[20] Die Vorigen. Schwartze. Dann Frau Schwartze.
SCHWARTZE Keller die Hand schüttelnd. Herzlich willkommen in meinem Hause, Herr von Keller. Seine eintretende Frau vorstellend. Herr Regierungsrat von Keller – meine Frau.
FRAU SCHWARTZE. Bitte doch Platz zu nehmen.
KELLER. Ich würde es nicht gewagt haben, gnädige Frau, um die Ehre der Einführung zu bitten, wenn nicht gleichzeitig der glühende Wunsch in mir rege gewesen wäre, mich an dem christlichen und gemeinnützigen Werke zu beteiligen, dessen Zentrum und Seele, wie die ganze Stadt weiß, dieses Haus bildet. – Der gute Zweck mag meine Kühnheit entschuldigen.[20]
SCHWARTZE. Gott, ich bitte Sie – Sie thun uns ja viel zuviel Ehre an. Wenn von einem Zentrum des Ganzen überhaupt die Rede ist, so kann das niemand sein als eben der Pfarrer Heffterdingk. Er bewegt alles, er regiert alles – er –
FRAU SCHWARTZE. Sie kennen doch unsren Pfarrer, Herr von Keller?
KELLER. Ich habe ihn mehrfach reden gehört, gnädige Frau, und bewundre sowohl die Innigkeit seiner Überzeugungen wie sein naives Menschenvertrauen. Aber den Einfluß, den er ausübt, kann ich mir nicht erklären.
FRAU SCHWARTZE. Ach, Sie werden es lernen. Sein Wesen ist ja so einfach und schlicht. Man sieht es ihm wirklich nicht an. – Aber das ist ein Mann. Der bekehrt alle.
KELLER höflich. Nun bin ich es schon beinahe, gnädige Frau.
SCHWARTZE. Und was uns hier betrifft, lieber Gott! so geh ich eben diese schwachen und nutzlosen Arme dazu her, die groben Arbeiten zu verrichten. Das ist alles. Schließlich liegt es ja auch nah, daß ein alter Soldat das bißchen Mark, das ihm der Thron übriggelassen hat, dem Altar zur Verfügung stellt. – Denn – e – das gehört doch zusammen – nicht wahr?[21]
KELLER. Das nenn' ich groß gedacht!
SCHWARTZE. Bitte, bitte, bitte, aber – ich will mich doch hier nicht aufspielen! – Würde mir recht – e – ja, vor jenen zehn Jahren, als sie mir den Abschied gaben, da war ich noch ein Kerl! Hä! Max, Max – ich glaube, mein altes Bataillon zittert heute noch vor mir – Max – was?
MAX. Zu Befehl, lieber Onkel –
SCHWARTZE. Ja, das passiert Euch vom Zivildienst nicht, eure Kräfte vor der Zeit brach gelegt zu sehn ohne – Verschulden. – Brütend. Ohne eine Ahnung von Verschulden! – Dann kam auch noch ein kleines Schlaganfallchen! Gucken Sie mal, wie das noch zittert. Hebt die rechte Hand hoch. Und was da noch übrigblieb, – – – ja – was kann da wohl viel übrigbleiben? Da war es mein verehrter junger Freund Heffterdingk, der hat mir durch Arbeit und Gebet den Weg zu einer neuen Jugend gewiesen. Denn allein hätt' ich ihn nicht gefunden.
FRAU SCHWARTZE. Glauben Sie ihm nicht, Herr von Keller. Wenn er sich nicht immer verkleinern wollte, er wäre ganz anders anerkannt bis in die höchsten Kreise.[22]
KELLER. O, meine Gnädigste! Hoch und niedrig kennt und verehrt Ihren Herrn Gemahl.
SCHWARTZE aufleuchtend. So? Ja? – Keine Eitelkeit! Nee, nee, pfui, keine Eitelkeit – die frißt uns ratzenkahl.
FRAU SCHWARTZE. Ist es denn wirklich so sündhaft, ein bißchen geachtet sein zu wollen?
KELLER. O!
SCHWARTZE. Was ist geachtet? – Für dich zum Beispiel ist es, vom Oberpräsidenten durch den Saal geführt zu werden. Oder, wenn die Majestäten hier sind, aufs Schloß zum Thee befohlen zu sein.
FRAU SCHWARTZE. Du weißt sehr wohl, daß mir das letztere Glück noch nie zu teil geworden ist.
SCHWARTZE. Na, na, verzeih. Ich kenne ja deinen Schmerz. Ich hätt' ihn schonen sollen.
FRAU SCHWARTZE. Ja, denken Sie, Herr Regierungsrat, Frau Fanny Hirschfeld, die von den Kinderheilstätten, wurde zu Ihrer Majestät befohlen – und ich wurde nicht befohlen.[23]
KELLER bedauernd. Ah!
SCHWARTZE streichelt ihr lachend den Kopf. Wie gesagt, Mutterchen, ratzenkahl!
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