7. Seht was die Einbildung nicht tuht

[53] 1.

Es sagte mir die Flatter-schöne/

die eingebildte Pusserene:

du hast mich lange Zeit geliebt/

dich lang' um meine Gunst beworben/

darumb hastu dich so betrübt/

daß du auch neulich bald gestorben.


2.

Wie kommt es denn/ wenn ich dich frage/

und dir von Nehmen etwas sage/

daß du so sonder Antwort bist?

das Wort verstarrt dir in dem Munde/

du must ia nur auß Hinterlist

erdenken eine falsche Wunde.


3.

Wie offt hastu nicht nachgelassen/

ich möchte dich denn einst umbfassen

wie prachertstu um einen Kuß/

das andre wil ich gern verschweigen/

daß ich zwar stets gedenken muß/

darff aber keinem an- es -zeigen.
[53]

4.

Mein/ (sprach ich) laß mich doch zufrieden/

die Ursach wird nicht einem ieden

so auff die Nase hingehenkt/

so dürff ichs auch nicht frey bekennen:

wer alles sagt und wenig denkt/

der kan sich deinen Freund nicht nennen.


5.

Doch/ soll ichs/ Zeit-lieb/ dir entdekken/

und nichts nicht untern Stuel verstekken

so gieb mir Feder und Papier.

Ich weiß es was ich mündlich sage

urteilestu wie ungebühr/

als Unrecht Falsch und Lügen-klage.


6.

Drauff hab' ich ihr diß zugeschrieben:

Ich kan dich/ Larve/ treu nicht lieben/

ich bin nicht so/ wie du/ gesinnt.

Ich liebe Tugend/ Zucht und Treue/

war' ich wie du ein falsches Kind/

hätt' ich vor deinem Strikk nicht Scheue.


7.

Der Meineyd ist dir angebohren

die Schaam und Zucht hastu verschworen

nur Schminke schönet dein Gesicht.

Die Runzeln köntstu nicht bedekken/

hattstu die falsche Kreyde nicht

den Dekkel deiner schwarzen Flekken.


8.

Doch wil ich noch was dein verbleiben/

biß mein Verhängnüs mich wird treiben[54]

auff ein bequeemers Zielmaaß hin.

O/ wie verdroß es Pusserenen!

Ey/ daß ich auch zu kühne bin

doch ach/ wer achtt der Flatter-schönen.


Quelle:
Kaspar Stieler: Die geharnschte Venus, Stuttgart 1970, S. 53-55.
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