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[411] Graf Gerhard auf der Friedeburg. Als Sirk von Repsholt mit Willen der ostfriesischen Lande die Friedeburg unter sich hatte, ließ er sie wohl befestigen zum Verdrusse der Nachbarlande und besonders der Grafen von Oldenburg. Nun geschah es oftmals, daß Sirk wegen der Friesischen Wede oder um anderer Händel willen mit dem Grafen Gerhard von Oldenburg auf der Landesgrenze zusammenkam, und jedesmal ließ der Graf sich vernehmen, daß er gern einmal sehen möchte, wie Sirk sein Haus gebaut und befestigt habe, sodaß Sirk zuletzt Ehren halber nicht anders konnte und Seine Gnaden einlud, einmal nach der Friedeburg zu kommen, was der Graf gar willig annahm, in der Hoffnung, also das Haus mit List zu erlangen. Ein Tag wurde bestimmt, und als dieser herankam, ließ Sirk vor Tage siebenzig wehrhafte Männer, auf die er sich verlassen konnte, mit ihren Harnischen und kurzem Gewehr heimlich zu sich auf das Schloß kommen und versteckte sie, mit aller Notdurft wohl versorget, in dem Steinhause und befahl[411] ihnen, sich still zu verhalten, aber wohl acht zu geben; wenn er an die Tür klopfe und sie seine Stimme hörten, sollten sie eiligst herbeikommen. An der Pforte aber und in der Veste ließ Sirk nicht mehr Leute sehen, als er gewöhnlich dort hatte. Der Graf von Oldenburg kam mit seinem Hofgesinde, etwa vierzig Mann stark. Er hatte etlichen seiner Diener anbefohlen, sich auf der Veste umzusehen und auszukundschaften, wieviel Leute da seien, und da er nun vernahm, daß nicht mehr Leute auf der Veste seien, war der Graf sehr froh und guter Dinge mit Sirk. Als es nun dem Grafen däuchte, Zeit zu sein, und er seinem Wirte einen guten Trunk beigebracht hatte, wollte Seine Gnaden Sirk noch erst vor seinem Schaden warnen, hob an und sagte so ganz allgemein:
Ruse muse
Een jeder sehe to sinen Huse.
Sirk hatte der Worte acht, doch ließ er es sich nicht merken und sprach die Herren an, sie möchten sich fröhlich machen und fürlieb nehmen mit dem, was sie da fänden. Als eine kleine Weile verlaufen, hob der Graf zum zweiten Male an und sagte:
Ruse muse
Een jeder Mann sehe to sinen Huse.
Sirk wollte noch nicht darauf eingehen und bat abermals Seine Gnaden, sich mit den Seinen fröhlich zu machen, wie er täte. Dieweil nun dem Grafen durch seine Diener angesagt wurde, daß das Haus nicht stärker von Leuten besetzt sei, und die Zeit herankam, daß er seinem Wirt für die Wohltat, die er ihm und den Seinen bewiesen, danken wollte, trank er Sirk einen Trunk zu und hob zum dritten Male an:
Ruse muse
Malk sehe to sinen Huse.
Als nun Sirk solches zum dritten Male gehört und vernommen, daß es nicht anders sein wollte, antwortete er, aber in seiner friesischen Sprache: »Gnädiger Herr von Oldenburg, seid zufrieden und sehet nach euren eigenen Häusern, das meinige ist schon gut verwahrt.« Damit klopfte er an die Tür, über welcher seine Knechte waren, und rief, sie möchten herabkommen. Als nun die Knechte das Klopfen und ihres Herrn Rufen hörten, rauschten sie eilig in ihren Harnischen die Treppen herab in das Gemach, wo der Graf von Oldenburg saß. Der Graf Gerhard, als er die Vorsichtigkeit Sirks sah, war nicht wenig erschrocken mit den Seinen und drehte es so gut er[412] konnte, daß er die Warnung zu Sirks und aller Friesen Besten getan, damit er das Haus wohl bewahre. Sie machten sich noch eine kleine Weile fröhlich, alsdann dankte der Graf Sirk, daß er ihn so gut bewirtet habe, und zog wieder nach der Neuenburg, und sein Anschlag wollte dem Grafen diesmal nicht geraten. Dies ist geschehen im Jahre Christi 1463. (Beninga, Chronyk van Oostfriesland, zum Jahre 1463.)
Graf Gerhard gründet Neuenburg; sein Fluch »daß dich der Bammel schlag!«: 513d. Graf Gerhard bei der Bremer Döpe: 562b. Er bedrückt die Bauern: 517e.
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Aberglaube und Sagen aus dem Herzogtum Oldenburg
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