Fünfundfünfzigstes Kapitel.
[164] Excommunicatio.1

Ex auctoritate Dei Omnipotentis, Patris, et Filii, et[164] Spiritus Sancti, et sanctorum canonum, sanctaeque et intemeratae Virginis Dei genetricis Mariae –
[165]

Im Namen Gottes des Allmächtigen, des Vaters, des[164] Sohnes und des heiligen Geistes und der heiligen Schrift und der unbefleckten Jungfrau Maria, der Mutter und Schirmerin unseres Heilands –


– (Ich glaube, es wird nicht nöthig sein, sagte Dr. Slop, indem er das Blatt aufs Knie legte und sich zu meinem Vater wandte, daß ich laut lese, da Sie's ja eben erst gelesen haben; auch scheint mir Kapitän Shandy nicht begierig, es zu hören, und so könnt' ich's ebenso gut für mich lesen. – Das ist gegen die Abmachung, erwiederte mein Vater. Ueberdies kommt da gegen Ende etwas so Närrisches vor, daß ich das Vergnügen, es ein zweites Mal zu hören, durchaus nicht entbehren möchte. – Das schien Dr. Slop gar nicht recht zu sein; da indessen mein Onkel Toby in diesem Augenblicke die Absicht zeigte, sein Pfeifen einzustellen und selbst vorzulesen, so hielt Dr. Slop es doch für besser, dies zu verhüten und unter dem schützenden Pfeifen meines Onkels Toby im Vorlesen selbst fortzufahren; er las also wie folgt, während mein Onkel, nicht ganz so laut als vorher, den Lillebullero weiter pfiff:)


atque omnium coelestium virtutum, angelorum, archangelorum, thronorum, dominationum, potestatum, cherubin ac seraphin, et sanctorum patriarcharum, prophetarum, et omnium apostolorum et evangelistarum, et sanctorum innocentium, qui in conspectu Agni Sancti digni inventi sunt canticum cantare novum, et sanctorum martyrum et sanctorum confessorum, et sanctarum virginum, atque omnium simul sanctorum et electorum Dei, – Excommunicamus,[165] et anathematizamus hunc furem [vel hos fures], vel hunc malefactorem [vel hos malefactores], N.N. et a liminibus sanctae Dei ecclesiae sequestramus, et aeternis suppliciis excruciandus [vel excruciandi], mancipetur [mancipentur] cum Dathan et Abiram, et cum his qui dixerunt Domino Deo: Recede a nobis, scientiam viarum tuarum nolumus: et sicut aqua ignis extinguitur, sic extinguatur lucerna ejus [vel eorum] in secula seculorum, nisi respuerit [respuerint], et ad satisfactionem venerit [venerint]. Amen.

Maledicat illum [illos] Deus Pater qui hominem creavit. Maledicat illum [illos] Dei Filius qui pro homine passus est. Maledicat illum [illos] Spiritus Sanctus qui in baptismo effusus est. Maledicat illum [illos] sancta crux, quam Christus pro nostra salute hostem triumphans ascendit.

Maledicat illum [illos] sancta Dei genetrix et perpetua Virgo Maria.

Maledicat illum [illos] sanctus Michael, animarum susceptor sacrarum.

Maledicant illum [illos] angeli et archangeli, principatus et potestates, omnesque militiae coelestes.

Maledicat illum [illos] patriarcharum et prophetarum laudabilis numerus. Maledicant illum [illos] sanctus Johannes Praecursor et Baptista Christi et sanctus Petrus, et sanctus Paulus, atque sanctus Andreas, omnesque Christi apostoli, simul et caeteri discipuli, quatuor quoque evangelistae, qui sua praedicatione mundum universum converterunt. Maledicat illum [illos] cuneus martyrum et confessorum mirificus, qui Deo bonis operibus placitus inventus est.

Maledicant illum [illos] sacrarum virginum chori, quae mundi vana causa honoris Christi respuenda contempserunt.

Maledicant illum [illos] omnes sancti qui ab initio mundi usque in finem seculi Deo dilecti inveniuntur.

Maledicant illum [illos] coeli et terra et omnia sancta in eis manentia.

Maledictus sit [maledicti sint] ubicunque fuerit [fuerint] sive in domo, sive in agro, sive in via, sive in semita, sive in silva, sive in aqua, sive in ecclesia.

Maledictus sit [maledicti sint] vivendo, moriendo – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – manducando, bibendo, esuriendo, sitiendo, jejunando, dormitando, dormiendo, vigilando, ambulando, stando, sedendo, jacendo, operando, quiescendo, mingendo, cacando, flebotomando.

Maledictus sit [maledicti sint] in totis viribus corporis.

Maledictus sit [maledicti sint] intus et exterius.

Maledictus sit [maledicti sint] in capillis; maledictus sit [maledicti sint] in cerebro. Maledictus sit [maledicti sint] in vertice, in temporibus, in fronte, in auriculis, in superciliis, in oculis, in genis, in maxillis, in naribus, in dentibus mordacibus, in labris sive molibus, in labiis, in gutture, in humeris, in carpis, in brachiis, in manubus, in digitis, in pectore, in corde, et in omnibus interioribus stomacho tenus, in renibus, in inguine, in femore, in genitalibus, in coxis, in genubus, in cruribus, in pedibus, et in unguibus.

