Zehntes Kapitel.

[207] »Komm, Alte, komm, erzähle uns ein Mährlein!« Gern, liebe Püppchen; werdet Ihr aber auch das Grausen vertragen können? Wer kein gut Gewissen hat, setze sich vor die Thüre, und bete indessen ein Vaterunser!

Kindermährchen.


Das Schloß Neufalkenstein, der Sitz des Ritters Bechtram von Vilbel, hatte seit Langem nicht so viel Geplauder und Gelärm in seinen Mauern gefaßt, als seit der Zeit, da der Graft von Montfort dem Besitzer einen Besuch abgestattet, und demselben aufgetragen hatte, das schöne Fräulein von Baldergrün von der Heerstraße wegzufangen, zum schuldigen Dank für so manche Unbill, die der Graf zur Zeit, da er um das Edelfräulein warb, hatte ertragen müssen. Dem in dergleichen Aufträgen geübten Bechtram, welcher, nachdem er lange Jahre hindurch der Hauptmann der Reichstadt Frankfurt in Ehren und Frieden gewesen, vorgezogen hatte, das unedlere Gewerbe der Wegelagerei wieder zu ergreifen, war des Grafen von Montfort Aufgabe über alle Maßen trefflich gelungen, und die Beute richtig geworden. Ein solcher Fang warf zu viel an Gewinn ab, und[207] war überhaupt so selten in der Rechnung der Herren vom Stegreif, als daß sich die Letztern nicht hätten etwas zu Gute thun sollen. Bechtram mit seinen Genossen bankettirte Tag aus, Tag ein, was doch sonst seine Sache nicht war; seine Hausfrau hatte alle Hände vollauf zu thun, um ihre Gäste zu bewirthen, und Wallrade hatte in ihrem männlichen Geiste mit überraschendem Scharfblick den Standpunkt erfaßt, von welchem sie ohne weitere Demüthigung in das Gewühl um sie her herniedersehen konnte. So finster es auch in ihrem Innern wogte, so heiter und glatt hatte sie die Stirne gelegt. – Nicht die Gefangene schien sie zu seyn, – preisgegeben der harten Willkür räuberischer Wächter; – eine Fürstin vielmehr, die sich es gefallen läßt, auf kurze Zeit von dem Gipfel ihrer Größe in's gemeinere Leben herniederzusteigen, und durch ihre Gegenwart das Haus eines ihrer ärmern Wasallen zu beglücken. Den Zwang, der sie drückte, wußte sie unvermerkt in den Hintergrund zu drängen, und zu ihrem Diener zu machen, daß es den Anschein hatte, als sey jede Beschränkung ihre freie Wahl. Sie sah auf den Lippen oder der Stirne ihrer Hüter keinen Befehl, keinen Wunsch schweben, den sie nicht plötzlich errathen, und zu ihrem eigenen Willen gemacht, ihn also geäußert hätte. Sie vermochte es über sich, dem ganzen Abenteuer eine scherzhafte Seite abzugewinnen, und dann und wann mit feinem Spott ihren Umgebungen merken zu lassen, daß der ganze Vorfall ihr nichts weniger, als wichtig erscheine, sondern im Gegentheile kurzweilig und ergötzlich, da er über Kurz[208] oder Lang dennoch ein für sie erwünschtes Ende nehmen werde. Mit verächtlicher Kälte hatte sie ihre Kleinodien und ihre Baarschaft den Räubern hingegeben, mit unbefangner Ruhe hatte sie es mit angesehen, da Frau Else, Bechtram's Hauswirthin, ihre breitschultrige, unangenehme Gestalt mit diesen Kostbarkeiten geschmückt, und sich ihr also geputzt wie in höhnendem Scherz vorgestellt hatte. Den derben Übermuth des Burgherrn und seiner Freunde vergalt sie eben so mit unempfindlicher Derbheit, des Leuenberger's und Petronellen's schadenfrohen Spott mit schalkhaften Antworten, die die Lacher auf ihre Seite brachten; und stand im Ganzen genommen da, nicht wie ein eingekerkert schwaches Weib, sondern wie ein zu Schutz und Trutz gerüsteter Kämpfer, der keine Blöße gibt, ohne die des Gegners zugleich zu treffen. – Je unerwarteter dieses Benehmen den Innsassen und Gästen Neufalkensteins war, je weniger verfehlte es seinen Zweck, und die kräftige Wallrade hatte die Genugthuung, bald den Erfolg zu beobachten. – Bechtram, sein Weib und seine Gesellen, rauhe Menschen, wie das wilde Leben in Fehde, Forst und abgeschiedner Veste sie zu gestalten pflegt, hätten die stillduldende Sanftmuth einer Unglücklichen unerbittlich zu Boden getreten; aber der unduldsame Trotz, die kecke Widerspenstigkeit und Spottsucht Wallradens erschienen den Harten als Eigenschaften, eines bessern Schicksals, wie einer günstigern Behandlung würdig. Bechtram lächelte, wenn das Fräulein ihn einen grauen Taugenichts, seine Veste ein Raubnest schalt. Else duldete scherzend den Spott, welchen[209] die gezwungne Gastfreundin über ihre unschmackhafte Küche aussprudelte. Der wilde Hornberger gerieth in Entzücken, sah er Wallraden auf dem Rücken seines Gauls, dessen Koller sie mit aller Kraft eines Mannes im wenig geräumigen Zwinger bändigte. Der schielende Doring, der wüste Reifenberger, der dicke Henne von Wiede, – Bechtram's Gefährten – so wie der ab und zu fahrende Eppsteiner bemühten sich um die Wette, das in Haft liegende Fräulein durch kurzweilig Gesprächsel zu vergnügen, oder durch ein Spiel im Brette, oder durch ein vom Zuge mitgebrachtes Geschenk. Der Leuenberger legte nach und nach, von Stunde zu Stunde, mehr von der Schroffheit ab, die er gegen seine Stiefnichte geäußert hatte, und wandelte sein Betragen in eine gewisse tölpische Höflichkeit und Augendienerei um, die von Wallraden nicht unbemerkt, so wie von allen Übrigen nicht ungeneckt blieb. Die Base Petronella endlich, verblüfft von dem ungezwungnen und freien Benehmen Wallradens, hatte so ziemlich ihre beißende Zunge zur Ruhe verwiesen, und ihren gewöhnliche Standpunkt eingenommen; nämlich den einer Zeitvertreiberin, weil ihre Mährlein und Schnurren weit und breit in den adelichen Genossamen der Gegend guten Klang und Ruf hatten. Frau Else liebte das Erzählen im traulichen Kreise, und Wallrade forderte oft selbst die Muhme dazu auf, wenn sie den Zudringlichkeiten des Leuenbergers ein Ende machen wollte. War die Alte dann im Zuge, so entfernte sich Diether's Tochter gewöhnlich unvermerkt, und erklimmte den Wartthurm, wo sie sich zwischen den[210] mächtigen Zinnen niederließ auf die Steinbank, in die weite Luft hinausstarrte, und ihren stürmischen, mit übermenschlicher Kraft zurückgepreßten Gefühlen den Lauf ließ. Der Thurmwächter, der seiner tauben Ohren halber aus den Reihen der reisigen Knechte in die Höhe verwiesen worden war, wo seine scharfen Augen noch gute Dienste zu leisten vermochten, saß dann gewöhnlich vor der Öffnung, die auf des Thurmes Platte seinem elenden Schlafwinkel als Thüre und Fenster diener, und schneiderte an den Kleidern der Burgleute, oder kämmte seinen Hund, und begriff nicht, wie sich das schöne gefangne Fräulein so ganz allein zu unterhalten vermöge auf der einsamen Warte. Wallrade legte aber die glühende Stirne an die kalten Steine, und blickte hinaus gen Frankfurt, von wannen immer noch kein Retter nahen wollte. Immer noch war es ihr nicht gelungen, eine Botschaft den Vater zu senden; von Tag zu Tage verzögerte sich ihre Befreiung. Unwillig klagte sie den Himmel an, daß er sie, gleich wie auf einem Siegerzuge, aufgehalten, während sie im Begriff gestanden, des Unfriedens und der Zwietracht höchstes Maaß über das Haupt des Vaters und der Stiefmutter auszugießen. Unwillig fragte sie die Vorsehung, wie lange sie noch hier zu verharren habe in einem Zwang des Willens und der Empfindung, der ihr an's innerste Leben zu greifen begann, trotz Verstellung und Standhaftigkeit. Zagend und zürnend zugleich gedachte sie des Augenblicks, in welchem der Graf von Montfort; – dessen Zuthun bei der verwünschten Begebenheit sie leicht errieth, wenn gleich[211] Bechtram seinen Namen nicht auszusprechen wagte, – auf der Veste erscheinen und durch seine Gegenwart die durch seine Unritterlichkeit Gefangene am tiefsten demüthigen würde. Allein, wie sehr sie auch klagte, zürnte und zagte, der Zeitpunkt ihrer Erlösung lag immer noch ferne, denn ein geheimnißvoller Schleier bedeckte vor jedem fremden Auge die auf Neufalkenstein verwahrte Beute. – Der Aufenthalt der von Gelnhansen geladenen Gäste hatte bereits mehrere Tage gedauert, und Wallrade, von trüben Gedanken in ihrer engen Kammer gepeinigt, war gerade nach dem Imbis zu dem Wartthurm emporgestiegen, um die laue Frühlingsluft in ihrer klaren Reinheit zu trinken, und ruhiger zu werden. Der Weg, welcher unfern der Veste vorüberlief, war leer und öde wie immer, seitdem die Nachbarschaft von Bechtram's neuen Unternehmungen vernommen hatte. Ein frischer Luftstrom erquickte aber Auge und Stirn der Gefangenen, und ihr Blick schweifte kühn über die Höhen und Ebenen, über Gewässer und düstre Tannenwipfel, und senkte sich tief in das Innere der kleinen, zu ihren Füßen liegenden Veste. Ihr Herz ergrimmte auf's Neue, da sie jetzt erst wahrnahm, wie gering und unbedeutend der Kerker war, der sie einschloß. Der an und für sich nicht sehr ergiebige Raum war von dem Erbauer haushälterisch benützt worden. Ein tiefer Graben umschloß die unregelmäßig gebaute Veste, deren Eingang ein schmales Thor, blos für einen Mann zu Pferde breit und hoch genug bildete. Zugbrücke und Pforte verschloß diesen Eingang beständig, wie eine von aller Welt abgeschnittene[212] Klause. Hinter den dicken, am Graben emporragenden Mauern schlängelte sich der enge Zwinger, in welchem Knechte und Pferde und Hunde, sammt dem geraubten Zug- und Melkvieh ihre Hütten und Ställe fanden. Eine elende Waffenschmiede, in welcher die auf Raubzügen zerhacken Blechhauben und Drahtwämser nothdürftig zusammengeflickt wurden, streckte hier ihren rauchenden Schlot. Dicht daneben hatten die Burgleute zu ihrem Vergnügen eine bald zum Armbrustschießen, bald zum Regelschieben benützte Bahn angelegt; der einzige Fleck, auf welchem allenfalls ein Roß zugeritten werden konnte. Wer aus diesem Zwinger in das Innerste dringen wollte, mußte durch ein niedres, von schwerem eichenen Gegatter fest verschloßnes Pförtlein kriechen, hinter welchem der enge finstre Hof das Wohngebäude des Herrn einfaßte, zu dessen, ungefähr acht bis neun Schuhe von dem Boden erhöhten Schwelle eine in Klammern gehängte Holztreppe führte, die im Nothfall weggenommen werden konnte, um einem Feinde oder einem Räuber den Eingang zu den Schätzen und Vorräthen des Hauses unmöglich zu machen oder mindestens zu erschweren. In dem Hofraume schnatterte und lärmte des Federvieh's bedeutende Menge, rauchte der Ofen, in welchem die thätige Hausfrau das Brod bereitete, umfangen von hohem, rußigem Gemäuer, das in die Fensteröffnungen des Erdgeschosses der Burg nur den bleichsten Strahl des Tages eindringen ließ. Und dennoch waren hier die Räume, in welchen die Geschäfte der Wirthschaft und des Hauswesens verrichtet werden mußten. Hier war[213] die Halle, welche den mächtigen Herd in sich faßte, und den in tiefer Schlucht quillenden Brunnen der Veste, und den Eingang in die unterirdischen Waarenkammern und Weinkeller des Hauses, so wie die Treppe zu den obern Gemächern, deren zwei sich in der Burg befanden, in eben so vielen Stockwerken vertheilt. Das erste, zu welchem die Wendeltreppe führte, – das Gemach der männlichen Bewohner, – zugleich die größte Stube der Veste, in welcher Trinkgelage und Mahlzeiten gehalten wurden, nahm den ganzen Raum des Stockwerks ein, eine Kammer ausgenommen, in welcher auf Stroh- und Rohrgefüllten Säcken, überdeckt mit Wolfs- oder Bärenfällen die Männer des Schlafs genossen, umgeben von ihren Gewändern, Waffen und den Satteln ihrer Pferde. Stieg man die fortlaufende Wendeltreppe empor, so gelangte man im zweiten Stockwerke zu dem Gemach der Frauen, das, wenn gleich zierlicher geputzt, als das der Einrichtung hatte. In jedem der vier ziemlich breiten aber niedern Fenster zwei steinerne Ecksitze, an den Wänden fortgehende Bänke mit Polstern; in jedem Winkel des Gemachs ein schwerer Schwenktisch oder Kleiderschrein, geschmückt mit glänzendem Schloß und zierlich geputzten Kürbissen und Pfauenfedersträußen, Truhe und Spinnrocken und Garnwinde nicht zu vergessen. Vorspringende Erker von kleinen Schartenfenstern erhellt, enthielten die Lagerstellen der Frauen des Hauses, und der längs der Vorderseite des obern Stockwerks hinlaufende Söller bot ihnen eine willkommne Stelle dar, um in freier Luft zu arbeiten,[214] zu beten, zu plaudern, oder in stiller Unthätigkeit dem Treiben und Leben des Taubenvolks zuzuschauen, das oben an des Schlosses Zinne seinen Schlag besaß, und auf und nieder flatterte an den steil gezackten Giebelseiten des bunten Ziegeldachs. Rings um war oben die Aussicht frei, nur an der Seite nicht, wo der lange und runde Wartthurm in die Höhe strebte, welcher aus dem Gemäuer des innern Hofraums entsprang, – in seinem Erdgeschosse die enge und kleine Kapelle der Burg enthielt, und drei Stockwerke zählte, bis zu der Zinnen räumlicher Krone, drei Verließe enthaltend, von welchen das oberste des Lichts genoß, das mittlere einer milden Dämmerungshelle sich erfreute; das unterste aber, zu welchem nur ein rundes Loch den Eingang bot, tief hinabging in schaurig dunkle Gruft, wohin blos die ferne Stimme des in der Kapelle die Messe singenden Priesters drang, da der schreckliche Schlauch des Verließes dicht hinter dem Altar sich abwärts senkte. Auch dieser schwache Trost war jedoch zu gegenwärtiger Zeit dem Unglücklichen versagt, der vielleicht diese Schreckensgrüfte bewohnen mußte. Der Herr dieser Behausung, welcher weiter nichts Merkwürdiges als das schon Berührte aufzuweisen hatte, war in den Kirchenbaum gethan worden; der Pfaffe, der den Kapellendienst im Schlosse versehen hatte, war ausgeblieben, und dumpfiges Schweigen herrschte Tag und Nacht in dem verödeten Kirchlein, wie der Staub auf seiner Glocke. Wallrade wußte nicht, ob das unterste Verließ des Wartthurms, auf dem sie stand, einen Gefangenen barg; aber daß im mittlern Stockwerke[215] des Erkergebäudes Menschen in Haft lagen, war unbezweifelt, da von Zeit zu Zeit, trotz dem dicken Gemäuer und den schmalen Luftluchen klagende oder singende Stimmen herausdrangen, nur hörbar für den auf der Thurmspitze aufmerksam Lauschenden. Im Vergleich mit diesen armen, zwischen düstern Wänden eingesperrten Leuten mußte Wallrade freilich ihr Schicksal glücklich preisen, und sie that es auch, so lange ihr Auge Erholung suchte in den freien Himmelsräumen. Sah sie jedoch hinab in die enge Veste, welcher sie dennoch nicht entrinnen konnte, da wollte ihre Brust beinahe zerspringen. Montfort hätte keine bitterere Qual für sie ersinnen können, als den Verlust ihrer Freiheit; und alles Gold der Welt hätte sie für die Erlaubniß gegeben, einen jener Renner zur Flucht besteigen zu können, die so eben im Zwinger zu einem Zuge fertig gemacht und gezäumt wurden. Die Knechte der Burg, vielleicht ein Dutzend an der Zahl, krochen gerüstet aus ihren Hütten, und jagten sich, plumpe Scherze treibend, auf dem Rasen umher, während der Schmied die Hufe der Rosse besichtigte, und in Eile zusammenpfuschte, was verdorben war, oder nicht mehr halten wollte. Mittlerweile traten die Herren des würdigen Trosses aus der Gatterpforte: Bechtram mit seinen Gefährten. Ihr Anzug verrieth deutlich, daß sie nicht zu einem Lustritt gingen. Bewaffnet bis an die Zähne stiegen sie zu Pferde, winkten der Hausfrau, die dem scheidenden Gatten noch die Hand durch's Gatter reichte, ein Lebewohl, und zogen durch das schmale Thor über die schwankende Brücke in's Freie. Der Leuenberger,[216] der zur Bewachung des Hauses zurückgeblieben war, ertheilte dem Thorwächter die nöthigen Befehle zur Verschließung der Burg. Die Brücke ging knarrend in die Höhe; die wenigen zurückgebliebenen Burgleute gingen an ihr Geschäft, oder an das zeitvertreibende Spiel, und die ausgezogenen Männer waren noch nicht an die Spitze des Tannenbruchs gelangt, als schon in der Veste wieder eine Ruhe herrschte, gleich der des Grabes. Es währte indessen nur kurze Zeit, so kamen rasche Tritte den Thurm herauf, und der gegenwärtige Schirmvogt der Veste stand plötzlich vor Wallraden. Das Gefühl und Bewußtseyn des wichtigen Amts, das er in diesem Augenblicke zu bekleiden erkoren war, sprach aus seiner Haltung und seinen Zügen. – »Beschäftigt, alle Räume des mir anvertrauten Schlosses zu besichtigen,« sprach er mit widerlichem Lächeln, – »muß ich doch auch sehen, wie und wo sich meine werthe Gefangene befindet.«

