18. Gundelrebe

[164] Wien, 18. September 1834


Ich muß Dir noch dies Blättchen senden, ehe ich Dich an meinem Herzen habe. Es freut mich etwas gar zu sehr. Aston hat es zwar allein geordnet, der Plan aber ging von allen aus. Mein Paphos, mein Eldorado, meine zwei Zimmer, wie ich sie einst dichtete, sind leibhaftig und in Wahrheit da. Aston, der vor Freude um volle dreißig Jahre jünger ist, und Emil holten mich heute in meiner Stube ab, und führten mich hin. Diese Zeilen schreibe ich schon da. Die Staffelei, die Tropenpflanzen, die Bilder, die Statuen, die grauen Vorhänge, die Geräte, das Fernrohr (aber es ist ein Plößl), alles, alles ist da, und wie ich so recht freudig war, wie ein Kind, und dem guten, freudigen Aston die Hände drückte, machte er sich los, riß eine unbemerkte Tapetentür auf, und dahinter stand lächelnd Angela und Lucie, und Natalie und Emma, und hinter ihnen die drei Zimmer, wie sie gewünscht wurden, mit dem Piano, und der Glastür und dem Balkone und dem Garten. Alle Mädchen lachten und freuten sich, und alle mußten den alten Aston küssen; denn er allein hat alles gemacht und ordnen lassen, und kein Auge durfte es früher sehen, als heute. Eine Tafel stand in einem der Zimmer gedeckt und bereitet, das Mahl zu empfangen, das heute hier in meiner Wohnung eingenommen werden[164] soll, – und Angela hat das ganze Mahl gerüstet.- Sie kann also doch auch kochen – o Titus! wie schön, wie unsäglich reizend läßt der hochgeistigen Gestalt die liebe Wirtlichkeit, die Schürze, die Schlüssel, das hausmütterliche Auge, und die höhere Wangenröte von der Bewegung und Arbeit! – Sie war selbst so sehr freudig und neckisch, daß sie ordentlich irdischer wurde und ich den Mut bekam, bei einer gelegenen Sekunde ihre Wange zu küssen, was ich nie gewagt hatte; sie litt es ohne Ziererei, sah mich an, und enteilte. Lothar und Natalie sind auch ein Paar. – O komme nur, komme, daß ich Dich nur einmal fassen kann, und fast an mir zerdrücken; sonst werde ich noch vor Freude närrisch.

Quelle:
Adelbert Stifter: Gesammelte Werke in sechs Bänden, Band 1, Wiesbaden 1959, S. 164-165.
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