Maledictus sit [maledicti sint] in totis compagibus membrorum, a vertice capitis usque ad plantam pedis. Non sit in eo [eis] sanitas.

Maledicat illum [illos] Christus Filius Dei vivi toto suae majestatis imperio –
[168]

Im Namen Gottes des Allmächtigen, des Vaters, des Sohnes und des heiligen Geistes, und der unbefleckten Jungfrau, der Mutter und Schirmerin unseres Heilands, und aller himmlischen Mächte, Engel, Erzengel, Throne, Herrschaften, Gewalten, Cherubim und Seraphim und aller heiligen Patriarchen, Propheten und aller Apostel und Evangelisten und heiligen Gerechten, die im Anschauen des heiligen Lammes würdig befunden sind, zu singen das neueLied, und der heiligen Märtyrer und der heiligen Bekenner und der heiligen Jungfrauen und aller Heiligen und Auserwählten Gottes – sei er (Obadiah) verflucht (weil er diese Knoten machte). Wir exkommuniciren ihn und thun ihn in den Bann; wir stoßen ihn weg von der Schwelle der heiligen Kirche des Allmächtigen Gottes, daß er gepeinigt, gerichtet und überantwortet werde mit Dathan und Abiram und jenen, die da sprechen zu Gott ihrem Herrn: Weiche von uns, uns verlanget nicht nach Deinen Wegen. – Und wie Wasser das Feuer auslöschet, so möge sein Licht erlöschen auf immer, er (Obadiah) bereue denn (daß er die Knoten gemacht hat) und thue Buße (derohalben). Amen!

Möge der Vater, der den Menschen schuf, ihn verfluchen! Möge der Sohn, der für uns gelitten, ihn verfluchen! Möge der heilige Geist, der uns in der Taufe gegeben ward, ihn verfluchen! (den Obadiah.) Möge das heilige Kreuz, an welchem Christus, triumphirend über seine Feinde, uns zum Heile erhöht ward, ihn verfluchen!

Möge die heilige und ewige Jungfrau Maria, die Mutter Gottes, ihn verfluchen! Möge St. Michael, der Fürsprecher der heiligen Seelen, ihn verfluchen! Mögen alle Engel und Erzengel, Fürsten und Gewalten und alle himmlischen Heerschaaren ihn verfluchen! – (Unsere Armeen in Flandern fluchten auch schrecklich, rief mein Onkel Toby aus, aber dagegen war es doch nichts. Ich hätte nicht das Herz, meinem Hunde so zu fluchen.) –

Möge die preiswürdige Gemeinde der Patriarchen und Propheten ihn verfluchen! Mögen St. Johannes, der Vorläufer und Täufer Christi, und St. Petrus und St. Paulus und St. Andreas und alle Apostel Christi miteinander ihn verfluchen! Und mögen die übrigen Seiner Schüler und die vier Evangelisten, die durch ihre Predigt die Welt bekehrten, und möge die heilige und wunderbare Streitschaar der Märtyrer und Bekenner, welche durch ihre heiligen Werke angenehm erfunden worden vor Gott, ihn verfluchen! (den Obadiah.)

Möge der Chor der heiligen Jungfrauen, die zur Ehre Christi die Dinge der Welt verachtet haben, ihn verdammen![167]

Mögen alle Heiligen, welche von Anbeginn der Welt bis in alle Ewigkeit das Wohlgefallen Gottes ernten, ihn verdammen!

Mögen Himmel und Erde und was darin heilig ist, ihn verdammen (den Obadiah) oder sie! (oder wer sonst bei den Knoten mitgeholfen hat).

Möge er (Obadiah) verdammt sein, wo immer er sei: ob im Hause oder im Stalle, im Garten oder Felde, auf der Landstraße oder dem Feldwege, oder im Walde, oder im Wasser, oder in der Kirche! Möge er verflucht sein im Leben und im Sterben! – (Hier machte sich mein Onkel Toby eine halbe Taktnote im zweiten Takte der Melodie zu Nutze und hielt sie bis aus Ende des Satzes aus, so daß Dr. Slop mit seinen Flüchen wie ein basso continuo darunter fortlief.) – Möge er verflucht sein beim Essen und Trinken, bei Hunger und Durst und Fasten, im Schlaf, im Schlummern, im Wachen, im Gehen und Stehen, im Sitzen und Liegen, bei Arbeit und Ruhe, beim P....n und Sch....n und beim Aderlassen!

Möge er (Obadiah) verflucht sein an allen Kräften seines Leibes!

Möge er verflucht sein inwendig und auswendig!

Möge verflucht sein das Haar auf seinem Haupte! Möge er verflucht sein im Gehirn und auf dem Scheitel, – (das ist ein böser Fluch, sagte mein Vater) – an den Schläfen, an der Stirn, an seinen Ohren, an seinen Augenbrauen, auf seinen Wangen, in seinen Kinnbacken, in seinen Nasenlöchern, an seinen Vorder- und an seinen Backzähnen, auf seinen Lippen, in seiner Gurgel, in seinen Schultern, in seinen Handgelenken, an seinen Armen, in seinen Händen, an seinen Fingern! Möge er verdammt sein in seinem Munde, in seiner Brust, in seinem Herzen und allem, was sich dort befindet, bis hinab zum Magen!