»Sie lugt hier nach dem Zuge der freien Lerchen,« entgegnete Wallrade ebenfalls lächelnd: »und kann nicht begreifen, wie sich diese holden Sänger diesem finstern Thurme nähern mögen, in welchem die Knechtschaft weint.« –

»Ei, was kümmern Euch die Knechte im Thurm?« versetzte Veit mit einer plumpen Verbeugung: »Ihr seyd die Herrin von Neufalkenstein, mehr denn Frau Else selbst.« – »O spart Euer höhnisch Schmeichelwort,« erwiederte Wallrade leicht, »und vor Allem laßt ja dergleichen Frau Else nicht hören, Ihr[217] wißt, sie versteht nicht lange Scherz, und ist eifersüchtig auf die Oberherrschaft.« –

»Wie ich auf einen Blick von Euerm holden Augenpaar;« fügte Veit wie oben bei. Wallrade zuckte die Achseln, und gab sich die Miene, seinen Worten keinen Glauben beimessen zu wollen, daher nahm der Leuenberger seine Zuflucht zu Betheuerungen. – »Pest und rother Hahn!« rief er: »Schönes Fräulein, ich will den Hals brechen zur Stelle, wenn ich eine Lüge spreche. Ich würde lügen wie ein Schelm, wenn ich sagen wollte, daß ich Euch von Anbeginn gern gesehen, aber das Wohlwollen, und – laßt es mich heraussagen, – die Liebe nistet sich ein, ohne daß man's vorher sieht, oder geradezu merkt. Das wißt Ihr auch gar wohl, denn Ihr seyd ein verständig Frauenbild, und könnt unterscheiden, was blanke Zierhöfelei ist, was Ernst und baare Münze.« – »Guter Leuenberger,« erwiderte Wallrade: »die Männer sprechen alle auf diese Weise, wenn sie ein Frauenherz zu berücken suchen.« – »Pah,« lachte Veit: »Zeit meines Lebens habe ich mich noch nie damit abgegeben, Weiberherzen zu kirren, und habe das Falkenabrichten immer der Minne vorgezogen. Wie man einen Stoßvogel zähmt, weiß ich; aber nicht, wie man ein Weib gewinnt.« – Wallrade gab ihm in ihren Gedanken völlig recht. Er fuhr jedoch fort: »Hier ist der Spieß umgekehrt. Ihr habt mich berückt, ob ich gleich bis auf den heutigen Tag mein Herz bewahrte, und ob Ihr gleich meine Stiefnichte seyd.« – »Ihr schreibt mir einen großen Sieg zu;« versetzte Wallrade scherzend, aber[218] einen der gefährlichsten Blicke hinzufügend, deren sie nur Meister war. Dieser Blick ermuthigte den unbeholfnen Ritter, in seiner Herzensergießung fortzufahren. – »Mich soll der Schwarze reiten, hier vor Euren Augen,« sprach er, »wenn, was ich sage, nicht mein voller Ernst ist; wenn ich Euch nicht verehre, wie eine Nonne ihr Muttergottesbild. Ich habe in meinem Leben noch vor keinem Strauß gezittert, und bin auch jetzo zu jeder Probe bereit, die Ihr mir auferlegen wolltet, um meine Treue zu erwahren. Vergebt mir: ich rede sonst nicht viel mit Weibern, aber heute, und Euch gegenüber bin ich in den Zug gekommen. Ihr wißt jetzt mein Geheimniß, von welchem ich nicht einmal der Base ein Sterbenswörtlein verrathen habe. Erwiedert mein Vertrauen mit dem Eurigen. Laßt mich wissen, ob ich vielleicht hoffen dürfte.« – »Eure Rede wird sehr dringend und ernstlich;« meinte Wallrade, eine Aufmerksamkeit verrathend, die des liebetrunknen Junkers Glut anfachte. – »Wenn Ihr nur endlich das Ernstliche einseht;« rief er: »Kreuz und Stein! Wie soll ich's anfangen, deutlicher zu reden? Ich denke, mit einem Wort, so gut als Euer Vater und meine Schwester ein Paar werden konnten, – so gut könnten wir's auch werden, und sollte die Verwandtschaft ein Hinderniß machen wollen, so martre ich einen Pfaffen so lange, bis er einen Dispens herausgibt, gültig wie einer von Rom.« – »Ei, Ihr sprecht ja ruchlos, wie ein böhmischer Ketzer!« rief Wallrade scherzhaft: »Nimmer werdet Ihr mich von der Wahrheit einer Liebe überzeugen können, die sich so gotteslästerlich[219] ausdrückt.« – »Pest und rother Hahn!« eiferte der Leuenberger, heftig mit seinen braunen Händen die Luft sägend: »Fordert eine Probe meiner Liebe, – mehr kann ich ja doch nicht thun, als Euch die Wahl lassen. Soll ich den tauben Hund von Wächter, der dort wie ein Klotz auf der Matte kauert, und in die Ferne stiert. Kopf über Kopf unter vom Thurm werfen? Oder soll ich mich mit Dreien raufen auf Leben und Tod? Oder soll ich in Frankfurt einreiten, trotz dem Stadtbann, in dem ich liege, und mich wieder herausschlagen, und das Dintenfaß des Stadtpfaffen vom Römer mit heimbringen? Gebietet; was Ihr wollt, soll geschehen, und wenn sich der Satan dreimal dazwischen legte.« – »Ihr stellt Euch Aufgaben, allzuschwer, als daß ich Euch beim Worte neh men könnte;« entgegnete Wallrade; – »und gerade durch solches Überbieten in Gefahren, die Ihr bestehen wollt, macht Ihr mich mißtrauisch. Kann ich an die Liebe des Mannes glauben, der, um mir zu gefallen, Andre mordet; mich selbst jedoch, ohne vor Schaam und Unwillen zu erröthen, in dem Schlamm der Demüthigung sehen kann? Wie mögt Ihr, ein freier adelicher Mann, Euch ein gefangen Liebchen wählen, das Ihr doch nicht erlösen wollt? Ihr fordert, daß ich Euer Herz prüfe. Wohlan; geht hin, öffnet mir die Pforte dieses Kerkers, löst meine Fesseln, und dann bewerbt Euch um meine Gunst. Oder, – thut das Leichtere: meldet nur meinem Vater den Ort meiner Gefangenschaft, und dann – nachdem ich in seine Arme zurückgekehrt, – dann fordert meine Hand.« – Der Leuenberger schwieg[220] eine Weile betroffen, während Wallrade den scharfen Blick auf ihn heftete. Verlegen spielte er mit den Knöpfen seines Ärmels, strich sich den Bart und kaute an den Lippen. »Edles Fräulein,« – sprach er endlich bedächtig: »Was Ihr verlangt, geht über meine Kräfte. Wir Edelleute halten fest an unserm Wort, und Bechtram hat das Meine; und von Euerm Vater vollends erwarte ich nichts als Undank. Er würde mir zehnmal eher vor dem Gallusthor zu Frankfurt Nase und Ohren abschneiden lassen, als mich in seiner Sippschaft aufzunehmen.« – »Ich weiß nicht, in wiefern Herr Diether Euch gehässig ist;« erwiederte Wallrade seufzend; »allein ich dächte, auch meiner Dankbarkeit solltet Ihr in etwas vertrauen.« – Der Blick, den sie bei dieser Rede auf Veit's Antlitz warf, sollte heftiger zünden, als die vorigen, aber seine Kraft prallte ab, an der Scheu des Leuenberger's vor Bechtram's Rache und Diether's gegründetem Haß. – »Ei was!« brummte er: »Eure Haft kann ja doch wahrlich nicht ewig währen. Hat Bechtram vom Montfort erst erhalten, was er will, liegt ihm ferner nichts daran, Euch zu füttern. Dann wäre es an der Zeit, meinen Wünschen zu genügen, und eine fröhliche Ritterehe zu schließen, zu welcher man nichts braucht, als einen Bettelmönch, der den Segen gurgelt, und ein stilles, sichres Kämmerlein. Was sagt Ihr dazu, mein süßes Lieb?« – »Daß Ihr ein Abscheulicher seyd, der meine Verachtung verdient, aber nicht die Minne einer ehrsamen Jungfrau;« erwiederte ohne Hehl Wallrade, der das Blut in die Wangen geschossen[221] war, bei dem unziemlichen Antrag des Stegreifritters. Veit, welcher seine Furcht vor den von dem Fräulein vorgeschlagenen Prüfungen hatte hinter der Larve eines rauhen Muthwillens verbergen wollen, schwieg wie ein ertappter und geschlagener Schüler, und lehnte sich verlegen auf die Brustwehr des Thurms. »Einfältiger, tölpischer Klotz!« murmelte Wallrade vor sich hin, und stützte verdrüßlich den Kopf in die Hand. Der Leuenberger gewahrte aber so eben seine Base am Erkerfenster der Burg, und winkte ihr und Frau Elsen, heraufzukommen auf die luftige Höhe. – »Muhme Petronella soll uns ein Mährlein erzählen,« sprach er mit läppischem Lächeln zu Wallraden:»sie wird Euch dadurch auf andre Gedanken bringen, und mich vergessen machen, was ich von Euch vernehmen mußte.« – Wallrade machte eine unwillige Bewegung gegen ihn, und stand auf, um zu gehen. Der Versuch war aber umsonst, denn schon knarrte die Thüre des Thurms, und die schwerfälligen Tritte der Frauen kamen bald näher und näher heran. Frau Else schritt wackrer und rüstiger zu, als die hinkende Base, und hielt die auf der Höhe der Steige unschlüssig verweilende Wallrade auf. »Ei, wo hinaus?« fragte sie mit ihrer männlichen Stimme, die im Hause Befehle ertheilte, donnernd wie der Schlachtruf eines Feldhauptsmanns: »Dageblieben! Nicht davon gelaufen. Wir sind jetzt die alleinigen Herrn im Hause, und wollen uns gütlich thun auf der kühlen Warte.« – Somit drehte sie Wallraden mit einer Schwenkung des Ellbogens um, und reichte der mühsam heranklimmenden Base die Hand. – »Herauf! Herauf![222] alte Nixe!« rief sie der Keuchenden entgegen: »Hier oben ist's wohl seyn. Hast Du dem Wilpert gesagt, daß er uns eine Kanne kühlen Weins heraufschleppe, und einen Korb mit Brod und Fleischkuchen?« – Petronella bejahte; Else klopfte beifällig und munter in die mächtigen Hände, und zog Rocken und Spindel aus dem breiten Ledergürtel, der ihren stämmigen Leib umschloß. Der Thurmwächter mußte dem zögernden Wilpert entgegeneilen, und die Frauen machten sich's bequem auf den Mauerbänken zwischen den Zinnen. – »Wie ist es doch so schön hier oben!« sprach Petronella, nachdem ihr Husten, von dem Treppensteigen und der Einathmung reinerer Luft erregt, nachgelassen hatte: »Himmlischer Vater! wenn das Alles, was wir hier vor Augen sehen, unser wäre! Was meint Ihr, liebe Frau Else?« –

