Vierte Szene

[52] THOMAS freundlich. Bist d' zum Geh' g'richt?

LENZ. Ja. Er zieht sein Dienstbuch aus der Tasche. Wenn's d'[52] so guat waarst und tatst mir a Zeugnis schreib'n ...

THOMAS nimmt das Buch. An Lohn host d' kriagt?

LENZ. Feit si nix.

THOMAS im Buch blätternd. Drei Monat bist d' da g'wesen ... und hast dei Arbet richti g'macht. I muaß di lob'n.

LENZ. I bin aa gern da g'wen.

THOMAS. Gern? Ja – ja.

LENZ verlegen den Hut drehend. Wann i 's an Eichmüller net zuag'sagt hätt', und überhaupts ... wann i net ...

THOMAS. Is scho recht, Lenz. Mir brauchst d' nix verzähl'n.

LENZ. Na, is wahr! Wann si dös net aso auftroffa hätt' ...

THOMAS. Du bist a richtiga Bursch und host dein Stolz ... und host recht, daß d' gehst. Er geht näher zu ihm heran. Glaabst denn du, wann's bei mir net mehr brauchet, als daß i mein Koffer nahm und an Huat aufsetzet, glaabst denn du, i bleibet?

LENZ verlegen. Ja ... no!

THOMAS. Na, mei Liaba! Am erst'n Tag waar' i furt, und mi hätt' neamd mehr g'sehg'n in Berghof'n. Legt das Dienstbuch auf den Tisch. Es is nix Schön's, in an Haus leb'n, wo d' Leut koa Ehrbarkeit mehr suacha.

LENZ. Dös muaßt d' na aa net glaab'n!

THOMAS. Net? Mög'st du mir a Zuckerl geb'n? Aba dös friß i net. I g'spür's am Buckel, wenn ma d' Leut nachschaug'n.

LENZ. Auf de passet i net auf.

THOMAS. Dös sagst d' aso ... aba du selber host das ja nimmer derlitt'n, daß d' Leut mit de Aug'n blinzeln, wann s' di frag'n, wia's da bei mir g'fallt! Und di braucht nix druck'n ... Ja, Mensch! Schand tuat weh.

LENZ verlegen. Geh ... Paulimann! Wann's d' mir jetzt 's Zeugnis schreibest!

THOMAS. Ja so! Gel, 's Zeugnis? Er nimmt das Buch und legt es wieder hin. Daß du überhaupts oans willst vo mir? Waar 's net g'scheidter, in dein Büachl stand mein Nama gar net drin?

LENZ. I brauch mi nix z' schama ... i hab mei Sach to.

THOMAS. I sag's ja grad weg'n deiner ... aba wann's d' willst, schreib i's.


Er geht an den Wandschrank, holt Tinte und Feder und seine Brille, die er aufsetzt, während er sich an den Tisch setzt.


THOMAS. Auf 'n erst'n Juli bist d' kemma?[53]

LENZ. Ja.

THOMAS. Den Tag woaß i no guat. Schreibt. Lorenz Kaltner ist bei mir eingestanden zur Aushilfe den ersten Juli ... Er setzt aus. ... Selbigsmal is grad da Dokta dag'wen und hat ma's g'sagt, daß 's schlecht steht bei da Mariann ... Die Frau, hat er g'sagt, hat sich in ihrem Leben zu viel geplagt ... ja, dös hat ma davo!

LENZ. I ho mir aa nix Guat's denkt, weil s' so schwach g'wen is ...

THOMAS. Schwach g'wen ... ja! Gibt sich einen Ruck und schreibt wieder. Also ... den ersten Juli und ist ausgetretten den ersten Oktober ... und war sehr treu und fleißig. Er legt die Feder hin. Dös schreibt ma heuntingtag's bei an jed'n ... aba bei dir is 's wahr.

LENZ. I mach halt mei Danksagung, Paulimann.

THOMAS. Nix zum dank'n. Dös Beste kon i dir net neischreib'n, daß du dir nia was host o'kenna lass'n, vor mir und da Mariann net ... von dera G'schicht.

LENZ. Da hon i koa Recht it g'habt.

THOMAS. Aba G'leg'nheit. Und de lasset si net a jeda auskemma. Er gibt ihm die Hand. Für dös dank i dir no b'sunders, und wann dir aa nix dro liegt, sag' i's do, daß i vor dir an Respekt hab.

LENZ fährt sich verlegen durch die Haare. Ja no ... i sag' dir aa Vergelt's Gott!

THOMAS gibt ihm das Dienstbuch. Da hast d' dei Büachl, und i wünsch Glück überall'n.

