Einhundertunddreiundsiebenzigstes Kapitel.

[254] In gewöhnlichen Fällen also, das heißt, wenn ich stumpf bin, wenn die Gedanken schwer kommen, nicht aus der Feder wollen –

Oder, – wenn ich, Gott weiß wie, in ein frostiges, prosaisches, nichtsnutziges Schreiben hineingerathen bin, aus dem ich mich um nichts in der Welt wieder herausarbeiten kann, das ich wie ein holländischer Kommentator bis ans Ende des Kapitels fortsetzen müßte, wenn nicht irgend etwas geschähe –

In solchen Fällen halte ich mich nicht einen Augenblick damit auf, mit Feder und Dinte zu unterhandeln, sondern wenn eine Prise Tabak oder ein paar Gänge durchs Zimmer es nicht thun wollen, so nehme ich mein Rasirmesser und nachdem ich vorher die Schneide auf der Hand geprüft habe, seife ich mir den Bart ein und rasire mich ohne weiteres, wobei ich nur darauf achte, daß, wenn ja ein Haar stehen bleibt, es kein graues ist; hierauf wechsle ich das Hemd, ziehe einen bessern Rock an, lasse mir meine neufrisirte Perücke bringen, stecke meinen Topasring auf den Finger und ziehe mich, mit Einem Worte, vom Kopf bis zu den Füßen so fein an, als ich nur kann.

Nun müßte es mit dem Teufel zugehen, wenn das nicht helfen sollte; denn sagen Sie, Sir, da doch Jeder in Person dabei zu sein pflegt, wenn er barbirt wird (keine Regel indessen ohne Ausnahme), und Jeder, der es selbst thut, sich während der ganzen Zeit gegenübersitzen muß, so hat diese Stellung, wie jede andere, ihre eigenen Gedanken, die sie einem in den Kopf bringt.[254]

Ich behaupte, eine einzige derartige Operation macht die Einfälle eines Mannes, der einen rauhen Bart hat, um sieben Jahre glatter und jugendlicher, und wenn er nicht Gefahr liefe, sie ganz wegzurasiren, so könnte er sie durch fortwährendes Rasiren zu dem höchsten Grade der Feinheit und Vollendung bringen. Wie Homer mit einem so langen Barte schreiben konnte, begreife ich nicht, und da der Fall gegen meine Behauptung spricht, so bekümmere ich mich auch nicht weiter darum; – kehren wir also zu unserer Toilette zurück.

Ludovicus Sorbonnensis macht dieselbe ganz zu einer Angelegenheit des Leibes (ἐξωτερικη πράξις), wie er's nennt, aber er irrt darin: Seele und Leib sind bei Allem, was sie beginnen, gleichmäßig betheiligt; ein Mensch kann sich nicht anziehen, ohne daß seine Ideen zu gleicher Zeit mit angezogen werden, und wenn er sich wie ein feiner Herr anzieht, so tritt jede derselben in einem nicht minder feinen Kleide vor seinen Geist, so daß er weiter nichts nöthig hat, als nur die Feder zu nehmen und so zu schreiben, wie er ist.

Wollen deshalb Ew. Wohlgeboren und Hochehrwürden sich überzeugen, ob ich nichts Unsauberes schreibe, so daß man mich nicht lesen kann, so können Sie das ebenso gut nach der Rechnung meiner Wäscherin, als nach meinen Büchern beurtheilen; ich könnte den Beweis liefern, daß ich namentlich in dem einen Monate, um ja alle Unsauberkeiten im Schreiben zu vermeiden, 31 Hemden schmutzig geschrieben habe, und doch bin ich für das, was ich in diesem Monate schrieb, mehr verläumdet, geschmäht, bekrittelt und verdammt worden, mehr Köpfe sind geheimnißvoll über mich geschüttelt worden, als in allen andern Monaten jenes Jahres zusammen.

Aber die Herrschaften hatten meine Wäscherechnung nicht gesehen!

Quelle:
Sterne [, Lawrence]: Tristram Shandy. Band 2, Leipzig, Wien [o. J.], S. 254-255.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Tristram Shandy
Leben und Meinungen von Tristram Shandy, Gentleman
Leben und Meinungen von Tristram Shandy, Gentleman: (Reihe Reclam)
Tristram Shandy
Leben und Meinungen von Tristram Shandy Gentleman (insel taschenbuch)
Leben und Meinungen von Tristram Shandy Gentleman (insel taschenbuch)