Bechtram's Ehewirthin zuckte verächtlich mit den Lippen. »Man hört's Euern Reden wohl an, Fräulein,« sprach sie derb, »daß Ihr kein Haus als Eigenthum besitzt, sonst würdet Ihr nicht so tolle Wünsche von Euch geben. Mir kommt ein ähnlicher Gedanke nicht, denn ich bin zufrieden in meinem Hauswesen, und wenn dieses mir nach Wunsch geht, so frage ich nicht nach Allem, was um uns her liegt an Wald und Feld, an Häufern und Höfen.« – Hier beschrieb sie mit dem hoch und drohend geschwungnen Rocken einen großen Kreis rings um sich her, und schlug damit auf die Schulter des Leuenberger's, der in Gedanken verloren, den Weibern den Rücken gekehrt hatte. – »Frau Else! Frau Else!« rief der Erschrockene, sich die Schulter reibend: »Ihr führt[223] einen harten Zepterstab, und der Ritterschlag von Eurer Hand ist nicht sanfter, als der von einer Männerfaust.« – »Meint Ihr?« entgegnete die Frau von Vilbel: »Ich möchte auch wissen, wie ich wohl zurecht kommen würde unter dem Gelichter, das in unserm Hause aus- und einfährt, wie die Hexen aus und in den Schlot. – Vergebt aber, Leuenbergerin, daß ich gerade von bösen Hexen sprach. Ich sollte wissen, daß Ihr's nicht liebt, wenn man von Truden redet.« – »Hm!« meinte Petronella: »so man nur davon redet, mag es hingehen. Nur über die Schwelle dürfen sie nicht kommen, und dafür habt Ihr gesorgt, Frau Else, denn das Hufeisen, das unter Eurer Pforte angenagelt ist, bleibt ein wahres Gottesmittel dagegen, und so Ihr vollends nicht versäumt, jeden Morgen zwei Strohhalme kreuzweis drüber zu legen, so kömmt Euch nimmer eine Hexe zu nahe.« – »Ihr seyd eine kluge Jungfrau,« erwiederte Frau Else, »und ich werde mir noch manches von Euern Erfahrungen merken, ehe Ihr von dannen scheidet.« – »Ho, die Base ist gelehrter, als ein Meister der freien Künste,« fiel der Leuenberger ein; »besonders im Erkennen zauberischer, übernatürlicher und verborgner Dinge.« – »So?« fragten Else und Waltrade. »Das hätte man versuchen können;« fuhr die Erstere fort: »Ihr hättet meinem Manne des heutigen Zuges Ausgang und Erfolg weissagen müssen.« – »Hm!« meinte Petronella, den Kopf bedenklich wiegend: »dem Gastfreund geziemt's eigentlich nicht, des Wirths Thun und Lassen zu deuteln, aber, wenn man Achtung hat, auf das was um uns vorgeht, so[224] kann man manches in seinen Handlungen ändern, was ersprießlich und von Nutzen wäre.« – »Ihr sprecht als ob's Lateinisch wäre,« lächelte Else: »ich verstehe Euch nicht.« – »Der Hund hat die ganze Nacht im Zwinger jämmerlich geheult,« sprach die Alte weiter: »die Eule hat geschrien und die Todtenuhr hat gehämmert, als wollte sie nimmer aufhören. Das bedeutet nicht viel Gutes. Zudem ist heute kein glücklicher Tag, und ich hätte an Eurer Statt den Ritter nun nimmermehr reiten lassen.« – »Ihr macht mir bange!« versetzte Else, ohne jedoch weiter eine Bewegung zu äußern: »Mein Mann lacht über solche Dinge, und fürchtet sich nicht, weil er ein geweihtes Amulet bei sich trägt, das er einem Pilger abgenommen, der es gerade von des Erlösers Grab geholt hatte. Wenn ihm nur das Heiligthum noch hilft, da er jetzo im Banne liegt?« – »Ei, wie sollte es denn nicht?« fragte Petronella entgegen: »die hochwürdigen Barfüßer Ordensherren weihen ja gewöhnlich diese Schutzmittel, und man weiß ja, daß sie sich nicht viel um Bann und Interdikt kümmern.« – »Ihr beruhigt mich wieder völlig;« antwortete Else, dem alten Fräulein gutmüthig und derb auf den hohen Rücken klopfend: »ich hatte schon den Gedanken gefaßt, trotz Bann und Strahl eine Messe in der Kapelle lesen zu lassen auf die glückliche Heimkehr meines Alten.« – »Eine Messe?« lachte Petronella: »wie das?« – »Wer versteht das Handwerk hier?« spottete Wallrade: »etwa der edle Herr, der vor uns steht, oder der taube Wächter, der endlich mit dem ersehnten Vorrath anlangt?« – »Hoho!«[225] fiel Else ein: nur nicht so höhnisch, gefangnes Fräulein Naseweis. Wir haben wohl noch andre Leute hier im Schlosse, die Kutte und Platte tragen. »Da unter uns sitzt ein armer Pater im Kühlen, dem Eure Gesellschaft, Leuenbergerin, Unglück gebracht hat, und der wohl jetzo, obschon Mittag vorüber, nüchtern genug wäre, um das Meßopfer zu bringen.« – »Wie?« schrie Petronella, erstaunt die Hände faltend: »Wie? Der arme Mann, der mit uns hier angelangt?« – »Derselbe;« versetzte Frau Else kaltblütig: »er sammt dem Bäuerlein, das Euch den Wagen lieh, bewohnt unsern Thurm, weil mein Alter meinte, die Leute seyen mit der Gegend zu bekannt, als daß nicht der Gewahrsam der schönen Wallrade verrathen hätte werden müssen. Sie werden sich's nun gefallen lassen, so lange hier zu verharren, bis des Fräuleins Haft vorüber.« – »Ha, Euer Herr macht wackre Streiche!« rief Wallrade keck; »an schwachen Frauen und wehrlosen Mönchen erprobt sich des Helden Muth.« – »O laßt den Heldenmuth aus dem Spiele, gutes Fräulein:« entgegnete Else: »einen schönen Falken läßt der tapferste und großmüthigste Mann nicht aus den Händen. Wahrlich, Wallrade, hätte ich einen Sohn, ich ließe Euch gar nicht mehr von meiner Seite; Ihr müßtet meine Schwieger werden, und noch heute müßte der Pfaffe da unten Euch trauen.« – »Das ist ein Wort, vortrefflichste Nichte;« sprach Petronella beißend: »Frau Else denkt nicht an ihr alt Geschlecht.« – »Ihr habt Recht, Base Stolperwitz;« ließ sich Wallrade vernehmen: »unser halbadelig Wappen würde nicht[226] zu dem des Ritters Bechtram passen, wenn er gleich Räuberei treibt. Beruhigt Euch indessen. Meine verehrte Wirthin hat ja keinen Sohn, der ihre Drohung verwirklichen könnte.« – »Freilich nicht;« setzte Else seufzend hinzu: »das ist's, was mir oft blutige Thränen kostet. Was nützt meinem Alten seine schwere Mühe und saure Arbeit? Was nützt ihm langes Leben und Gedeihen? Wir haben ja doch niemand, dem wir hinterlassen könnten, was er mit Schweiß und Blut erobert. Der Tag, an dem unser Philipp starb, der wilde Bube, war ein harter Tag, und auch damals schrie die Eule wie ein wahrer Unglücksvogel. Der Junge mußte gerade seinen Kopf aufsetzen, und ein Pferd in die Schwemme reiten wollen. Mein Alter erlaubte es dem Fürwitz, und gestürzt, vom Roß geschleift und zertreten, brachten uns die Leute den Buben sterbend in's Haus zurück.« – Else wischte sich eine Thräne ab, die in ihr finstres Auge gedrungen war. – »Den leibeigenen Knecht, der das Unglück, ohne zu helfen, geschehen ließ, ließen wir todt peitschen,« setzte sie mit fürchterlich gepreßter Stimme hinzu, »allein unsern Philipp machte es nicht lebendig.« – Eine tiefe Stille folgte auf diese kurze und gräßliche Erinnerung. Frau Else richtete sich indessen schnell in die Höhe, stampfte einigemal mit dem Fuße auf das Pflaster, fuhr sich verstohlen mit dem Ärmel über die Augen, und langte die Kanne mit Wein an Wallraden. »Trinkt! thut Bescheid!« sprach sie mit ganz verändertem Tone: »dem Gaste gebührt die Ehre. Dann die kluge Leuenbergerin, dann ihr Vetter, und zuletzt ich. Petronella ist hernach[227] so gut, und gibt uns eine Sage oder Legende zum Besten. Man vertreibt damit die Zeit am Besten, und der Faden am Rocken wird noch einmal so glatt und eben, und die Kuchen schmecken noch einmal so gut.« – »In Gottesnamen denn,« fügte Wallrade hinzu, und drehte dem Leuenberger den Rücken, da er ihr einige verbindliche Worte in's Ohr flüstern wollte: »in Gottesnamen, Muhme. Hebt an, und erzählt.«