LENZ herzlich. I dir aa ... daß 's da guat geht, Paulimann!

THOMAS resigniert. Werd ma guat geh', ja! Wann i jetzt an Karr'n alloa schiab'n muaß!

LENZ. I hätt' ja g'moant, du sollt'st mein Bruada auf a Zeit ei'stell'n.

THOMAS. Daß er nach drei Tag den nämlich'n Grund zum Geh' hat wia du heunt? Na! Liaba racker i mi z'samm ... und wann's nimmer geht ... mir is 's net z' fruah. Na! I woaß, du moanst as guat ... aba i bleib alloa. Jetzt pfüad di!

LENZ. Adjes!

THOMAS ist ans Fenster getreten und schaut hinaus.


Lenz bleibt an der Türe stehen und dreht verlegen seinen Hut in beiden Händen. Er kämpft sichtlich mit einem Entschlusse.
[54]

LENZ. Paulimann!

THOMAS sich halb umwendend. No was?

LENZ etwas stockend. Du host neuling zu mir g'sagt, daß i weg'n de Bursch'n ... daß i de Bursch'n warna sollt, wenn's grad was ... a so ... an Sinn hätt'n ...

THOMAS. Selm war i zorni. I woaß scho, daß dös grad an Bürgermoasta sei G'red war.

LENZ entschiedener. I woaß net, ob dös bloß a G'red' is.

THOMAS sich ganz umwendend. Han?

LENZ. Mir g'fallt de Sach net. Seit gestern is grad, als wenn oana in a Wespennest nei'sticht. De Bursch'n hamm was.

THOMAS überrascht, aber ruhig. Ah, so moanst d'?

LENZ. Es is net sauber.

THOMAS drohender. Laß s' no! Sie wer'n si net gar so leicht toa mit mir.

LENZ. Wenn aba ... Stockend. ... wenn's aba anderst geht, als du moanst?

THOMAS. Es werd so geh', daß i mei Recht behaupt'. A Buaberei laß i net ausüab'n an mir.

LENZ unsicher. Ja ... scho! Freili net! Aba ...

THOMAS. Da brauchst d' koan Angst hamm.

LENZ. Es gibt halt Sach'n, wo ma si net dageg'n rühr'n ko!

THOMAS. Sach'n?

LENZ. Du woaßt halt no net, was 's geb'n hat?

THOMAS lauter. Geb'n? Mit da Leni was?

LENZ. I ko aa net red'n über dös ...

THOMAS dringender. Aba du woaßt ... daß was fürkemma is?

LENZ. Dös sag'n s' dir bald gnua.

THOMAS schreiend. Herrgott! Mensch, marter mi do net her!

LENZ. Schau!

THOMAS. Red! sag i, und lass' mi net im Ung'wiss'n! San dir de Bursch'n so viel wert?

LENZ. Net de Bursch'n. Na ... aba schau, i ko da aa nix geg'n d' Leni red'n ... sie hat ma nia nix to ...

THOMAS. Ja, muaß i di lang bitt'n um dös?

LENZ in sichtlicher Aufregung. Na! Des sell geht net!

THOMAS. Aba o'fanga host d' kinna ... und mi hermartern!

LENZ. Weil i mir denkt hab ... i muaß di warna ... und dös ander sag'n s' dir scho.[55]

THOMAS sehr dringend. Lenz! Red aus! Jetzt muaßt d' all's sag'n.

LENZ. I ... i ko net.

THOMAS. Na laß bleib'n!

LENZ. Weil ...

THOMAS. Geh zua! Sag i. Lenz geht langsam zur Türe hinaus.


Quelle:
Ludwig Thoma: Gesammelte Werke in sechs Bänden. Band 2, München 1968, S. 52-56.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Magdalena
Magdalena. Ein Volksstück in 3 Aufzügen

Buchempfehlung

Lessing, Gotthold Ephraim

Philotas. Ein Trauerspiel

Philotas. Ein Trauerspiel

Der junge Königssohn Philotas gerät während seines ersten militärischen Einsatzes in Gefangenschaft und befürchtet, dass er als Geisel seinen Vater erpressbar machen wird und der Krieg damit verloren wäre. Als er erfährt, dass umgekehrt auch Polytimet, der Sohn des feindlichen Königs Aridäus, gefangen genommen wurde, nimmt Philotas sich das Leben, um einen Austausch zu verhindern und seinem Vater den Kriegsgewinn zu ermöglichen. Lessing veröffentlichte das Trauerspiel um den unreifen Helden 1759 anonym.

32 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon