Zweiter Auftritt

[34] CASPERLE tritt ein und stolpert über den Gürtel des Faust, der noch am Boden liegt. Pardauz! Nun weiß ich auch wie lang dieß Zimmer ist. Unglück über Unglück begegnet mir hier im Hause. Das ist kein guter Angang. Kaum hab ich den Speisezettel von oben bis unten durchgegeßen, so ists als wärens lauter Windeier gewest und ich kann von vorne wieder anfangen. Und ein Rattennest wie das ist mir halt noch nit vorkommen. Sie beißen einem das Brot vom Munde weg. Und was für Ratten? Ellenlang mit solchen Bärten! Hier bin ich gewiss wieder über einen Rattenschwanz gestolpert. Laß doch schauen. Was ist denn das? Ein Schneidermaß? Hat sich mein Herr einen neuen Rock anmeßen laßen, oder ist er gar selbst ein Schneider? Das Maß will ich einstecken, wenn mir wieder so ein Rattenkönig begegnet, daß ich meßen kann, wie lang er ist. Kann aber doch[35] nit denken, daß mein Herr ein Schneider ist. Was sollt ein Schneider mit all den Büchern machen? Es können doch nit lauter Modejournale sein. Da liegt gleich eins auf dem Tisch. Ich will doch zuschauen. Näher tretend und im Buche blätternd. Das ist gewiss ein Brevier, wo der Herr draus betet. Es ist doch kein Schneider: die sind nit so fromm, sie laßen zu viel in die Hölle fallen. Liest. K – k – katz – Pu – del oder wie das heißen mag. Das ist doch curios, wenn Eins lesen will und kann nit buchstabieren. Ich hätts gewiss gelernt; aber meine Großmutter starb so früh, denn wie sie starb, da war ich noch ein Kind von zwanzig Jahren. Ich muß aber doch sehen, ob ichs nit herausbring. Katz-Pudel heißt es nit, das seh ich schon. Erstes Kapitel. Ah, das will sagen Schnapitel, erstes Schnapitel. Nu kommen wir an die Sach. Liest. »Wenn – man – will – die – Geister – kommen – laßen – so sagt man – Perlippe.«


Eine Menge Geister erscheint.


Ihr Rattenschwänz, seid ihr Geister? Was wollt ihr?

GEISTER. Dir dienen.

CASPERLE. Mich bedienen? Was habt ihr denn Gutes gekocht?

GEISTER. Eisen und Stahl, Pech und Schwefel.[36]

CASPERLE. Da mag der Daus mit euch eßen. Liest weiter. Wenn man will – daß die Geister – verschwinden – so sagt man Perlappe.


Die Geister verschwinden.


Richtig, alle Rattenschwänz fort. Da kann man ja leicht ein Teufelsbanner werden. Perlippe.


Die Geister erscheinen.


Perlappe.


Die Geister verschwinden.


Das geht ja wie geschmiert. Perlippe.


Die Geister erscheinen.


Jetzt bin ich schon ein ganzer Hexenmeister. Sind doch wunderliche Geschöpfe! Was unser Herrgott nit vor Zeugs gemacht hat! Muß doch hören was sie treiben. Rattenschwanz, wie heißt du?

ERSTER GEIST. Asmodi.

CASPERLE. Allamodi? Wie alt ist er denn?

ASMODEUS. Dreitausend Jahr.

CASPERLE. Dann ist er schon bald wieder aus der Modi. Was hat er denn zu schaffen?[37]

ASMODEUS. Ich kann nichts schaffen, kann nur zunichte machen was ein Anderer geschaffen hat.

CASPERLE. Kann er das? Das ist schon Was; aber ich glaubs halt nit. Da hab ich einen Leuchtthurm am großen Zehen, den mach er einmal zunichte.

ASMODEUS. Wenn du mir deine Seele verschreibst.

CASPERLE. Ah, ist er so ein Held? Er thut auch nix umsonst, merk ich. Aber ein dummer Teufel ist er doch, sonst wüst er beßer Bescheid. Aber den langweiligen alten Gesellen bin ich satt. Da ist ein handhohes freundliches Teufelchen, das will ich einmal fragen. Wie heißt du, alter Bursch?

TEUFELCHEN. Xerxes.

CASPERLE. Wie ist mir denn? Xerxes? Ist das nit ein unüberwindlicher großer General gewest, der doch zuletzt 's Laufen gelernt hat? Wie alt ist er denn?[38]

XERXES. Achthundert neun und achtzig Jahr.

CASPERLE. Ei, noch so jung und hat schon Haar ums Kinn? Na, aus ihm kann mit der Zeit noch ein tüchtiger Kerl werden, wenn er es nur hübsch angreift. Aber er muß nit zu lang schlafen und das Schnapstrinken laßen. Der thut nit gut fürs Wachsthum. Ich habs an meiner Mutter ihrem Mops gesehen. Kerls, ihr stinkt aber pestialisch. Macht daß ihr fortkommt. Perlappe.