Veit stemmte maulend den Kopf in beide Hände, und pfiff in die Luft hinaus: die Alte setzte sich indessen zurecht, roch ein Paarmal mit besinnender und bedächtiger Miene an dem Bisamapfel, den sie auf der Brust trug, und graute sich am Kinn. »Lieben Freunde,« begann sie, indem sie den Finger an die Nase legte: »eine Sage, die Ihr nicht schon wüßtet, fällt mir gerade nicht ein; eine Geschichte von den lieben Heiligen ziemt sich nicht zu berichten, an einem Orte, wo kein Gottesdienst gehalten werden darf; demzufolge will ich Euch lieber, da wir von Kindern gesprochen haben, auch ein Kindermährchen erzählen; nicht das beste, nicht das schwerste, das jemals von einer Amme oder einer treuen Mutter erfunden worden ist.« – »Meinethalben;« entgegnete Frau Else: »nur sey es nicht zu lustig und schnurrig, mein kluges Fräulein. Das Ernsthafte und Schauerliche ist mir lieber, und stimmt besser zu meinem heutigen Gemüth.« – »Wie Ihr befehlt, meine gute Wirthin;« antwortete hierauf des Leuenbergers Base, und hob an, mit lebhaften Geberden und wackelndem Kinn, wie folgt:[228]

»Es sind wohl länger denn zweitausend Jahre her, und viel darüber, als es einen reichen Mann gab, der eine gar schöne, fromme und sittige Wirthin in sein Haus geführt hatte, und mit ihr des Lebens Glück genoß im höchsten Maaße, ausgenommen das Glück, ein Kind zu haben. Da geschah es einmal, daß die Ehewirthin an einem frischen Wintertage unter dem Mandelbaume saß, der im Hofe stand, und einen Apfel schälte. Das Messer glitt jedoch ab, und fuhr ihr in den Finger, daß ihr Blut in den Schnee rann. ›Ach!‹ sagte sie hierauf und seufzte aus innrer Brust: ›Ach, wohl ist weiß der Schnee und roth das Blut, und hätte ich hoch ein Kindlein roth und weiß wie sie beide.‹ Kaum hatte die Frau diese Worte gesprochen, als ihr recht fröhlich und heimlich um's Herz wurde, denn sie hatte nicht umsonst geredet und geseufzt. Ein Mond ging hin und der Schnee ging weg; der zweite Mont fand alles grün, im dritten kamen die Blümelein aus der Erde, im vierten alle Bäume in's Holz, worin die Vögelein sangen, und die Blüten fielen. Und wie der fünfte Mond vorbei war, da stand die Frau unter dem Mandelbaum, der gar zu lieblich roch, und ihr Herz war froh und konnte sich nicht fassen vor stiller Freude. Und der sechste Mond vorüber war, da begannen die Früchte aufzugehen und stark zu werden; sie aber wurde ganz still. Im siebenten Mond griff sie nach den Mandelbeeren, aß davon und ward borsthaft und traurig. Da aber der achte Mond hingegangen war, da rief sie ihren Mann, und weinte, und sagte zu ihm: ›Wenn ich sterbe,[229] so begrabe mich unter den Mandelbaum.‹ – Nun wurde ihr wieder ganz wohl und getrost zu Sinne, und kaum war der neunte Mond vorbei, so gebar sie ein Kind, weiß wie der Schnee und roth wie Blut, und freute sich daß, und starb. Ihr Mann begrub sie unter den Baum, wie er es versprochen, und fing an zu weinen gar sehr, eine Weile lang; nach und nach und allgemach legte sich aber das Herzeleid, und dann hörte er auf zu greinen, und dann währte es nur eine kurze Zeit, so nahm er sich wieder ein Weib.« – »Männertreue!« sprach Wallrade bitter: »Ihr erzählt kein Mährlein, Muhme. Daß ich Euch also nennen muß, beweist, daß wirklich im Leben geschieht, was in der Ammenstube erdichtet wird.« – Petronella zog ein verdrießliches Gesicht, und ihr Vetter schlug eine spöttische Lache auf. Frau Else aber schlug allen beginnenden Hader durch den Wunsch nieder, das Mährlein weiter zu hören, und das Fräulein von Leuenberg fuhr fort: »Die Stiefmutter gebar eine Tochter in's Haus, und diese war ihre Liebe, und der Sohn der Verstorbenen wurde ihr Haß, und sie dachte ihn zu verderben. Und der Gott sey bei uns fügte es, daß einstens der Junge aus der Schule kam, und von der Mutter 'nen Apfel begehrte. Sie machte ein finster Gesicht und glühende Augen, und begehrte von dem Buben, daß er heraufkomme zur Dachkammer, wo eine Kiste stand mit scharfem Schloß von Eisen, und da sie den Deckel aufmacht, und dem armen Jungen befiehlt, sich einen Apfel aus der Truhe zu holen, und der unschuldige Knabe sich hineinbiegt ...[230] Puff! Schägt sie den Deckel zu, daß des Buben Kopf unter die rothen Äpfel fiel. Darauf hat sie mit einem weißen Tuch das Haupt wieder an den Körper gebunden, den Knaben vor die Thüre gesetzt, und ihm einen Apfel in die Hand gegeben. Und da sie in der Küche stand, und einen Topf mit heißem Wasser brudeln ließ, da kam ihr Töchterlein traurig zur Küche, und sprach: ›Ach Mutter mein! Vor der Thüre sitzt das Brüderlein und sieht aus wie der Schnee, und ißt nicht seinen Apfel und antwortet nicht, ob ich ihn gleich gebeten; mir von dem Apfel zu geben.‹ – ›Ei,‹ sagt die Mutter, ›wenn der böse Bube nicht reden will, so ziehe ihn an den Ohren.‹ Lenchen ging hin, und that wie ihr die Mutter geheißen, und da lag der Bruder todt zur Erde. Da hat nun das arme Mägdlein geschrien und geweint, und die Mutter hat gesprochen: ›Ach, Lene, Lene, was hast Du gethan. Komm, daß wir's dem Vater verbergen!‹ Und sie hackte den Jungen in Stücken, und steckte diese in den Topf mit Wasser und kochte sie zum Imbiß; Lenchen stand aber dabei, und weinte, und weinte, daß alle Thränen in den Topf fielen, und das Gericht brauchte weiter kein Salz.« – »Aber, Fräulein!« sprach hier Frau Else: »welch schreckliche Mähr erzählt Ihr uns da? Gott vergebe der bösen Stiefmutter!«

»Und es ist doch nur 'ne Stiefmutter;« entgegnete Petronella mit häßlichem Lächeln, »und manche wahre und echte Mutter hat also gethan an ihrem Kinde« – Else schlug ein Kreuz; Veit wollte sich todt lachen über die Schnurren, die seine Base[231] auftischte; Wallrade war jedoch ganz still, und sah ernst vor sich. Die Leuenbergerin nahm dafür den Faden wieder auf, und erzählte:

