[26] 1.
Als ich auf meiner Liebsten Mund
(ach sanfte Ruhstat!) brünstig lage
und meiner Schmerzen herbe Plage
ihr täht' auß ganzem Herzen kund/
wie ich so oft um ihrentwegen
Ruh- trost- und Sinnen-ohn gelegen.
2.
Mein (sprach sie) Herzgen/ sage doch:
zu welcher Zeit du bist entbronnen/
und wodurch du mich lieb gewonnen:
Wo ich mich recht entsinne noch/
hastu/ auch gar für wenig Wochen/
kalt-sinnig dich mit mir besprochen:
3.
Da ich doch/ als zum ersten mahl
ich dich nur obenhin erblikket/
durch deine Freyheit blieb bestrikket.
diß war nur meine gröste Qvaal/
die auch die Götter kan betrüben/
dich sonder Gegen-Liebe lieben.
4.
Gott weiß/ wie mir zu muhte war
auf die so unverhoffte Frage/
vermischt von Zorn/ Verweiß und Klage[26]
die meinen Undank machten klar!
Die Schaam/ so ich daher empfunde/
nahm Red' und Antwort meinem Munde.
5.
Ich ward verstarret/ kalt/ erblaßt/
wie/ dem die Seele kaum sich reget:
biß/ auß Erbarmnüß sie beweget
mich in die schlanken Arme fasst'/
Ach! da ward mir gemach das Leben/
Kraft/ Geist und Wärme wieder geben.
6.
Im küssen fing sie an noch mehr
mich bey der Fakkel zubeschweeren
die unser' Herzen kan versehren:
Sag an (bistu mir gut) wann ehr
du angefangen mich zu lieben/
und waß darzu dich erst getrieben.
7.
Ach! frage nicht nach meiner Gluht/
(sprach ich/ was frischer) Eyß und Winde
sind meiner Flammen Angezünde.
Du weist es wie auf jener Fluht/
von kalter Norden-luft gestanden/
ich lag in deiner Arme Banden.
8.
Wie ich dich von dem Wagen nahm
und küßte die gefrorne Wangen:
Bald hat mein Herze Gluht gefangen.
Das Feuer/ so auß Kälte kahm
straalt sint der Zeit mit tausent Flammen
ob meines Lebens Rest zusammen.
[27]
9.
Nun (sagt sie) hat ein kalter Kuß
dich bracht in Feuer/ Hizz' und Leiden;
weiß ich/ daß Kühlung/ Lust und Freuden
ein Warmer dir erwekken muß.
Der hat sie mir so viel erteilet/
so/ daß ich ziemlich bin geheilet.
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