Fünfte Szene


[312] Saal mit einem Theater.

Grünhelm. Der Fremde.


DER FREMDE. Aber glaubst du, daß es gelingen wird?

GRÜNHELM. Ich gebe Ihnen mein Ehrenwort. Machen Sie sich nur keine unnötige Bedenklichkeiten.

FREMDER. Wird er dadurch gerührt werden?

GRÜNHELM. Er muß.

FREMDER. Meine Hoffnung beruht immer noch auf einem sehr unsichern Grunde.

GRÜNHELM. Der Grund ist sicher genug, wenn Sie nur sichrer wären.

FREMDER. Ich verlasse mich ganz auf dich.


Thalia kömmt.


THALIA. Nun, meine Freunde, seid ihr zur Komödie ganz eingerichtet?

GRÜNHELM. Ich bin immer dazu fertig; aber der erste Liebhaber da hat noch Zweifel.

THALIA. Das ist unrecht, Sie werden sehn, daß alles sehr schön ablaufen wird.

FREMDER. Ich zittre.

THALIA. Das macht die Entwickelung um so interessanter.

GRÜNHELM. Die Zuschauer kommen schon. Sie gehen.


Trompeten. Skaramuz von seinem Hofe begleitet.


SKARAMUZ. Wir wollen uns setzen, jeder nach seinem Stande. Ich werde wohl auf diese Art der Vornehmste hier sein.


Sie setzen sich, der Vorhang des Theaters wird aufgezogen, welches einen Garten vorstellt.

Grünhelm als Prologus.


PROLOGUS.

Woher soll Poesie die kühnsten Bilder greifen,

Durch welches ferne Land der dunkeln Träume streifen,

Um allenthalben Blum' und Weihrauch abzupflücken,

Und deinen Namen so nach Würden auszuschmücken?

Die Wahrheit selbst wird stumm, Erfindung zittert blaß,

Der Danaiden Chor füllt eher noch ihr Faß,

Ja Tantalus wird wohl den Apfel noch erschnappen,[312]

Und Sisyphus den Stein in seinem Fall ertappen,

Eh es dem Menschengeist nach seinem Wunsch gelingt,

Daß er dein ganzes Lob aus voller Kehle singt.

Wohl mag sich Pegasus im höchsten Äther baden,

Doch wenn er will dein Lob auf seinen Rücken laden,

Ja Herkules dazu, das glaubt mir auf mein Wort,

Sie werden beide lahm, sie bringen es nicht fort:

Und doch ist dieser Mann der Stärkst im Land gewesen,

Und hatte Kraft genug den Atlas abzulösen;

Auch wenn die Musen neun sich alle fügen sollten,

Daß sie dein Lob im Chor poetisch singen wollten:

So bist du Musengott, die Musen dienen dir,

Und Dichtkunst hat durch dich erst ihre wahre Zier.

Darum versuchen wir, im stummberedten Schweigen,

Wie wir dir huldigen, am besten noch zu zeigen.

Drum, wer nur schweigen kann, erhebe heut dich laut,

Bis nach Monduntergang die Morgendämmrung graut.

Sieh denn auf unser Herz und nicht auf unser Maul,

So mehr jens tätig ist, so mehr erscheint dies faul.


Verbeugung, geht ab.


SKARAMUZ. Das war gut. Man hat mich lange nicht so zweckmäßig gelobt. – Wer hat das gemacht?


Der Hofpoet kömmt.


HOFPOET. Ihro Majestät, ich habe nur im Namen aller Ihrer getreuen Untertanen gesprochen.

SKARAMUZ. Denken so alle meine Untertanen von mir?

HOFPOET. Wer es anders meint, ist ein Hochverräter.

SKARAMUZ. Das ist recht. Da habt Ihr Geld, fahrt so fort. Gebt acht auf alles Große, was ich tue, besonders wenn ich mit jedem Tage immer vortrefflicher werde. Ich sage Euch, laßt mich nicht aus den Augen, denn es ist sehr viel an mir zu beobachten.

HOFPOET. Wenn es Ihro Majestät erlauben, so werde ich es nicht unterlassen. Geht ab.


Ein Vater tritt auf mit einem jungen Menschen.

(Der junge Mensch ist der Fremde.)


VATER. Mein lieber junger Mensch, ich habe dich, wie du weißt, an Kindes Statt angenommen, da deine armen Eltern schon in deiner Jugend starben; ich habe dich erzogen, ich[313] habe dich in allen Künsten und Wissenschaften unterrichten lassen, dafür mußt du hübsch dankbar sein: nun sage mir also, warum bist du seit einiger Zeit immer so traurig.

JUNGER MENSCH. Man hat sich nicht immer in seiner Gewalt, Verehrungswürdiger.

SKARAMUZ. Wer ist der junge Mensch? Er kömmt mir so bekannt vor.

SCHATZMEISTER. Er ist der fremde Doktor, der kürzlich nur angekommen ist.

SKARAMUZ. Und der spielt nun schon in der Stadt Komödie? – Das geht geschwinde, ihm wird es an einer guten Praxis niemals fehlen.

VATER. Sei heute wenigstens fröhlich; sieh, meine Tochter und meine übrigen Verwandten sind es so sehr. Heute ist mein Geburtstag, da möcht ich gern lauter fröhliche Gesichter sehn.

SKARAMUZ. Des Menschen Geburtstag ist heute auch? Das trifft sich wunderbar.

SCHATZMEISTER. Vermutlich nur eine rührende und witzige Anspielung, mein König, denn was da vorgestellt wird, ist nichts Wirkliches, es ist nur ein Schauspiel.

SKARAMUZ. Es ist wahr, das hatt ich ganz vergessen.

SCÄVOLA. Leute, bedenkt einmal, wie wunderbar! Wir sind hier die Zuschauer, und dorten sitzen die Leute nun auch als Zuschauer.

PIERROT. Es steckt immer so ein Stück im andern.

JUNGER MENSCH. Ja, ich will an diesem schönen Tage fröhlich sein; Sie sollen kein trauriges Gesicht zu sehn bekommen.

VATER. Meine Tochter hat mir gesagt, daß ihr mir ein kleines Stück aufführen wollt; hast du denn auch eine Rolle darin?

JUNGER MENSCH seufzend. O ja.

VATER. Worüber seufzest du wieder? Du hast mir soeben angelobt, daß du fröhlich sein wolltest. Was fehlt dir? Entdecke dich mir, ich will dir helfen, wenn ich kann.

JUNGER MENSCH. Ach, mein Vater!

VATER. Sprich.

JUNGER MENSCH. Ich kann nicht.

VATER. Du solltest Vertrauen zu mir haben. Jetzt muß ich dich verlassen, meine Gäste werden gleich kommen. Geht ab.

PIERROT. Für welches Schauspiel soll man sich nun interessieren? Für das vorige, oder für das, das jetzt aufgeführt wird?[314]

SCÄVOLA. Eine verflucht spitzfindige Frage. Am besten ist es man interessiert sich nur so in den Tag hinein, oder für keins von beiden.

JUNGER MENSCH. Nein, ich kann ihm meine Liebe nicht entdecken. Er würde mir niemals seine Tochter bewilligen, und eine abschlägige Antwort könnte ich nicht überleben. O Emilie! Und doch muß es sich heut noch entscheiden!


Melpomene tritt als Emilie auf.


EMILIE. Find ich dich wieder in Tränen?

JUNGER MENSCH. Und wie anders, teuerste Emilie? Soeben habe ich deinen Vater gesprochen.

EMILIE. Nun?

JUNGER MENSCH. Er war wie immer, sehr gütig gegen mich, das Bekenntnis meiner Liebe schwebte schon auf meinen Lippen, aber die Besonnenheit hindert mich noch, unvorsichtig zu sein.

EMILIE. Ich denke, daß wir ihn durch unser kleines Stück überraschen und rühren wollen, und uns so den Weg zu unserm Geständnisse bahnen.

JUNGER MENSCH. O liebe Emilie, das quält mich eben. Ist unser Projekt, ja ich mag es wohl so nennen, unser Hinterhalt, nicht eine Entweihung dieses Tages? Wir wollen ihm durch ein Schauspiel Freude machen, und wir benutzen dieses Schauspiel, uns und unsre Situation darzustellen. Gerade an dem heutigen Tage sollten wir am wenigsten für uns zu handeln suchen, und ich brauche grade diesen Tag als ein Mittel, um mich glücklich zu machen.

EMILIE. Du hast eine eigene Gabe, die Sachen zu ernsthaft, und eben darum unrecht zu nehmen. Unsre Verbindung wird auch ihn beglücken, auch hat er uns noch keine Veranlassung gegeben, zu glauben, daß er unsre Liebe mißbilligen würde, wenn er sie kennte.

JUNGER MENSCH. Wie beneid ich dich um diesen männlichen Mut.

EMILIE. Wenn er männlich ist, so schäme dich, daß du ihn nicht hast.


Thalia als Lisette.


THALIA. Die Fremden sind schon angekommen; Ihr Herr Vater komplimentiert sich mit ihnen sehr weitläuftig.[315]

EMILIE. Wer sind sie denn?

THALIA. Erstlich ist da, die dicke Frau, die Sie aus der Taufe gehoben hat, eine Frau, die alles verachtet, was nicht so dick und reich ist, als sie selbst; dann der Graf Sternheim, der bei jedem dritten Worte innehält, um sich auf den Zusammenhang zu besinnen und desto gewisser aus dem Zusammenhange zu kommen, dieser hat alle seine Bedienten und sogar seinen Narren mitgebracht; dann der Baron Fuchsheim, der mehr hustet als spricht, und mehr spricht als denkt. Die übrigen kenne ich nicht, sie scheinen aber von keiner sonderlichen Bedeutung zu sein.

EMILIE. So wollen wir nur gehen, um unser Theater einzurichten. – Komm, mein Freund. Beide gehn ab.


Der Vater, Graf Sternheim, Baron Fuchsheim, die dicke Frau, andre Gäste, Bediente, Grünhelm als Narr, treten ein.


VATER. Sein Sie mir nochmals von ganzem Herzen willkommen, und nehmen Sie mit diesem herzlichen Willkommen vorlieb, denn er ist das Beste, was ich Ihnen geben kann.

FUCHSHEIM. Gehorsamster – bitte – wissen schon – bitte –

DICKE FRAU. Uns ist Ihre Galanterie schon aus alten Zeiten bekannt, und Sie haben darin gewiß noch mehr Fortschritte gemacht.

STERNHEIM. Gut Obst scheinen s' hier besitzen zu tun – schönen Blumenkohl – allerliebste Aprikosen – aber einen Narren hab ich doch selber mitgebracht, den trifft man hier nicht an.

NARR. Ich habe Sie mitgenommen, Herr Graf, und das will ich beschwören.

STERNHEIM. Ist es nicht ein guter Eselskopf? – Er sagt mir immer prächtige Grobheiten.

NARR. Und der Graf sagt mir herrliche Wahrheiten, denn er sagt mir nichts, und es ist eine Wahrheit, daß er nichts ist und daß er nichts zu sagen weiß.

STERNHEIM. Konfuse, ein ungeordneter Verstand – aber gute Anlagen.

FUCHSHEIM lachend. Gute Anlagen zu einem Narren – ja, ja – dafür sind seine Anlagen gut genug.

NARR. Wissen Sie denn, was ein vollkommener Narr zu bedeuten hat?

STERNHEIM. Dazu halt ich dich ja, Narr, damit ich das beständig wissen möge.[316]

NARR. Der Geschmack ist verschieden, ich halte mir lieber einen Grafen.

STERNHEIM. Er darf mir alles bieten, weil er nämlich nur ein Narr ist.

FUCHSHEIM. Ich muß mir auch einen anschaffen. Wo hat man die beste Sorte?

STERNHEIM. Sie geraten nicht in jedem Jahre gleich gut, manchmal ist ein ordentlicher Mißwachs – ich habe sie auf meinen Gütern als ein Landesprodukt ziehn wollen – aber sie sind nicht eingeschlagen – das Klima muß nicht taugen.

FUCHSHEIM. Wenn man so manchmal seiner Vernunft überdrüssig wird, so muß ein solcher Narr ein wahrer Leckerbissen sein.

STERNHEIM. Diesen da hab ich geerbt, und ich weiß sein Vaterland nicht.

FUCHSHEIM. Hat er keinen Taufschein?

STERNHEIM. Narren werden gar nicht getauft.

FUCHSHEIM. Zu welcher Kirche bekennen sie sich denn aber?

STERNHEIM. Sie sind damit zufrieden, daß sie in der Irre wandeln.

FUCHSHEIM. Sie sollten ihn bekehren lassen.

STERNHEIM. Ei, beileibe nicht, da würde ja ein ordinärer vernünftiger Mensch aus ihm.

FUCHSHEIM. Sie verkaufen ihn wohl nicht?

STERNHEIM. Nimmermehr, ich will ihn mit ins Grab nehmen.

NARR. Ei, ganz gehorsamster Diener! das ist eine verfluchte Redensart, um seine Liebe auszudrücken.

VATER. Meine Herren, und meine gnädige Frau, ist es Ihnen nicht gefällig, in mein Haus zu treten?


Sie gehn ab.

Lisette und der Narr bleiben.


LISETTE. Wer sind Sie eigentlich, mein Freund?

NARR. Aufzuwarten, ein Narr.

LISETTE. Das heißt, ein Mann. Aber dies weiß ich schon; ich fragte nur nach Ihrem eigentlichen Stande.

NARR. Ich bleibe leider in allen Positionen ein Narr, und wenn Sie mich auch so oft umwenden, als einen gut gebratnen Krammetsvogel.

LISETTE. Haben Sie sich auf sonst nichts gelegt?

NARR. Das ist genug, mein schönes Kind, und mehr als genug.[317]

O man hat sein ganzes Leben zu studieren, um es darin zu einer gewissen Vollkommenheit zu bringen.

LISETTE. Es ist doch schade um Ihre hübsche Person.

NARR. Ich war schon vor meiner Geburt ein Narr, sonst hätte sich meine unsterbliche Seele gewiß nicht bereden lassen, in diesen sterblichen Körper zu kriechen, und darin ein so kauderwelsches Leben zu führen.

LISETTE. Sie drücken sich sehr angenehm aus.

NARR. Ich schüttle die Worte zwischen den Zähnen herum, und werfe sie dann dreist und gleichgültig wie Würfel heraus. Glauben Sie mir, es gerät dem Menschen selten, alle sechse zu werfen, er mag nun besonnen oder unbesonnen spielen.

LISETTE. Sie sprechen klüger, als Ihr Herr.

NARR. Und Sie gefallen mir mehr als Ihre Gebieterin.

LISETTE. Ich glaube, Sie müßten sich noch bessern können.

NARR. Ich glaube, ich würde Sie lieben lernen.

LISETTE. Sie sind schon auf dem bessern Wege.

NARR. Und doch fang ich nur an, ein noch größerer Narr zu werden; o wenn Sie mich in meiner allerhöchsten Raserei sehen sollten, Sie würden entzückt sein.

LISETTE. Ich möchte es schon darauf wagen.

NARR. Was meinen Sie, zum Exempel, von der Anbetung?

LISETTE. Wen wollen Sie anbeten?

NARR. Sie, meine Göttin.

LISETTE. O mein Herr, für eine Göttin bin ich wohl etwas zu schlecht.

NARR. Im Gegenteil, Allerglorreichste, viel zu gut; man kann in unsern Tagen fast nichts Erbärmlicheres sein, als eine Göttin.

LISETTE. Wie ist das gekommen?

NARR. Das müssen Sie die weisen Leute fragen, ich darf das Geheimnis nicht verraten; Weise und Toren, törichte Weise, und weise Narren haben die Weiber mit vieler Mühe zu Göttinnen erhoben, um sie recht bequem schlechtzumachen, denn seitdem sind sie keine taube Nuß mehr wert.

LISETTE. Sie lieben mich also vielleicht?

NARR. O dies himmlische Vielleicht läßt mir noch einige Hoffnung übrig, daß Sie noch nicht so ganz in mich vernarrt sind –

LISETTE. Und wenn ich es nun wäre?

NARR. So säh ich mich ja genötigt vor Entzücken zu Ihren Füßen zu sterben.[318]

LISETTE. Das will ich mir verbitten.

NARR. Welches Opfer befehlen Sie denn also, das ich Ihnen zum Zeichen meiner aufrichtigen Liebe bringen soll?

LISETTE. Heiraten Sie mich.

NARR. Heiraten! – Ich weiß nicht, ob ich recht gehört habe. – Heiraten, sagten Sie?

LISETTE. Nun freilich, kein andres Wort, wenn ich bei Verstande bin.

NARR. Sie wollten also einen Ehemann aus mir machen? – Das ist schrecklich!

LISETTE. Wie denn so?

NARR. Weil Sie mich dann in eine Art von Narrheit einweihen, gegen die meine jetzige kaum für einen Anfangsgrund zu rechnen ist.

LISETTE. Kommen Sie hinein.

NARR. Ich bin der Ihrige.

LISETTE. Ich halte Sie beim Wort.


Sie gehn.


SKARAMUZ. Ist das Zeug da witzig?

SCHATZMEISTER. Es wird wenigstens dafür ausgegeben, und man muß also den guten Willen schätzen.

SKARAMUZ. Es ist von einem Untertanen, das Stück da?

SCHATZMEISTER. Allerdings.

SKARAMUZ. So ist es doch wenigstens keine Kontrebande, sondern ein einheimisches Fabrikat.


Saal mit einem kleinen Privat-Theater.

Der Vater und Die Gäste kommen.


VATER. Setzen Sie sich allerseits, man hat uns hier ein kleines Schauspiel veranstaltet; ich denke, daß der Vorhang sogleich aufgehen wird.


Flöten, der Vorhang des Theaters hebt sich, das einen schonen Garten darstellt.

Ein Schäfer und eine Schäferin.


SCHÄFER.

Willst du nimmer mich erhören?

SCHÄFERIN.

Nein, du willst mein Herz betören.[319]

SCHÄFER.

Nein, ich will dich lieben lehren.

SCHÄFERIN.

Lieb ist Torheit, will ich schwören.

SCHÄFER.

O Liebe,

Die Triebe,

Dies Sinnen,

Dies Trachten,

Mit zärtlichem Schmachten

Das Herz zu gewinnen –

Nein glaub wie ich schwöre,

Wenn ich dich betöre,

So strafen die Götter

Im rächenden Wetter

Den frevelnden Schwur.

SCHÄFERIN.

Ich höre

Die Lehre

Und schwöre,

Bei jeglichem Sterne

In bläulicher Ferne,

Beim schimmernden Licht:

Ich liebte seit lange,

Die Brust klopfte bange,

Du liebtest mich nicht;

Kommt rächende Wetter

Und straft mich, ihr Götter,

Ist falsch dieser Schwur.

BEIDE.

Im Frühlingsglanze schimmert

Wald und Flur,

Und Liebe leuchtet und flimmert

Und waltet beseelend in der ganzen Natur.


Sie gehn ab.


STERNHEIM. Das war wenig, aber gut, und so lieb ich's.

FUCHSHEIM. Nicht zu viel und nicht zu wenig, das ist mein Motto.


Melpomene oder Emilie tritt als Laura auf.
[320]

LAURA.

Durch die bunten Rosenhecken

Flattern Schmetterlinge hin,

Muntre Lerchentöne wecken

Schon die Tageskönigin.


Immer wach sind meine Sorgen,

Nimmer ruht dies treue Herz,

Und ein jeder rote Morgen

Findet meinen regen Schmerz.


Wollt ihr mich der Qual entbinden?

Hört ihr, Götter? mein Gebet?

Kann ich nie die Ruhe finden,

Die mein Herz von euch erfleht?


Ich sah Fernando bleich in meinen Träumen,

Und oh, wie sehnt sich nun mein schlagend Herz,

Mein liebend banges Auge ihn zu treffen. –

Ach, warum ist die Liebe immer krank

Und eingeengt? Nur Leid erkauft die Wonne,

Und Wochen Grams den frohen Augenblick.

Wie? Ist denn dies die Satzung der Natur?

Trifft mich und ihn nur dieses harte Los?

Ach Leben, wie wärst du so reizend schön,

Wenn du nicht unsern allzu zarten Händen

Für eine Rose tausend Dornen reichtest;

Wenn wir mit Sicherheit den Pfad hinunter

Spazieren können, überzeugt, beblümte

Gefilde anzutreffen, muntre Quellen,

Und kühle Schatten unter Myrtenbäumen.

Doch sorgsam prüfend setzen wir den Fuß,

Auch wenn der Weg im Anfang freundlich scheint;

Führt er uns wohl in dunkle schwarze Wälder?