»Wie nun der Vater kam aus dem Wald, und warf die Art weg und setzte sich zum Tisch, so fragte er: ›Wo ist denn der Bube?‹ – Zuerst antwortete die Mutter nicht, und trug das Essen auf; du jedoch Lenchen die Zähren nicht verbergen konnte, so fragte der Vater wieder: ›Weib, wo ist denn der Bube, mein Sohn?‹ – ›Über Land ist er gegangen,‹ antwortete ihm die Frau hierauf, als ob sie kein Wasser getrübt hätte: ›er will beim Großohm verweilen sechs Wochen lang und ich habe ihm's nicht versagen mögen.‹ – ›Ach, was ist doch dem Buben eingefallen?‹ versetzte hierauf der Vater gar wehmüthig: ›Wie konnte er doch fortgehen, ohne mir gesagt zu haben: Leb' wohl Vater, und bleib' gesund?‹ – Der gute Mann wurde recht wehmüthig, und wollte nichts genießen; da er aber den ersten Bissen der Gräßlichen Speise gekostet, wurden ihm Augen und Mund weit, und er aß und aß, und aß ganz allein, und ließ keinem Menschen einen Bissen übrig, und vom ganzen Gerichte nur die Beinlein, die das kleine Lenchen in ein seiden Stück wickelte, verstohlen, daß es die Mutter nicht sah, und damit von dannen ging, unter den Mandelbaum, wo sie des Bruders Überreste niederlegte in's grüne Gras, und sie befeuchtete mit blutigen Thränen. Da geschah es aber mit einemmale, daß der Mandelbaum begunnte sich zu bewegen, und der Wipfel nickte freundlich, während dessen die Zweige[232] auseinander rauschten, und wieder zusammenschlugen, wie fröhliche Leute mit ihren Händen zu thun pflegen, und die Wurzeln hüpften hüpften und zuckten, wie die Füße eines tanzlustigen Gesellen. Und dabei ging eine Nebelwolke aus von dem Baume und in der Wolke brannte ein schönes rothes Fetter, und aus dem Feuer flog so ein schöner Vogel heraus, wie er nimmer gesehen wird in deutschen Landen; der sang lieblich und wohlgemuth und flog in die hohe Luft. Unter dem Mandelbaume war jedoch alles wie zuvor, und das Gras spielte im Winde, die Blätter regten sich leise, aber des Brüderleins Gebeine waren verschwunden, wie das seidne Stück, so daß Lenchen's Herz weit wurde, wie das eines Glücklichen, und sie sich nicht anders vorstellen konnte, als daß lieb Brüderlein noch lebe. Worauf sie vergnügt nach Hause ging. Der bunte Vogel setzte sich inzwischen auf eines Goldschmids Haus, und sang vernehmlich: ›Die Mutter hat mich erschlagen, – Verzehrt hat mich des Vaters Mund, – Mein Schwesterlein thät mich begraben, – Beim Mandelbaum im kühlen Grund! Kywitt! kywitt! welch ein schöner Vogel bin ich!‹ – Meister Goldschmid saß gerade in der Werkstatt und fertigte eine goldne Kette. Der Gesang des fremden Vogels auf seinem Dach gefiel ihm über die Maßen, und er lief, ob er gleich Schuh' und Schurzfell in der Eile verlor, auf die Straße, wo die Sonne so hell schien, wie das goldne Geschmeide in seiner Hand. – ›Ach Vögelein!‹ rief, der kunstreiche Mann: ›wie singst Du doch so schön! Wiederhole die Weise noch einmal.‹ Der[233] Vogel kratzte sich darauf schelmisch am Kopf, und er wiederte: ›Gibst Du mir die goldne Kette in Deiner Hand, so singe ich noch einmal. Umsonst thu' ich's jedoch nicht.‹ Der Goldschmid reckte ihm hierauf die Kette dar vom reinsten Golde, und der Vogel packte sie in die Kralle, und setzte sich vor dem Goldschmid nieder und sang: ›Die Mutter hat mich erschlagen, – Verzehrt hat mich des Vaters Mund, – Lieb Schwesterlein thät mich begraben, – Beim Mandelbaum im kühlen Grund! Kywitt! kywitt! welch ein schöner Vogel bin ich!‹« – »Traun!« schaltete hier der Leuenberger ein: »man kann nicht leichter zu goldnen Ketten kommen.« – »Unterbrecht doch die Muhme nicht,« schalt Else dagegen: »Ihr seyd ein unruhiger Zuhörer. Nehmt ein Beispiel an Eurer Nichte, welche da sitzt wie ein fleißig Mägdlein in der Kinderlehre.«

Petronella schenkte der aufmerksamen Zuhörerin einen günstigern Blick, denn zuvor, und ließ sich weiter vernehmen: »Der Vogel flog von dannen und setzte sich auf eines Schusters Dach, wo er abermals sein Lied sang, und damit Meister und Frau , Kinder und Gesellen auf die Straße lockte, wo die Sonne nicht heller schien, als die goldne Kette um des Vogels Hals. Und da ihn der Schuster aufgefordert hat, das Stücklein noch einmal zu pfeifen, so gurrte der Vogel, als ob er sich besänne, und fragt: ›Gibst Du mir die rothen Schuhe, die Du gerade vollendet hast, so will ich singen; umsonst thu' ich's aber nicht.‹ – ›Was will ich machen?‹ versetzt der Meister, und reicht die Schuhe dem Vogel,[234] der sie erpackt, auf des Schusters Schulter fliegt, und das Lied wiederholt, das wir schon wissen. Weit davon stand aber eine Mühle, die ging klipp klapp, klipp klapp vom Morgen bis zur späten Nacht, und zwanzig Müllerknechte standen darin und behaupten einen Stein, und ihre Hämmer klangen: hick, hack, hick hack zwischen durch der Mühle Klipp klapp, klipp klapp. Ein Lindenbaum stand gar lustig vor der Mühle und darauf setzte sich der bunte Vogel mit Kette und Schuhen, und sang sein Lied, daß einer von den Gesellen nach dem andern aufhörte zu hauen, und alle herausgelaufen kamen, und den wunderlichen Vogel anstarrten, der so vernehmlich singen konnte wie ein Mensch, und so bedenklich obendrein. Da sie nun verlangten, er möchte seine Weise wiederholen, so entgegnete der Vogel: ›Gebt Ihr mir den Mühlenstein, so Ihr behauen habt, so will ich wohl. Umsonst aber thu ich's nicht.‹ Die Gesellen pflogen hierauf Raths unter sich, und wurden endlich eins, daß der Stein dem Vogel gehören sollte. Da sie nun mit Hebeln und Stoßbäumen ansetzten, um den schweren Stein zu erheben, so kam der Vogel herbeigeflogen, die Kette in der rechten, die Schuhe in der linken Kralle, steckte sich den Mühlstein an den Hals, wie einen Helmkragen, und da er noch einmal gesungen hatte, so flog er weit, weit weg mit Stein, Kette und Schuhen, nach seines Vaters Hause.«

»Dort fliegt Staub auf am Waldrande!« rief der Leuenberger, mit der Hand nach der Heerstraße deutend: »Es wirbelt lustig durcheinander. Was[235] gilt's, unser wackrer Hauswirth kehrt heim!« – Else warf einen Blick nach der Straße, und erwiederte gelassen; »Gottlob! Aber noch sind die Männer fern, und das Fräulein hat alle Muße, ihre schöne Mähr zu endigen, deren Schluß ich mit Neubegier erwarte.« – »Gewiß!« setzte Wallrade mit einem gezwungnen Lächeln bei, während ihr Auge bald gespannt auf Petronellens Munde haftete, bald scheu den Boden suchte. Die Base, nachdem auch sie den fernen Ankömmlingen einen Blick ihres Auges geschenkt hatte, fuhr lebhafter und mit feierlichem Antlitz fort: »In der Stube des Hauses saßen der Vater, die Mutter, und Lenchen am Tisch,« und der Vater sagte: »Mir wirb so wohl und frei um die Brust, ob ich schon nicht weiß, warum.« Die Frau sagte dagegen: »'s wunderlich. Mir wird so schwül zu Sinne, als ob ein Wetter über'm Schlot stände.« – Lenchen aber mußte verstohlen greinen und weinen, so kamen ihr die Thränen in die Augen. Plötzlich fliegt der Vogel herbei, und so wie er sich auf das Dach setzt. – »Ach!« sagt der Vater: »Mir ist heut sonnenwohl und heiter, als ob ich einen guten alten Freund wiedersehen sollte.« Die Frau sagt dagegen: »'s ist wunderlich! mir wird so bang, und die Zähne klappern mir, und es kriecht wie Feuer durch meine Adern, und das Mieder will mit zerspringen vor Gebreste.« Lenchen sagte kein Wort, und weinte, daß die Schürze naß wurde, wie ein Regentuch. Inzwischen war der Vogel auf den Mandelbaum geflattert, und indem er durch die Scheiben stierte, als wäre jeder seiner Blicke eine Stechlanze,[236] sang er: »Die Mutter hat mich erschlagen ....« da hielt die Frau die Ohren zu, und kniff die Augen zusammen, daß sie nicht hören und nicht sehen mochte. Doch vor den Ohren braußte es ihr wie alle Waldströme des Fichtelgebirgs, und vor den Augen zuckte ein Blitz nach dem andern. – »Verzehrt hat mich des Vaters Mund ....« sang der Vogel weiter, und obgleich der Mutter das Lied klang wie Todtenglocken, so war's doch dem Vater als ob Engel singen zu goldnen Harfen, und ein süßer Geruch wie Rosmarin und Holderblüthe herabrieselte von dem Wipfel des Baum in die sonnenhelle Stube, »Lieb Schwesterlein thät mich begraben,« tönte des Vogels Stimme weiter, und Lenchen mußte, um sich satt zu weinen, den Kopf auf die Knie legen. Der Vater konnte hingegen nicht mehr im Hause bleiben, und wollte heraus, nach dem seltsamen Vogel zu schauen, was er auch that, ob ihn schon die Frau beim Ärmel zurückhielt und stammelte: »Geh nicht! Geh nicht! Es wankt ja das Haus, und steht's nicht in Flammen?« – Da der Vater nun den Vogel beschaute, und sich seines Gefieders freute, wie auch sich wunderte ob der befremdlichen Worte, die er sang: »Beim Mandelbaum, im kühlen Grund, .. kywitt! kywitt! welch ein schöner Vogel bin ich!« so ließ der Sänger die goldne Kette fallen, gerade um des Vaters Hals, daß sie ihm stand, wie der Schmuck eines Ritters oder Marschalls. Als er nun freudig hineinging, und der Frau das Geschmeide wies; so konnte die Sündige sich kaum aufrecht erhalten, weil der Vogel wieder anhob, wie mit tausend Zinken- und Heroldsstimmen:[237] »Die Mutter hat mich erschlagen!« – »O mein Herz!« seufzte die böse Frau: »O läge ich doch tausend Klafter unter dem Boden, daß ich nicht hören müßte, was das Gespenst dort auf dem Baume krächzt.« Der Vogel kam nun an die Weise: »Lieb Schwesterlein thät mich begraben,« und nun mußte auch das Mägdlein hinaus, um den Vogel zu schauen, der ihr die rothen Schuhe herunter warf, auf denen sie fröhlich in die Stube zurücktanzte. Da schmetterte der Vogel fein: »Kywitt! kywitt!« wie ein rüstiger Trompeter durch die Luft, und hörte nicht damit auf, daß der falschen Mutter die Haare zu Bergen standen, wie Feuerflammen und wehende Waldbäume. – »Ach!« schrie sie verzweifelnd: »Geht denn die Welt nicht unter? Hört denn der Bube nicht auf zu schreien? Ich muß hinaus zu ihm, ob es mir wohl mein Herzblut kosten wird!« – Rannte hinaus, und vom Mandelbaum polterte der Buchtstein herab, daß sie elendiglich zerschellt dahin sank, viele Fuß tief in die Erde, aus welcher der Stein nimmer gehoben werden konnte. Der Vater und Lenchen rangen die Hände, da Dampf und Feuer aufging von der Stätte. Als aber der Rauch verzogen, die Flamme erloschen war, da war es unter dem Mandelbaume wie zuvor, das Gras spielte im Winde, die Blätter regten sich leise und der kleine stand, weiß wie Schnee, und roth wie Blut, und lebendig wie ein Hirsch vor dem Vater und dem Schwesterlein, und sprach: »Guten Tag, ihr Lieben, und wohl mir, daß ich wieder bei Euch bin.« Und wie sie sich fröhlich zu Tisch setzen, ist das Mährlein zu Ende.[238]

