Erste Szene


[287] Freies Feld.


APOLLO bei seiner Herde.

Wie freundlich lächelt mir die stille Gegend,

Die gern und liebevoll den Gott empfängt.

Hier hör ich früh der Lerche muntres Lied,

Die sich mit hellen Tönen aufwärts schwingt,

Die Nachtigall aus dichtbelaubten Büschen,

Den stillen Gang der Wasser, die melodisch

Durch Felsen unter Efeuranken irren;

Wie spielende Weste durch meine Locken flattern,[287]

Und mich der holde Geist der Einsamkeit

Mit seinen süßen Flügeln lieblich fächelt;

Das Rohr des Flusses girrt in leisen Tönen,

Die Eiche braust und spricht mit ernster Stimme,

Aufmerksam horcht der junge kleine Wald

Und hält die zarten Blätter unbewegt.

Ob mir ein ländlich Lied gelingen mag

Will ich nach Hirtenweise jetzt versuchen.


Wohl dem Mann, der in der Stille

Seine kleine Herde führt,

Weit von Menschen, in der Hülle

Dunkler Bäume sie regiert.

Wo er wohnet, sind die Götter,

Sitzen bei dem kleinen Mahl,

Ewig sonnt ihn Frühlingswetter,

Fern von ihm die rege Qual,

Die mit ihren schwarzen Flügeln

Um den Unzufriednen schwärmt,

Daß er sich von Tal zu Hügeln

Und von Hügeln talwärts härmt.

Aber hier ist Abendröte

Widerschein von Morgenrot,

Und die kleine Schäferflöte

Klinget bis zu unserm Tod.


Mopsa und Phyllis kommen.


MOPSA.

Wie lieblich klingt dein Lied, holdselger Schäfer,

Es lockte uns vom Wald ins freie Tal.

PHYLLIS.

Ich hörte niemals noch so süße Stimme.

APOLLO.

Sollt ihr den Sänger nicht begeistern? Kühn

Fliegt von der Lippe der Gesang, das Bild

Von euch macht jeden Ton melodisch süß.

PHYLLIS.

Willst du mit uns das Wechselliedchen singen,

Das du uns gestern lehrtest?

APOLLO.

Fang nur an.[288]

PHYLLIS.

Warum in der Brust dies Schmachten?

Will kein Gott denn meiner achten?

MOPSA.

Ach, so süße herbe Tränen,

Ach, ein wunderbares Sehnen –

APOLLO.

Liebe, Liebe überwindet,

Wo sie zarte Herzen findet.

PHYLLIS.

Was ist Liebe? Was ist Sehnen?

MOPSA.

Warum diese ewgen Tränen?

APOLLO.

Liebe glänzt im nassen Blick,

Trän und Glanz spricht nur ihr Glück.

ALLE.

Wundern sollen dich nicht Schmerzen,

Die die Brust mit Wonne füllen,

Und den Blick in Tränen hüllen,

Denn in diesen schönen Schmerzen

Lernen lieben unsre Herzen.


Aulicus und Myrtill kommen.


AULICUS. Singt ihr schon wieder eure abgeschmackten Gesänge? Schäfer, Ihr macht uns alle unsre Mädchen abspenstig, und das soll Euch am Ende übel geraten.

MYRTILL. Lauter Gesang und Klang und Klang und Gesang erfüllt jetzt unsre Felder, das ist nicht auszuhalten. Die Schäferinnen sprechen von nichts als Lied und Liebe, und Liebe und Lied, und Lied und Liebe, und so immer fort; ich für meine Person sage: das ist dumm!

AULICUS. Freilich ist's dumm, das ist gar keine Frage.

PHYLLIS. Aber was habt ihr uns denn zu befehlen?

MYRTILL. Ihr seid in uns verliebt, und da haben wir euch sehr Viel zu befehlen.


Der alte Damon tritt auf.


DAMON. Nun ja, da steht ihr hier, wie die Narren, und der Wolf macht sich unterdes in euren Herden lustig.

MYRTILL. Der Wolf? Nun wahrhaftig, der Kerl soll zum längsten[289] ein Wolf gewesen sein. Kommt! der soll davon zu sagen haben, wieviel Wolle er lassen muß.


Sie gehen ab.


Quelle:
Ludwig Tieck: Werke in vier Bänden. Band 2, München 1963, S. 287-290.
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