103. Christliche Herbstgedanken

[563] Mel.: Wer nur den lieben Gott läßt walten ... oder: Erquicke mich, du Heil der Sünder ... oder: Ich bete an ...


1.

Wo bleibt die Pracht sonst grüner Bäume,

So mancher schönen Blumen Zier,

Und wo im Tod der Narren Träume?[563]

Wer will, such' seinen Himmel hier!

Mein unverwelklich schöner Garten

Steht schon im Blühn, ich kann ja warten.


2.

Merk, Seel', was nackte Bäume lehren,

Und jetzt im Herbst das kahle Feld:

Laß dich kein'n Schein noch Traum betören,

Gar nichts besteht in dieser Welt;

Such nackt ein ewig himmlisch Leben,

Das Jesu Einfluß nur kann geben!


3.

Dir, Gott, sei Dank, daß wir gesehen

Dein anmutsvolles Frühlingslicht,

Daß du uns auch zum Leib'sbestehen

Gabst reichlich manche Sommerfrücht'!

Jetzt fallen alle Blätter nieder

Und geben dir ihr Schönes wieder.


4.

Mein's Lebens eitle Frühlingsjahre,

Mein muntrer Sommer ist auch hin;

Ich weiß, ich fühle und erfahre,

Daß ich im Herbst mein's Lebens bin.

Ich fall' auch wie die Blätter nieder

Und geb' dir Kraft und Schönheit wieder.


5.

Du gabest meiner Gnadenjugend,

Mein'm Geistessommer manche Kraft,

Ernst, Gaben, Schönheit, Licht und Tugend,[564]

Worin sich Selbstheit leicht vergafft.

Mein Herbst dir nackt erwartend dienet,

Bis mein Gebeine wieder grünet.


6.

Gott gab's, Gott nahm's; ihn will ich ehren.

Du, Gott, bist nur beständig schön;

Mein gnugsam's Heil, mein ganz Begehren,

Mein Nichts, mein Staub soll dich erhöhn!

Gibst du mir einst die Ehrenkrone,

Leg' ich sie freudig dir zum Throne.


Quelle:
Gerhard Tersteegen: Geistliches Blumengärtlein. Stuttgart 1956, S. 563-565.
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