Möge er verflucht sein in seinen Adern und an seinem Schambein, – (Gott behüte! sagte mein Onkel Toby) – an seinen Schenkeln, an seinen Geschlechtstheilen – (hier schüttelte mein Vater mit dem Kopfe) – und an seinen Hüften und an seinen Knieen und seinen Beinen, und seinen Füßen und Fußnägeln![169]

Möge er verflucht sein an allen Gelenken und in allen Gelenkhöhlen seiner Gliedmaßen vom Kopfe bis zur Sohle! Möge nichts an ihm gesund sein!

Möge der Sohn des lebendigen Gottes in aller Herrlichkeit seiner Majestät –


(Hier warf mein Onkel Toby den Kopf zurück und gab einen höchst eigenthümlichen langen, lauten Pfiff von sich – der etwa zwischen dem interjektionalen Pfiff für Juchhei! und der Interjektion selbst mitteninne lag. –

Beim goldnen Barte Jupiters – und Juno's (vorausgesetzt, daß Ihre Majestät einen trug) und bei den Bärten der ganzen heidnischen Götterschaft, deren in der That nicht wenige gewesen sein müssen, wenn man die Bärte aller Himmels-, Luft- und Wassergötter zusammenrechnet, gar nicht zu reden von denen der Stadt- und Landgötter oder der himmlischen Frau Göttinnen oder infernalischen Frau Maitressen und Konkubinen (ebenfalls vorausgesetzt, daß sie welche trugen) – bei alle diesen Bärten, die, wie Varro auf Treu und Glauben versichert, zusammen nicht weniger als 30000 für das ganze Heidenthum ausmachten und die doch gewiß alle das Recht in Anspruch genommen haben, gestrählt und beschworen zu werden – schwöre und betheure ich, daß ich von den zwei fadenscheinigen Ueberröcken, die ich auf dieser Welt mein nennen darf, den besten dahingäbe, ebenso freudig wie Cid Hamed den seinigen hingab, hätte ich dabei stehen und meines Onkels Accompagnement mit anhören können.)


et insurgat adversus illum coelum cum omnibus virtutibus quae in eo moventur ad damnandum eum, nisi poenituerit et ad satisfactionem venerit. Amen! Fiat, fiat, Amen!


ihn verfluchen! fuhr Dr. Slop fort, und möge der Himmel selbst, mit allen Mächten, die in ihm Gewalt haben, sich wider ihn erheben, ihn verfluchen und ihn verdammen! (den Obadiah) er bereue denn und thue Buße. Amen! So sei es, so sei es, Amen!
[170]

Ich muß gestehen, sagte mein Onkel Toby, daß ich selbst den Teufel nicht so verfluchen könnte.

Er ist der Vater der Flüche, sagte Dr. Slop. – Ich aber nicht, sagte mein Onkel Toby. – Aber er ist schon in alle Ewigkeit verdammt und verflucht, erwiederte Dr. Slop.

Das thut mir herzlich leid, sagte mein Onkel Toby.

Dr. Slop spitzte das Maul und wollte meinem Onkel das Kompliment mit dem interjektionalen Pfiff eben zurückgeben, als das heftige Aufreißen der Thür, welches im nächstfolgenden Kapitel vor sich gehen wird, dem Dinge ein Ende machte.

Fußnoten

1 Da die Authenticität der Verathung der Sorbonne über die Frage wegen der Taufe von Einigen angezweifelt, von Andern geradezu geleugnet worden ist, so schien es zweckmäßig, das Original dieser Exkommunikation abzudrucken, für deren Mittheilung Mr. Shandy dem Bibliothekar der Dechanei und des Kapitels von Rochester hiemit seinen ergebensten Dank abstattet.


Quelle:
Sterne [, Lawrence]: Tristram Shandy. Band 1, Leipzig, Wien [o. J.], S. 164-171.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Tristram Shandy
Leben und Meinungen von Tristram Shandy, Gentleman
Leben und Meinungen von Tristram Shandy, Gentleman: (Reihe Reclam)
Tristram Shandy
Leben und Meinungen von Tristram Shandy Gentleman (insel taschenbuch)
Leben und Meinungen von Tristram Shandy Gentleman (insel taschenbuch)

Buchempfehlung

Kleist, Heinrich von

Die Hermannsschlacht. Ein Drama

Die Hermannsschlacht. Ein Drama

Nach der Niederlage gegen Frankreich rückt Kleist seine 1808 entstandene Bearbeitung des Hermann-Mythos in den Zusammenhang der damals aktuellen politischen Lage. Seine Version der Varusschlacht, die durchaus als Aufforderung zum Widerstand gegen Frankreich verstanden werden konnte, erschien erst 1821, 10 Jahre nach Kleists Tod.

112 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Spätromantik

Große Erzählungen der Spätromantik

Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.

430 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon