Einhundertundachtundvierzigstes Kapitel.

[217] – Ich war, fuhr der Korporal fort, die ganze Zeit glücklich durchgekommen und hätte mich auch bis zuletzt nicht verliebt, wenn es nicht anders bestimmt gewesen wäre. Seinem Schicksale entgeht Keiner. Es war an einem Sonntag Nachmittag, wie ich Ew. Gnaden bereits gesagt habe.

Der alte Bauer und seine Frau waren ausgegangen.

Auch auf dem Hofe ließ sich kein Huhn, keine Ente hören.[217]

Da kam die schöne Beguine herein, um zu sehen, was ich machte.

Meine Wunde fing schon an zu heilen, die Entzündung hatte seit einiger Zeit aufgehört, aber jetzt war ein so unleidliches Jucken über und unter dem Knie eingetreten, daß ich die ganze Nacht kein Auge hatte zumachen können.

– Laßt einmal sehen, sagte sie, und kniete auf dem Boden nieder, während sie die Stelle unter dem Knie mit der Hand befühlte. Man muß ein wenig reiben, sagte sie; damit legte sie das Bettlaken wieder auf und fing an, die Stelle unter dem Knie mit dem Zeigefinger der rechten Hand zu reiben, indem sie ihn bis zum Rande der Flanellbinde, die den Verband hielt, hin-und herbewegte.

Nach fünf bis sechs Minuten fühlte ich auch die Spitze des zweiten Fingers; derselbe legte sich flach neben den andern und so rieb sie eine gute Zeit lang weiter. Da fiel mir ein, daß ich mich wohl verlieben könnte; – das Blut stieg mir ins Gesicht, als ich ihre weiße Hand ansah. – Ich werde in meinem Leben keine so weiße Hand wieder sehen, Ew. Gnaden. –

Nicht an der Stelle, sagte mein Onkel Toby.

Wie feierlich der Korporal auch gestimmt war, so konnte er doch ein Lächeln nicht unterdrücken.

– Da die junge Beguine sah, wie gut es mir that, fuhr der Korporal fort, so rieb sie bald mit drei Fingern, nach und nach auch mit dem vierten und zuletzt mit der ganzen Hand. – Ich will schon kein Wort mehr von Händen sagen, Ew. Gnaden, aber ihre war weicher als Sammet.

– Ich bitte Dich, Trim, sagte mein Onkel Toby, lobe sie nur, so viel Du willst. Ich höre Deine Geschichte nur um so lieber. – Der Korporal dankte seinem Herrn aus aufrichtigem Herzen, da er aber über die Hand der Beguine doch nichts weiter als dasselbe noch einmal zu sagen wußte, so fuhr er lieber fort, die wohlthätige Wirkung derselben zu beschreiben.

– Die schöne Beguine hörte nicht auf, sagte er, mir die Stelle unter dem Knie zu reiben, bis ich fürchtete, sie möchte müde sein. – Um Christi willen thäte ich's noch tausendmal[218] länger, sagte sie. Damit führte sie die Hand über den Flanell weg nach der oberen Stelle, über die ich auch geklagt hatte, und rieb diese.

Jetzt merkte ich, daß ich anfing verliebt zu werden.

Wie sie so rieb und rieb und rieb, fühlte ich es, Ew. Gnaden, ordentlich in allen Gliedern.

Je länger es dauerte und je mehr sie strich, desto heißer kochte mir's in den Adern, bis endlich, bei zwei oder drei Strichen, die ein bischen höher hinauf gingen, meine Gluth den höchsten Grad erreichte. – Ich ergriff ihre Hand –

Und drücktest sie an Deine Lippen, sagte mein Onkel Toby, und sprachst Dich aus.

Ob sich nun des Korporals Liebesabenteuer gerade so geendet hatte, wie mein Onkel Toby meinte, thut nichts zur Sache; genug, daß es sich um dieselbe Angel drehte, wie alle Liebesromane, die, so lange die Welt steht, geschrieben worden sind.

Quelle:
Sterne [, Lawrence]: Tristram Shandy. Band 2, Leipzig, Wien [o. J.], S. 217-219.
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