten, um mich im christlichen Glauben zu unterweisen. Dann will ich die Taufe nehmen, denn deine Behauptung, die Christen seien Feinde des Lebens und der Freude, ist falsch.«

»Um so besser für dich und Lygia,« erwiderte Petronius.

Dann zuckte er die Achseln und fuhr wie mit sich selber sprechend fort: »Sonderbar ist es jedoch, wie diese Leute es verstehen, Anhänger zu finden, und wie sich diese Sekte ausbreitet.«

Vinicius antwortete mit einer Wärme, als sei er selbst schon getauft: »Ja, es leben ihrer Tausende und Zehntausende in Rom, in den Städten Italiens, in Griechenland und Kleinasien. Es befinden sich Christen in den Legionen und unter den Prätorianern, selbst im Palaste des Caesars sind sie zu finden. Sklaven und Bürger, Reiche und Arme, Plebejer und Patrizier bekennen sich zu diesem Glauben. Weißt du, daß einige Cornelier Christen sind, daß Pomponia Graecina Christin ist, daß wahrscheinlich Octavia eine war und daß Akte eine ist? Ja, dieser Glaube erobert die Welt, und er allein kann sie erneuern. Zucke nicht mit den Schultern, denn wer weiß, ob du in einem Monat oder einem Jahre ihn nicht selbst annimmst.«

»Ich?« fragte Petronius. »Nein, beim Sohne der Leto! ich nehme ihn nicht an, und läge in ihm auch die Wahrheit und Weisheit von Menschen und Göttern verborgen. Das würde eine Anstrengung für mich bedeuten, und ich liebe es nicht, mich anzustrengen ... Ich müßte da auf manches verzichten, und ich liebe es nicht, auf irgend etwas Verzicht zu leisten. Bei deiner Natur, die Feuer und siedendem Wasser gleicht, kann sich etwas Ähnliches stets ereignen, aber ich? ich habe meine Gemmen, meine Kannen, meine Vasen und[374] meine Eunike. An den Olymp glaube ich nicht, richte ihn mir aber auf Erden ein und will genießen, bis die Pfeile des göttlichen Bogenschützen mich durchbohren oder bis der Caesar mir befiehlt, mir die Adern zu öffnen. Ich liebe Veilchenduft und ein bequemes Triclinium gar zu sehr. Ich liebe auch unsere Götter ... als rhetorische Figuren, ebenso Achaja, wohin ich mich mit unserem fetten, dünnbeinigen, unvergleichlichen, göttlichen Caesar, Augustus, Periodenschmieder ... Herkules, Nero begeben werde! ...«

Er lachte heiter auf bei dem bloßen Gedanken, er könne möglicherweise die Lehre galiläischer Fischer annehmen, und begann halblaut zu singen:


Tragen will ich das Schwert in Myrtenzweigen

Wie Harmodios und Aristogeiton ...


Er brach ab, da der Freigelassene meldete, Eunike sei angelangt.

Gleichzeitig mit ihrer Ankunft wurde auch das Mahl aufgetragen, bei dem nach dem Vortrage einiger von Lautenspiel begleiteten Lieder Vinicius seinem Oheim von Chilons Besuche sowie davon erzählte, daß dieser Besuch ihn auf den Gedanken gebracht habe, sich geradeswegs zu den Aposteln zu begeben, und daß ihm dieser Gedanke während Chilons Züchtigung gekommen sei.

Petronius, den von neuem die Müdigkeit überwältigte, stützte den Kopf in die Hand und sagte: »Der Gedanke war gut, weil er einen guten Erfolg hatte. Was aber Chilon betrifft, so hätte ich ihm fünf Goldstücke geben lassen; da du ihn aber hast peitschen lassen, so wäre es schon besser gewesen, ihn zu Tode zu peitschen, denn wer weiß, ob nicht einst die Zeit kommt, wo die Senatoren sich vor ihm verbeugen, wie sie es heutzutage vor unserem Ritter Pechdraht-Vatinius tun. Gute Nacht!«

Er nahm sich den Kranz vom Haupte und machte sich mit Eunike auf den Heimweg. Als sie fort waren, ging Vinicius in die Bibliothek und schrieb folgenden Brief an Lygia: »Ich möchte, daß, wenn du deine schönen Augen aufschlägst, du meine Göttin, dir dieser Brief Guten Morgen[375] sagt. Daher schreibe ich dir noch heute, obgleich ich dich ja morgen wiedersehe. Der Caesar geht übermorgen nach Antium, und ich, ach! muß ihn begleiten. Ich sagte dir schon, daß Ungehorsam gleichbedeutend mit Tod wäre, und ich hätte jetzt nicht den Mut, zu sterben. Willst du jedoch nicht, daß ich Rom verlasse, so schreibe mir nur ein Wort, und ich bleibe, und es wird dann Petronius' Sache sein, die Gefahr von mir abzuwenden. Heute habe ich in der Freude meines Herzens allen meinen Sklaven auch eine Freude gemacht, und diejenigen, die zwanzig Jahre in meinem Hause gedient haben, will ich morgen zum Prätor führen, um ihnen die Freiheit zu schenken. Du, meine Teure, sollst mit mir zufrieden sein, denn es will mir scheinen, daß diese Handlungsweise der milden Lehre entspricht, zu der du dich bekennst, und dann habe ich es auch deinetwegen getan. Ich werde ihnen morgen sagen, daß sie dir ihre Freiheit verdanken, damit sie dir dankbar sind und deinen Namen verehren. Ich selbst überantworte mich dem Glücke und dir als Sklaven, und die Götter mögen mir nie eine Freilassung bescheren. Antium sei verwünscht samt der Reise des Rotbarts. Drei-, viermal glücklich bin ich, daß ich nicht so weise bin wie Petronius, denn sonst müßte ich mit nach Achaja. Inzwischen wird die Trennungszeit mir die Erinnerung an dich wachrufen. So oft ich mich losreißen kann, schwinge ich mich aufs Pferd und komme nach Rom geritten, um meine Augen an deinem Anblick, meine Ohren an deiner süßen Stimme zu laben. Wenn ich nicht kommen kann, so schicke ich dir einen Sklaven, der dir einen Brief überbringen und sich nach deinem Befinden erkundigen soll. Ich grüße dich, meine Göttin, und werfe mich dir zu Füßen. Zürne mir nicht, daß ich dich Göttin nenne. Falls du zürnst, so will ich gehorchen, aber heute kann ich dich noch nicht anders nennen. Aus vollster Seele sende ich dir Grüße aus deinem zukünftigen Heim.«


Ende des ersten Bandes.[376]

Quelle:
Sienkiewicz, Henryk: Quo vadis? Zwei Bände, Leipzig [o.J.], Band 2.
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