Die Geister verschwinden.


Aber so wohlfeil sollen sie doch nit davon kommen. Perlippe.


Die Geister erscheinen.


Perlappe.


Die Geister verschwinden.


Perlippe, Perlappe, Perlippe, Perlappe, Perlippe, Perlappe, Perlippe. Er wechselt mit den Worten so geschwind, bis er endlich außer Athem kommt und mit dem Worte Perlippe schließt. Die Teufel, die er hin und her gehetzt hat, rächen sich an ihm, indem sie ihm eine Rakete in den Haarzopf flechten.

CASPERLE. Ich habs ihnen gut eingetränkt. Aber wer den Andern jagt, wird selbst zuletzt müde.


[39] Ein Teufel schleicht sich mit einer brennenden Lunte heran und steckt ihm den Haarzopf in Brand. Explosion. Caspar fällt schreiend zur Erde, wo er liegen bleibt und sich noch todt stellt, als das Feuerwerk schon längst zu Ende ist. Auerhahn rüttelt ihn auf.


AUERHAHN. Steh er auf, Casperle, steh er auf. Sein Herr ist fort nach Parma. Will er nicht auch dahin?

CASPERLE. Nach Parma! Was soll ich in Parma machen?

AUERHAHN. Er soll zu seinem Herrn. Wo der Herr ist, da gehört auch der Knecht hin. Er weiß wohl gar nicht, daß sein Herr des Teufels ist.

CASPERLE. Ist er des Teufels? Das wär des Teufels!

AUERHAHN. Ich will ihn auch dahin bringen, wenns ihm recht ist.

CASPERLE. Wohin will er mich bringen? Zum Teufel? Da bin ich schon. Ist er nit selbst der Teufel? Wenn ichs nit schon wüst, so könnt ichs riechen, so 'ne feine Nase hab ich.[40]

AUERHAHN. Nicht zum Teufel, nach Parma will ich ihn bringen, wo sein Herr auch ist und in tausend Freuden lebt. Er hat vier und zwanzig Jahr Frist, so lange müßen ihm die Geister dienen. Sein Herr hat mir befohlen, ihn nachzubringen.

CASPERLE. Na, meintwegen, bring er mich hin, wenns nit zu lang dauert.

AUERHAHN. Es geht so geschwind wie die Kugel aus dem Rohr.

CASPERLE. So laß er anspannen.

AUERHAHN. Ist schon besorgt. Ein feuriger Drache erscheint. Steig er nur auf.

CASPERLE. Na, ich sage doch! Wer alt wird, der lebt lang. Auf dem höllischen Sperling soll ich nach Parma reiten?

AUERHAHN. Ja, das soll er, wenn er mir erst Leib und Seele verschreibt.[41]

CASPERLE. Auch noch Fuhrlohn? Ich denk, mein Herr hat ihm befohlen mich nachzubringen.

AUERHAHN zupft sich bei der Nase.

CASPERLE. Ohnedieß schneidet er sich. Es ist pur unmöglich.

AUERHAHN. Warum solls unmöglich sein?

CASPERLE. Ja sieht er, den Leib brauch ich selbst, ohne den kann ich nit mitfahren. Und was die Seel betrifft, eine Seel hat Casperle nit. Ihr dumme Teufel, daß ihr das nit gemerkt habt. Als ich zur Welt gekommen bin, waren just keine Seelen mehr vorräthig.

AUERHAHN. Nun so steig er nur auf. Es wird sich wohl finden. Aber noch eins. Kann er auch schweigen?

CASPERLE. Ich schweig halt immer, wenn ich nix zu sagen hab.[42]

AUERHAHN. Sein Herr braucht einen verschwiegenen Knecht. Wenn er nit schweigen kann, soll ich ihn hier laßen.

CASPERLE. Wenns weiter nix ist, ich laß mir ein Schloß vors Maul hängen. Aber Apelpo. Meine fünf Malzeiten halt ich mir aus.

AUERHAHN. Fünf Malzeiten? Was denn für fünf?

CASPERLE. Erst Morgens ein Imbs, hernach ein Zehnuhrebrot, Mittags pumpsatt, ein guts Vesperbrot und Abends ein Schlätchen (Salätchen), ein Brätchen und zwei Pinten Roth.

AUERHAHN. Was muß man ihm denn geben, wenn er den ganzen Tag frißt?

CASPERLE. Was man mir geben muß? Zu eßen muß man mir geben; sonst thu ichs umsonst.[43]

AUERHAHN. Na, so steig er auf. Aber unterwegs darf er nicht sprechen, damit ich sehe, ob er schweigen kann.

CASPERLE. Das wird sich finden. Steigt auf den Drachen. Auerhahn setzt sich hinter ihn. Der Drache fliegt auf.


Quelle:
Simrock, Karl: Doctor Johannes Faust. Frankfurt am Main 1846, S. 34-44.
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