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[259] Zu Wildeshausen in dem Hause, das später dem Kaufmann H. Nolte gehörte, wohnte vor langen Jahren ein Beamter namens Schnobel. Er war ein ganz gottloser Mensch, welcher viele Mädchen verführt und viele Leute um Geld und Gut betrogen hat. Darum mußte er nach seinem Tode wiederkommen, machte nachts im Hause viel Lärm und Gepolter und zeigte sich auch draußen oft als großer schwarzer Hund. Bei Tage lag er als schwarzer Hund unter dem Tische, ganz still und unbeweglich; aber sobald die Sonne untergegangen, sprang er auf und durchlief unter Lärm und Gepolter das ganze Haus, sodaß die Bewohner das Haus verlassen mußten. Endlich ließen die Leute einen Pater kommen, der ihn bannen sollte. Der Pater bestellte einen Wagen, setzte sich hinauf und befahl dem Geiste, sich hinten auf zu setzen. Lange weigerte sich dieser. Erst hielt er dem Pater alle seine Schlechtigkeiten vor, aber der Pater erwiederte, dafür habe er siebenfache Buße getan. Zuletzt sagte er noch, der Pater habe seinem Vater vier Grote weggenommen, und diese habe er nicht wiedererstattet. Da sagte der Pater: »Diese vier Grote habe ich genommen, um so viel zu lernen, daß ich dich vertreiben kann.« Nun konnte der Geist keine Einrede mehr machen und sprang hinten auf den Wagen, aber der Wagen wurde nun so schwer, daß zwei Pferde ihn nicht ziehen konnten, sondern vier vorgespannt werden mußten, und diese hatten noch genug zu tun, daß sie ihn aus der Stadt brachten. Sie fuhren nach dem Spaaschen Sande. Der Geist frug, was er hier tun solle. Der Pater antwortete, er solle sämtliche Rüschen (Binsen) spleißen. Da frug der Geist, wenn er damit fertig sei, ob er dann wiederkommen dürfe? Der Pater sagte: nein, dann müsse er alle Sandkörner zählen, und wenn er damit fertig sei, immer wieder von vorn anfangen. Da bat der Geist nochmals, jedesmal wenn er mit dem Zählen fertig sei, einen Hahnenschritt näher kommen zu dürfen, aber auch dies wurde ihm abgeschlagen. Als der Pater wieder abfuhr, griff der Geist in die Speichen, sodaß der Wagen nicht aus der Stelle konnte, und der Pater hatte viele Mühe, daß er ihn wieder losbrachte. Nun muß der Geist bis in Ewigkeit den Sand zählen, und daher soll es auch kommen, daß der Sand in dieser Gegend so locker ist, weil jener immer noch darin herumwühlt. Oftmals hört man den Geist zwischen den Fuhren, und wenn man fragt: »Wer ist da?« so lautet die Antwort: »Schnobel!« Auch in den[260] Fettemarscher Fuhren, eine halbe Stunde vor Wildeshausen, ist Schnobel gesehen; er muß da die Fuhrennadeln zählen. – Vier Arbeiter waren mit einem Einspänner in diese Fuhren geschickt, um Holz zu holen. Als sie das Holz aufgeladen hatten, war es schon dunkel, der Weg sehr schlecht und tief, und nachdem sie eine Strecke mühsam fortgekommen, blieb der Wagen stecken, und sie bemerkten, daß sie in einen Graben geraten waren. Inzwischen war es stockfinster geworden, und die vier waren in großer Verlegenheit, denn ihre Kräfte reichten nicht aus, den Wagen aus dem Graben auf den Weg zu bringen. Während sie ratlos so dastanden, drehte der eine sich nach den Fuhren um und rief, so laut er konnte: »Schnobel kumm här un lücht us!« Sofort bemerkten sie ein Licht in den Fuhren, welches sich fortbewegte, über Gräben und Hecken setzte und grade auf sie zueilte. Von plötzlichem Schrecken ergriffen suchten die Arbeiter ihr Heil in der Flucht und getrauten sich den Abend auch nicht wieder umzukehren. Als sie am andern Morgen wieder hingingen, stand der Wagen noch so, wie sie ihn verlassen hatten, das Pferd aber lag vor dem Wagen und war tot.

Quelle:
Ludwig Strackerjan: Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg 1–2, Band 1, Oldenburg 21909, S. CCLIX259-CCLXI261.
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