»Blase, Bärenhäuter!« schrie Veit: dem Wächter in die Ohren, der langsam und faul nach dem Horn griff, da die Reiter schon nahe am Graben waren. – »'S ist wahrlich mein Alter!« rief Else unter dem Geschmetter des Horns: »Gott und alle Heiligen seyen gelobt.« – Indem sie jedoch schnell aufstand, bemerkte sie mit Schrecken, daß Wallrade von der Steinbank zur Erde gegleitet war, und ihrer Sinne verlustig geworden, dahin liegend wie eine Leiche. Die Frauen sprangen der Ohnmächtigen bei. Der Junker sah ihnen höhnisch lächelnd über die Achseln. »Seht doch einmal!« rief er: »Das Fräulein ist ja doch sonst hart wie Stahl und Eisen, und weder Haß noch Liebe erschüttert sie. Wie kommt's, daß ein Kindermährlein die Starke umwirft? Ich laufe, die Zugbrücke herab zu lassen.« – Er überließ die Bewußtlose ihren Pflegerinnen, und eilte hinab an das Thor der Veste, um den Ankommenden den Einritt zu verstatten. Sie kehrten alle wohlbehalten zurück, aber mit verdrüßlichen Gesichtern. Bechtram ritt eines Knechts Mähre, und sein eignes Pferd kam hinkend hinterdrein. »Das war ein Miserereritt!« rief er dem Leuenberger entgegen: »Gotts Marter! wer sagt mir denn, was meinem Hengste fehlt?« Die bockbeinige Mähre hat mich abgeworfen, da ich ihr das Hinken mit den Sporen austreiben wollte, und das hat unserm Zug ein plötzliches Ende gemacht, denn der Satan versuche an dem Tage sein Glück weiter, wo sein Leibpferd ihm abwarf. Das gedeutet Unglück, und vielleicht sogar Hexere. – »Wir hatten der bösen Zeichen viele,« rief der Hornberger[239] dazwischen: »eine alte Vettel war der erste Mensch, der uns begegnete, und der Teufel selbst kann kein größer Unglück herbeiführen.« – Die Übrigen hatten indessen das Pferd umringt, und belugten das Thier von allen Seiten, wie schon im Freien geschehen war, ohne die Ursache seines Gebrestes und seines Kollers entdecken zu können. – »Kreuz und Stern!« rief Bechtram ungeduldig, und zauste seinen grauen Knebelbart: »Irgend etwas muß doch die Schuld tragen. Wer weiß, ob Deine Base den Gaul nicht verhert hat, Leuenberg.« – Die Übrigen brachen in lautes Gelächter aus. Doring faßte übrigens den Gedanken auf, und versicherte ernsthaft und kopfschüttelnd, es sey hier wohl eher die Wahrscheinlichkeit einer Zauberei da, als nicht. – »Es wäre möglich, daß die Krämer zu Frankfurt Dir den Gaul geknüpft hätten;« meinte der Reifenberg, und der von Wiede schwor bei allen Wettern, Zauberei stecke dahinter, und weiter nichts. Sie standen mit untergeschlagenen Armen im Kreise um den Gaul, und Bechtram sprach endlich verdrüßlich: »Was verzaubert ist, muß, sich auch entzaubern lassen, wenn man's nur verstände.« – »Warum liegt Ihr im Bann?« wieherte der Hornberger: »Warum nahm Euer Kaplan Reißaus? Die Schorköpfe kennen Teufelei und Hexenwerk wie ihr Meßbuch, und beten dem Satan die Hörner stumpf.« – »Wenn's nur das ist, da kann abgeholfen werden,« meinte Bechtram: »in meinem Verließe steckt ja ein Kuttenknecht, und man könnte ihn ja eine Weile aus dem Käfig lassen, um hier seine Schuldigkeit zu thun.« – »Ja wohl,«[240] pflichtete der Leuenberger bei: »und so Ihr begehrt, verlange ich von Eurer Hausfrau die Schlüssel, und schleppe Euch den hagern Burschen her.« – Bechtram gab nach einigem Bedenken die Einwilligung, und Veit eilte, seinen Auftrag auszurichten, und kehrte bald mit dem Mönch zurück, dessen Gang sich sehr von dem schleichenden Katzentritt seiner Ordensbrüder unterschied. Kraftlosigkeit lag jedoch über sein ganzes Wesen ausgebreitet, und das Gesicht hielt er in der Kaputze verborgen, durch deren Öffnung ein verwirrter Bart sich sehen ließ. »Willkommen, hochwürdiger Herr;« redete ihn Bechtram spottend an: »Ihr mögt vergeben, daß meines Gewerbes strenge Beschäftigung mir noch nicht die Muße gönnte, einen werthen Gast, wie Ihr seyd, von Angesicht zu Angesicht zu schauen. Ich hoffe indessen, daß Euch und euerm Begleiter die nothwendige Atzung nicht gefehlt haben werde.« »Der arme Schelm!« schaltete Doring mitleidig ein: »Frau Else hat nur für trocken Brod und klares Wasser gesorgt.« – Bechtram warf ihm einen finstern Blick zu, und entgegnete mit trockner Kälte: »Ein Jeder, Freund, wird in meinem Hause gehalten, wie es seinem Stande geziemt. Mönch und Bauer sind auf die nüchternste Kost angewiesen, und darum hat meine Wirthin ihre Tafel also geordnet. Ich möchte Euch indessen, würdiger Vater, gern zu einem bessern Trunk und leckerem Bissen verhelfen, wenn Ihr mir dieses Pferd hier, das am Hinterfuß verzaubert und gebannt ist, wieder zurecht bringen wolltet durch euern Segen und Beschwörung.« – Der Mönch, der bis daher noch kein[241] Wort gesprochen hatte, sah auf den Gaul und dessen Herrn hernieder wie ein Fürst, und erwiederte ruhig: »Ich verstehe das nicht, Herr, was Ihr begehrt.« – Bechtram war mit der Antwort nicht zufrieden. – »Ausflüchte,« sprach er lächelnd: »Ihr Klosterleute pflegt doch sonst eher mehr zu versprechen als ihr halten könnt, und allzugroße Bescheidenheit ist eure Sache nicht. Hängt sie an den Nagel, und stellt mir das Thier wieder her. Es soll euer Schade nicht seyn. Höher als eines Menschen Leben schätze ich das Roß, und meine Dankbarkeit ist Euch gewiß.«

»Ich wiederhole Euch, Herr,« versetzte der Mönch gelassen, »daß ich nichts von Beschwörungen verstehe.« – Bechtram's Stirne wurde glutroth, und der Hornberger fuhr auf. – »Bist Du ein Pfaffe,« schrie er, »und kannst nicht einmal ein verhextes Vieh lösen? Schwänke über Schwanke! Das Zaubern lernt ihr aus euern Chorbüchern, die keine andre Christenseele versteht. Merkt Ihr nicht, Bechtram, daß der schmutzige Barfüßer Euch nur zum Besten hat? daß es ihm Freude macht, Euern Renner krumm und lahm zu sehen? Die Pfaffen sind Eure geschwornen Feinde. Laß diesem hier nur die Peitsche geben, bis er sich bequemt. Kreuz und Dorn! ich mache nie so viele Umstände mit den braunen Unthieren.« – »Hm,« erwiederte Bechtram: »ich werde doch in sechzig Jahren nicht weniger gelernt haben, als Ihr, mein Herr von Hornberg? Laßt das Hofmeistern auf gelegnere Zeit, wenn Euch der Bart grau geworden. Ich weiß schon selbst, wie mit[242] Widerspenstigen, umzuspringen ist.« – Der Hornberger wurde empfindlich über die öffentliche Zurechtweisung. »Bei allen Gewittern!« rief er: »Nicht so hitzig und beißig, Meister Bechtram. Daß ein grauer Bart nicht vor Thorheit schützt, beweißt Ihr gerade jetzo, da Ihr einen erprobten Freund wegen eines Pferds und eines Tagediebs beleidigt.« – »Schweig! Gelbschnabel,« erwiederte Bechtram mit zorniger Geberde, indem er an die Hüfte schlug, wo das breite Schwert hing. – Friede! Friede! riefen jedoch die Andern dazwischen. Der Leuenberger nahm es über sich, den Hornberg zu besänftigen, und der ältere Döring machte sich an Bechtram. Die beiden gereizten Männer ergaben sich nicht alsobald in den Willen der Vermittler, und sträubten sich lange gegen eine Versöhnung des so schnell ausgebrochnen Zwists. Endlich hängte sich noch der Reifenberg an den Hornberger, Henne von Wiede an den Burgherrn, und sprachen, so gut es ihre rauhe und der Schmachreden mehr denn der Friedensworte gewohnte Zunge vermochte, kräftig genug zur Sühne. Während nun die eine Partei unter lebhaften Geberden auf der Scheibenbahn des Zwingers auf und ab lief, und die andre, heftige Worte wechselnd, sich an das Gatterthor gezogen hatte, besah der Mönch das arme Roß nach allen Regeln der Kunst, so daß sich die Knechte selbst ob der Unerschrockenheit wunderten, mit welcher ein des Reitens unkundiger Klosterbruder das wilde und ungeduldige Thier zu behandeln wagte. Er war mit seiner Untersuchung zu Ende gekommen, als gerade die friedestiftenden Freunde[243] auch an das Ende ihrer Bemühungen gelangt waren. Des Hornberger's Hitze war größtentheils verdampft; der kältere Bechtram hatte erwogen, daß er des unerschrocknen Kämpen wohl noch ferner bedürfe, und beide boten endlich willig die Hand zur Ruhe und Minne. – »Laßt's gut seyn;« brummte Bechtram, des Junkers Rechte schüttelnd. – »Gott strafe mich, wenn ich's Euch gedenke;« erwiederte der rohe Mensch, dem ältern Kumpan um den Hals fallend: »aber, setzte er hinzu: da sich zwei wackre Edelleute um solches Ungethüm – auf den Mönch zeigend – vermeinigt haben, so muß der Bube uns beiden Genugthuung leisten, und auf der Stelle den Teufel beschwören, der in dem Gaule sitzt, oder es geht ihm nicht gut.« – »Recht, Hornberg;« bekräftigte Bechtram, der sich mit dem Übergewichte eines hochmüthigen Zwingherrn gegen den Mönch wendete: Mache Dich fertig, Pfäfflein, sonder Widerrede, heile mir das Pferd. Ehe die Abendsonne hinter jene Linde sinkt, muß es geschehen seyn. Mangelt Dir etwas vom geistlichen Staat, so zu diesem Werke nöthig wäre, so soll es Dir gereicht werden. Weihkessel und Wedel, Stola und Meßrock findet sich in meiner Kapelle. »Darum sprich und treibe Deine Schwänke, damit mein Gaul gesunde, und es Dir wohl gehe auf Erden.«

»Muß ich denn wiederholen, was ich früher sagte?« fragte der Mönch achselzuckend, mit etwas verächtlicher Miene, so weit sich sein blasses Gesicht unter der Kaputze erkennen ließ. – Bechtram stampfte wild mit dem Fuße. »Hagel, Sturm, Pest und rother[244] Hahn!« schrie der vorlaute Hornberg: »Tagdieb! willst Du wohl gehorchen? Seit einer Stunde schon gibt Dir ein biedrer Rittersmann die besten Worte, und Du, schmutziger Bettelgänger, treibst Deinen Spott mit ihm? An's Werk, oder ich lähme Dich wie den Gaul hier.« –

Er griff nach seinem Lieblingswerkzeug, dem Messer am Gürtel. – »Bist Du denn toll?« rief ihm der Leuenberger in's Ohr, und hielt seinen Arm. Der wilde Junker sträubte sich jedoch ungeberdig, und rief außer sich: »Laß mich, Veit, laß mich! Ich will die Kniesehne des Faullenzers treffen, so gut als die eines Pferdes!« – Leuenberg ließ indessen nicht ab, und die Übrigen standen ihm bei. Der Mönch kehrte sich gelassen zu Bechtram, und sprach: »Ich weiß wohl, daß der gute ungestüme Junkherr Wort halten würde. Einen Menschen zu verstümmeln wie ein Thier fällt ihm nicht schwer. Demungeachtet kann ich Euerm Wunsche durch eine Beschwörung nicht genügen, wohl aber durch leichtere Hülfsmittel. Das Roß ist nicht behext, und wenn es der Hufschmidt Sr. kaiserlichen Majestät behaupten wollte. In seinem Hufe sitzt die ganze Zauberei, und diese Krankheit nennt man die Steingalle. Gefällt es Euch, so will ich noch diese Nacht ein wundätzend Wasser bereiten, und morgen das Pferd damit von Grund aus heilen. Mit Zauberei gebe ich mich aber nicht ab.« – Die Edelleute standen ungläubig und stumm bei diesen Worten. Als aber der Mönch mit gewandter Faust des Pferdes Huf aufhob, und ihnen Allen den kleinen braunrothen Fleck darinnen zeigte,[245] den ihr ungeübter Blick übersehen hatte, und sie sich überzeugten, daß bei der Berührung dieses verletzten Fleckchens das Thier zusammenschauerte, und mit aller Macht zu hauen und zu beißen verlangte, da kam ihnen doch nach und nach zu Sinne, daß der verachtete Klostermann wohl Recht haben könnte, und eine gewisse Art von Bewunderung trat an die Stelle des pöbelhaften Hohns. – »Ei, hochwürdiger Herr,« sprach Bechtram so verbindlich als es ihm möglich war: »Ihr verrathet einen Mann, der nicht in die braune Haut gehört, die Ihr auf dem Rücken tragt. Solch adlich Reitergewerbe zu verstehen, wie Ihrs versteht, was sich aus Euren Handgriffen und zuversichtlichen gerechten Worten ermessen läßt, – das lernt man sonst in Euern Klöstern nicht, worin der Bettelesel das einzige Thier ist, das von Ferne eine Ähnlichkeit mit dem edlen Rosse hat. Sagt, womit ich Euch erfreuen kann; nur die Freiheit muß ich Euch für jetzo versagen, da mir es eine andre Pflicht gebietet.« – »Ich weiß zwar nicht, welche Pflicht Euch gebieten kann,« – versetzte der Mönch, – »die Gewaltthätigkeit fortzusetzen, die jener junge unbesonnene Mann an mir und meinem armen Fuhrmann verübt hat. Allein eben in die Gewalt muß man sich fügen, so man nicht der Stärkre ist. Heile ich Euch jedoch den Hengst, und findet Ihr morgen, daß ich nicht zu viel versprochen, so erleichtert in etwas das Schicksal des armen Bauers, der mit mir in Euerm Thurme schmachtet. Bedenkt, daß er ein Weib daheim hat, und fünf Kinder, die nicht ahnen, wohin ihr Ernährer gerathen ist, und die vielleicht[246] vergehen in Noth und Jammer, wie Er dahin schwindet in Heimweh und verzehrendem Gram. Behandelt ihn nicht schlechter als Euere Rüden, die denn doch dann und wann eine bessere Atzung erhalten, als verdorbnes Haferbrod und schlammiges Wasser. Mit einem Worte: haltet den Unschuldigen wie einen Menschen; dann habt Ihr mir reichlich den geringen Dienst vergolten, welchen ich Euch leisten will.« – Bechtram schwieg etwas beschämt. Die edeln Herren sahen sich der Reihe nach verwundert an. – »Ein wunderlicher Heiliger!« lachte der Hornberger, der sich aus seiner Wuth wieder zum Scherz gefunden hatte: »Wenn Ihr ihn auf der Fahrt hieher gesehen hättet, ... geschworen hättet Ihr, der Mensch sey stumm. Auch kein Wörtlein hat er verschwendet, so tapfer Leuenberger's Base ihn in's Gebet nahm. Ohren und Augen in die Kutte gehüllt, saß er da, wie ein Bild von Holz, und ich schwörs, er hat auch kein Wort gehört, was wir gesprochen. Jetzo aber geht ihm der Mund frisch weg, wie ein fleißiges Rädlein. Glück zu, Pater!« – »Man rede nur zur gelegnen Zeit;« versetzte der Mönch ruhig. – »Man rede aber auch alsdann für sich, und nicht für Andre;« fügte Bechtram mit einer Gutmüthigkeit bei, die ihm um so besser anstand, als er selten darein verfiel: »Mir wär's lieber, bei Gott; Ihr verlangtet etwas Bessres, als ein Stück Fleisch für den dummen Bauer.« – »Mein Gewand ist das der Demuth;« entgegnete der Mönch kurz: »ich begehre nichts für mich; aber hindert Euch denn dieses, mir freundlich entgegen zu kommen? – Für heute wünsche[247] ich nichts als Ruhe, und daß man mir verstatten möge, in den Thurm zurück zu kehren, um das Wundwasser für das Pferd zu bereiten.« – »Wohl wird es kühl und dämmrig hier im Zwinger,« – meinte Bechtram, – »und wir wollen Euch unter Dach und Fach bringen, guter Klostermann. Aber bei leibe nicht in den Thurm. An unserm Hausherde könnt Ihr weit leichter Euern Balsam brauen, und an unsrem Trinktische sitzt sich's besser, als in dem Kerker. Kommt mit; einige Becher edeln Getränks werden Euch stärken, und ein Stück köstlichen Wildbratens-Euern Gaumen vergnügen. Ihr erzählt uns dabei aus Euerm Leben, und aus der Ferne, denn, weit seyd Ihr hergekommen, und helft uns also den Abend verkürzen.« – »Ich bin ein schlechter Erzähler,« antwortete der Mönch: »im Thurm aber wird mein Begleiter, der arme Bauersmann, meine Gesellschaft vermissen. Mein Trost allein und mein Zuspruch drückten ihm die Augen zu auf seinem elenden Strohlager.« – »Pah!« rief der Leuenberger: »solch Volk braucht kein Einlullen.« – »Keine Genossenschaft, als die der Ratzen und Spinnen,« setzte Hornberg hinzu. – »Ja wahrlich!« bekräftigte Bechtram: »Ich sende dem Manne einen Becher Wein, daran mag er sich Rausch und Schlaf zutrinken, und fröhlich seyn. Ihr aber, Pater, – Kreuz und Stein! Ihr müßt mit, und ohne Zögern.«

Der Ritter nahm den Arm des Mönchs unter den feinigen, und das ganze Häuflein der Gäste nahm seinen Weg zu dem Gatterthore, an welchem die Hausfrau ihnen entgegen kam, und den Eheherrn bewillkommte.[248] »Wo ist das Fräulein?« fragte er schnell, und jeder Mund wiederholte die Frage, und jeder Blick suchte sie. Frau Else gab jedoch eine unbedeutende Unpäßlichkeit vor, versicherte, daß dieselbe bald vor über seyn würde, und führte die Herren sammt und sonders in das Gemacht des ersten Stockwerks, wo auf dem eichenen Tisch Speisen aufgestellt waren, und vom Kandelbrett die glänzenden zinnernen Kannen herableuchteten, mit den sauber geformten Ängstern, den mächtigen Paßgläsern und den bauchigen Krügen. Wie heißhungrige Wölfe fielen die Gäste über die derben Keulen her, und der duftige Wein strömte in die Becher. Frau Else schnitt das Fleisch vor, das Fräulein von Leuenberg kredenzte in Ermanglung eines reizendern Mundschenks den Trunk, und bald verwirrte sich Alles in scherzhaften Gesprächen und Alletagsreden. Doring und Weide griffen nach der reisenden Uhr1, sich die Zeit zu vertreiben; der Reifenberger krähte ein Minnelied zu Petronellens Ehre, welches der tolle Hornberger mit einer verstimmten Laute begleitete; Bechtram, der Leuenberger und der Mönch saßen beisammen, und schwatzten von Jagd und Falkeniererskunst, in welcher der Letztere nieder ungemeine Fertigkeit verrieth, und den Zuhörern manch Jägerstücklein und Falknergeheimniß zum Besten gab, von dem sie sich nichts hatten träumen lassen. Bald jedoch nahm der Wein in Bechtram's, wie in Veit's Kopfe überhand, und es entspann sich zwischen ihnen ein Hader über[249] Wilderei und Forstherrngerechtsame. Die Übrigen, nicht minder vom Wein erglüht, mischten sich in den Handel, und ehe man sich's recht versehen konnte, saßen alle beisammen an einem Tische, um sich mit weniger Aufwand an Stimme und Geberden zanken zu können. Petronella nahm keinen Theil an dem Männerzwist, sah sich vergebens nach Elsen um, die aus der Stube verschwunden war, und steuerte endlich auf den geistlichen Herrn zu, der jedoch von ihrem Vornehmen etwas merken mußte, da er plötzlich aufstand, und aus dem Gewirre und Gelärm der Bezechten, wie vor der Redseligkeit der alten Jungfrau froh, um an den verglimmenden Kohlen des Herdes die Wundarznei zu bereiten, und daneben seine Schlafstelle zu suchen. Die Glut knisterte schon unter dem Topfe, in welchem das Wasser gährte, vermischt mit dem nothwendigen Wein und Gewürz, und der lange braune Mann stand sinnend, mit übereinander geschlagenen Armen, über die Dämpfe des Topfes hinwegsehend in den finstern Schlot, bis ihn ein Geräusch aufzuschauen bewog. Frau Else stand neben ihm, ergriff seine Hand, und küßte seinen Ärmel. Da sich nun der Mönch darob verwundert anstellte, so redete Frau Else also, mit demüthigem Gesichte: »Liegen wir gleich jetzo im Baum hier zu Falkenstein, so sind wir doch getaufte Christen, und keine Heiden oder Juden, die es gerne sehen, wenn die Geweihten des Herrn in Trübsal schmachten und Noth. Hochwürdiger Herr; es hat mir oft das Herz geblutet, daß mein Alter Euch gefangen halten muß, seiner eignen Sicherheit wegen, und daß sich Euch[250] nicht besser bewirthen durfte, als bisher geschehen: ich bin aber die Frau, würdiger Herr, und der Mann führt den Befehl. Vergebt mir also.« – »Hab' ich Euch gezürnt, Frau?« fragte der Mönch dagegen: »Wollt mir gütigst hier eine Weile beistehen, so lange das Wasser kocht;« setzte er hinzu: »denn ich muß Euch bekennen, daß ich des Küchenhandwerks nicht allzu gewohnt bin.« – »Ich glaub' es wohl, hochwürdiger Vater;« erwiederte Frau Else: »das Geschäft schickt sich eher für weibliche Hand, und ich will gerne, so Ihr mir begreiflich macht, was dabei zu beobachten ist, es ganz an Eurer Statt zu Ende bringen, wenn Ihr geneigt wärt, einer armet mit sich selbst und ihrem Gott zerfallnen Frau einen Liebesdienst zu erweisen, wie ihn die Kirche und der Heiland fordern und eingesetzt haben.« – »Wie meint Ihr das, Frau, und ist von Euch die Rede?« fragte der Mönch ernsthaft. – »Nicht von mir gerade, liebster Herr;« sprach Frau Else heimlicher: »ich liege im Bann durch meines Mannes Schuld, und darf ja von der Kirche nichts begehren, bevor wir nicht losgesprochen. Aber da ist eine Frau im Schlosse, eine Verwandte von uns, müßt Ihr wissen; und diese Frau sehnt sich plötzlich nach dem Sakrament der Beichte und Buße, wie ein Sterbender nach dem Liebesmahl. Ich hab's nicht gern gethan, allein ich mußte ihrem Bitten nachgeben, da der Zufall gewollt hat, daß mein Herr Euch aus der engen Haft entlassen. Wollt also sagen: Ja, und die Schlüssel zur Kapelle empfangen, denn in das Gemach der Schwermüthigen darf ich Euch nicht[251] bringen, weil die Männer es merken könnten, und der Jähzorn meines Alten ist ohne Gränzen, weil er im Bann liegt, und er kann daher nicht leiden was geistlich, oder geistlicher Verrichtung ist. Ich sende Euch die Bußbedürftige, ... in einer halben Stunde ist alles abgethan, und Ihr nehmt einen Gotteslohn mit Euch.« –

Der Ordensmann war während dieser Erläuterung verlegen und unruhig geworden. Mit einer gewissen Heftigkeit weigerte er sich des Antrags, und schob der Weigerung, Schuld auf das Interdikt, das auf der Veste ruhe. Frau Else warf ihm dagegen ein, daß die Fremde nicht dem Banne unterliege, und es demnach nicht gegen das Gewissen des Paters laufen würde, wenn er das Verlangte thue. Durch die abschlägige Antwort noch obendrein ein wenig gereizt, setzte das männliche Weib mit unverholner Bestimmtheit hinzu: »Ihr Herren macht ja sonst keine Umstände, wenn es darauf ankömmt, einen Beichtheller zu gewinnen. Den heilige Vater mag Städte und Weichbilder in Bann thun, und alle andre Welt- und Ordenspriester mit Kreuz und Fahnen von dannen ziehen, Ihr bleibt zurück, und singt Eure Metten und Vesper, nach wie vor. Fügt Euch darum heute auch gutwillig, versteht Ihr mich? Eure Tafel soll Eure Willfährigkeit verspüren, hört Ihr? Hier ist der Schlüssel zum Kirchlein, setzte sie hinzu, indem sie den Mächtigen von dem breiten Schlüsselringe losmachte: hier steht eine Leuchte, mit der Ihr vorsichtig umgehen mögt, denn es liegt allerlei brennbares Zeug in der Kapelle, und sie ist etwas in Unordnung[252] gerathen, aber zum Beichtsitzen ist Platz genug vorhanden. Geht voraus; gleich sende ich Euch das Fräulein. Laßt es aber unterwegs, mit demselben vielleicht eine List anzuspinnen, um zu entkommen; unsre Augen, sind scharf; man hintergeht nicht mich, nicht meinen Alten.« – Somit drehte sie, ohne eine Antwort abzuwarten, dem Mönch den Rücken, und ging nach der Treppe, über welche das Gebrüll der Zecher, die ein Fechtlied angestimmt hatten, in die Halle schallte. »Wartet! wartet, ihr Trunkenbolde!« schalt die Hauskönigin, indem sie ihre Faust mit einem Besen bewaffnete: »Ich will Euch zur Ruhe bringen, daß der Lärm aufhöre bei nachtschlafender Zeit. Ihr müßt fromm seyn, wenn Ihr noch einen Tropfen Weius bekommen wollt!« – In der That verfügte sie sich auch vorerst in die Trinkstube, brachte durch ihre Vorwürfe und durchdringende Stimme die Lärmenden zu besserer Erkenntniß, und nachdem sie die Ruhe wieder in etwas hergestellt, begab sie sich in das höhere Stockwerk, das Frauengemach, wie ihre schweren Schritte auf der steinernen Stiege vernehmen ließen. Der Mönch zündete indessen die Leuchte an der Flamme des Herds an, schob sein Gebräude von der Glut, lächelte dann seltsamlich, und blickte nachdenkend gen Himmel. – »Sollte es denn wohl eine Sünde seyn,« fragte er vor sich hin, »wenn ich mich in diese Zumuthung füge? Nicht doch; setzte er nach kurzem Bedenken bei: dies Gewand schon erheischt es, und dann ist es ja eine Trostbedürftige in Räuberhänden, die nach der Theilnahme eines Menschen verlangt, in dessen[253] Worten sie den allmächtigen Gott zu finden hofft. – Vermuthlich, trotz der Verwandtschaft, von welcher Frau Else sprach, eine gleich mir Gefangene, .... vielleicht diejenige, um deren Willen man mich und den Unglücklichen, der mich fuhr, zurückhält, ob wir gleich in unsrer Abgeschiedenheit nicht einmal ihren Namen erfuhren? Werde ich sie aber trösten können, ich, der Trostsuchende und Trostlose? Vielleicht denn doch: auf die Lippen des Leidenden setzt sich wohl zuweilen ein Engel, welcher andern Geprüften das Heil einer gesegneten Zukunft verkündet. Laß sehen!«

Er faßte Leuchte und Schlüssel, und schlich über die Holztreppe in den engen Hof, in welchem er nach wenigen Schritten das Kirchlein erreichte, dessen niedrige Pforte mit einem großen Kreuze bezeichnet, und von einem halb verwitterten Fliederbaume dürftig beschattet war. Schon hatte die Spinne ihr Gewebe über die Öffnung des Schlosses gezogen, schon hatte der Rost sich in die Angeln gesetzt, daß sie knarrten wie Räder, als der Mönch die Pforte aufthat. – »Was macht Ihr da, frommer Herr?« fragte eine Stimme über die Brustwehr der Hofmauer aus dem Zwinger herüber, leise und mit Theilnahme. Ein Knecht guckte herüber, der gerade vier Stunden lang die Rundwache hatte, und auf dem Mauergänglein einherschlenderte. – »Ich gehe beten!« versetzte der Mönch ohne eine Betroffenheit zu verrathen, die ihm hätte Schaden bringen können. – »Ei Herr,« sprach wieder der Knecht, ein junges Blut mit treuen Augen: »darf man denn beten, wo der Bannfluch haust?« – »Warum nicht?« redete[254] der Mönch: »Gott ist überall, und seine Mondesscheibe sieht die Gebannten an, wie die Freien.« – »Ach, wie dank' ich Euch, würdiger Herr,« versetzte der Knecht: »ich habe mich gescheut, den englischen Gruß zu beten, seit ich auf der Veste bin, während ganzer drei Wochen, und war doch daheim gewohnt, nie ohne Gebet einzuschlummern.« – »Bete Du auch hier!« versicherte ihn der Mönch; »fromm seyn bringt Segen überall. Behüte Dich Gött!« – »Und Euch;« flüsterte dankbar der Knecht: »so Ihr etwas Geheimes da drinnen zu verrichten habt, habe ich Euch nicht gesehen. Ave Maria, Herr!« – Ohne weitere Störung trat der Mönch in die Kapelle, und es wurde ihm seltsam um's Herz, da er das kleine Gotteshaus in so ganz anderm Zustande antraf, als man es wohl an solchen Gebäuden gewohnt seyn durfte. In einem Winkel aufgethürmt lagen Betschemel, Bahre und Abendmahlbänke, umflort von Staub und Spinnenfäden. Die Hälfte des Kirchleins war angefüllt mit Laubhaufen und Strohbündeln, wie mit einem Heuvorrath, welchen zu ergänzen oder wegzunehmen die Burgknechte den bequemsten und kürzesten Weg gefunden hatten, nämlich durch das an die Zwingermauer stoßende Fenster der Kapelle, wo die Leiter lehnte, welche diese Geschäftsgänge zu erleichtern bestimmt war. Die hölzernen Stufen des Altars waren zertrümmert; der Altar selbst in dem traurigsten Zustande. Der Burgpfaffe hatte die Monstranz mit sich genommen, und das Tabernakel stand offen und verödet. Das Bild unsrer lieben Frau neigte sich dem Beschauer von der[255] Höhe entgegen, äber seines Schmucks entkleidet, und von dem Haupte des Bildes hingen noch wenige verwelkte und vertrocknete Blumen, die einst eine fromme Hand zu einem Kranze für dasselbe gewunden hatte. Der Priesterornat, wie die Gefäße des Altars lagen in dem Schrein, dessen Thüre weit offen stand, so wie der Zufall und neugierige Finger sie unter einander geworfen hatten. Die Fetzen eines alten Kirchenpaniers flatterten im Zugwinde traurig von der bestaubten Stange, und die Lampe, die ewige genannt, nunmehr aber auch erloschen, bewegte sich, von einer Kette losgerissen, blos noch von der andern emporgehalten, klirrend im Luftstrome hin und her. Der Besucher dieser Öde hatte nicht lange Muße, alle Gegenstände genau zu betrachten, die sich ihm in finstrer Unordnung in diesem engen Raume, aufdrängten. Bald vernahm er die Schritte eines näher kommenden Menschen, und er hatte kaum noch Zeit gefunden, sich in den Beichstuhl zu setzen, den man zur Herberge alter und verdorbener Satteldecken gemacht hatte, als die Pforte wieder leise aufging, und eben auf diese Weise zugemacht wurde. Wallrade trat ein, in dichte Gewänder und einen trüben. Schleier gewickelt, warf im Vorübergehen gegen den Altar einen Blick in den Stuhl der Reue, und nickte dem Darin sitzenden langsam zu. Alsdann warf sie sich vor den Stufen des Altars nieder, und Thränen, seltne, seit Langem ungewohnte Gäste, heute schon einmal erschienen, besuchten die Erschütterte zum Zweitenmale. Ihre Lippen beteten, wie ihre Augen weinten, heftig, stürmisch, und ihr Flehen stieg leise[256] aber dennoch stürmisch wie das vom Orkan gepeitschte Meer, wenn man es aus der Ferne sieht, zum Himmel empor. – »Herr der Erde und aller Welten!« stammelte ihre Empfindung in unhörbaren Worten: »Wie ist doch mein Herz heute erfaßt worden auf wunderbare Weise, und bist Du es, oder einer Deiner strafenden Ellgel, der also zu mir redete durch den Mund der aberwitzigen Alten? O gib mir doch einen Wink, daß Du es bist, oder verrathe mir, daß es der Geist der Ohnmacht allein gewesen, der über mich kam, und mich schwächer machte, denn ein unbeholfenes Kind! ... Ha, wie dieses Wort mich ergreift. Warum hasse ich den Namen des Kindes, warum verachte ich den der Mutter, und warum dennoch ergriff mich so allgewaltig das mährchenhafte Beispiel der Grausamkeit einer Mutter, des Leidens eines Sohns? Warum klang es wie mit metallnen Schlägen an mein Herz, daß auch ich .... o weh mir! Wer hilft aus diesem Wirrsal! Wer sagt mir, was ich thun soll, und ob ich recht thue, indem ich meinem entsetzten Gewissen folge, und zur Buße schreiten will, die mich vielleicht verwirft, die ich vielleicht verwerfen sollte, wenn meine Kraft noch die alte wäre? Heilloses Schwanken! traurige Furcht vor den Gespenstern meiner Einbildung! Ich habe ja nicht gemordet! was will ich denn eigentlich bekennen? Gott schütze mich und meine Vernunft!« –

Sie erhob sich entschlossen, näherte sich rasch dem Beichtstuhle, in welchem der Geistliche lehnte; zu dessen Füßen die hell aufflackernde Leuchte brannte. Und als sie den Schleier zurückwarf und auf die[257] Stelle des Reuigen treten, die Knie beugen wollte, tönte ein schmerzliches »Ach!« von den Lippen des Mönchs, und er schien in Bewußtlosigkeit zu vergehen. Wallrade, erschrocken, heftig wie sonst, reißt die Lampe auf, leuchtet in das Gesicht des Todtblassen, und entsetzt sich nicht minder. Denn nicht nur das Antlitz, das sich gewaltsam emporreißt aus den Banden des umklammernden Halbtodes, auch die Stimme ist's, die sie erkennt und fürchtet. Die Augen des Mönchs gehen auf wie drohende Mordbilder, seine Hand erfaßt mächtig die erkaltende Wallradens; mit der Linken entreißt er ihr die Leuchte, die sie so eben sinken lassen will, und seine Zunge stammelt ein schreckliches: »Jesus! Jesus! sehen wir hier uns wieder? – Kennst Du mich?« setzt er heftiger bei, und sie nickt stumm mit dem zitternden Haupte, und hält sich schwindelnd fest in den Armen dessen, den sie haßt, damit sie nicht niedergleite zum kalten Boden. Und der Mann, der Zürnende, hat Mitleid mit der Vernichteten, und ein freundlicherer Ton seines Mundes ruft sie wieder auf zum Leben, zum Schauen. – O daß in solchen Augenblicken der hereinbrechenden Wahrheit, Reue und Beschämung ein falsches Herz nicht bricht, um rein unter die Erde zu gehen! Daß mit der Besinnung und der wiederkehrenden Kraft auch die vorüberblitzende Schaam schwindet, und das Bedürfniß der Sühne! Daß auf der Schwelle zum Licht, der finstre Geist seine Verbündeten zurückzuhalten vermag! Daß jeder gute Vorsatz durch der Lüge gift'gen Athem in der Blüthe vergeht, wie das Wort der Vertheidigung auf den[258] Lippen des schüchternen Mägdleins! Von Wallraden wich der gute Engel trauernd, in einem Augenblicke der wichtigsten Warnung, und gerade dem gegenüber, dessen plötzliches Erscheinen das Siegel auf ihren Bund mit der Buße hätte drücken sollen.

Fußnoten

1 Schach- und Brettspiel, Würfel etc.


Quelle:
Carl Spindler: Der Jude. 3 Bände, Band 2, Stuttgart 1827, S. 259.
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