Vielleicht zu schroffen, abgelegnen Klippen?

Wird auch die Liebe immer mit uns gehn?

So zagen wir und zweifeln, und vergessen

Im Zweifel selbst die holde Gegenwart,

Die, ach! so flüchtig eilet, zu genießen.


Der Fremde, oder Der Junge Mensch, tritt als Fernando auf.


FERNANDO.

Du bist schon früh im Garten, meine Liebe.[321]

LAURA.

Ich habe meine Liebe hier erwartet.

FERNANDO.

O du beschämst die muntre Morgenröte.

LAURA.

Und selber dich, Fernando, lieber Freund.

FERNANDO.

Kein Schlummer wollte mich die Nacht besuchen,

Die Sorgen saßen mit den greisen Häuptern

An meinem Bett und hielten stets mich wach;

Da sah ich bange ahndend trübe Zukunft,

Von keinem flüchtgen Sonnenstrahl erhellt,

Da war die weite, wüste Dunkelheit,

Mit allen ihren Schrecken, holde Liebe,

Ja selbst die Hoffnung floh: da lag

Nur ewge, träge Gegenwart, kein Schwung

Trieb rascher um die jammervolle Zeit.

Am Morgen fielen matt die Augen zu,

Da wandelte mein Geist zu Blumenbeeten,

Und suchte Trost bei bunten Frühlingskindern,

Wie Regenbogen war dein süßer Name

Mit Liebe schützend über mir gespannt,

Und ihn umspielten Chöre lichter Engel,

Die gleich den Äolsglocken Töne sangen,

Von ewger Liebe und von Küssen sprachen,

Daß weit umher abwärts die Winde blieben,

Und sich ein Wohllaut durch den Himmel goß,

Mit Tönen, die nur Laura jedem Stern

Entgegenjauchzten: da erwacht ich schnell,

Mir war, du riefst, da starb die Melodie.

LAURA.

Und bist für meinen Gruß und Kuß erwacht.

FERNANDO.

Und bleich und krank ist nun mein Traumgesicht.

LAURA.

Fernando! liebst du mich aus treuem Herzen?

FERNANDO knieend.

O könnt ich ohne Treue, Liebste, lieben?


Claudio, der Vater, tritt auf.
[322]

CLAUDIO.

Wie, Bösewicht?

LAURA.

Mein Vater!

CLAUDIO.

Undankbare!

DER VATER. O Kinder, macht der Komödie ein Ende, der Vater ist gar zu grausam, ich würde gleich meine Einwilligung geben.

SKARAMUZ. Ich auch, denn mich fängt an zu hungern.

EMILIE heruntersteigend, dem Vater zu Füßen. Ihren Segen also, mein Vater.

FERNANDO. Nein, Emilie, dorthin.


Sie knieen vor Skaramuz.


SKARAMUZ. Wie? Was? Was ist denn?

MELPOMENE. Ihre Einwilligung, mein Apollo; geben Sie mich frei, ich mag nicht länger Muse sein.

SKARAMUZ. Also war das Ganze nur eine eigentliche Komödie?

DER FREMDE. Ja, Ihro Majestät.

SKARAMUZ. Nun, weil ihr mich gerührt habt, und weil ich gerade bei guter Laune bin, so mögt ihr einander heiraten. Es ist aber eine wunderliche Sache, die Melpomene verläßt das Theater, dort werden wir also keine Leichen mehr sehn; aber sie heiratet dafür einen Doktor – ich weiß nicht was schlimmer ist.

THALIA. Herr König, ich wollte auch gern heiraten.

SKARAMUZ. Wen denn?

THALIA. Da ist so eine Art Narr, im gemeinen Leben Grünhelm genannt.

GRÜNHELM. Ja, Ihro Majestät, ich bin des ledigen Standes überdrüssig.

SKARAMUZ. In Gottes Namen. Aber so fällt ja auch unser Lustspiel über den Haufen. – Nehmt einander, und quält euch recht.


Alle gehn ab.

Ein großes Getümmel unter den Zuschauern.


PIERROT. Ei! ei! wie ist denn ein solches Ding zu begreifen? Es täte not, daß man sich einen eisernen Reifen um den Kopf legen ließe, um es auszuhalten.

SCÄVOLA. Es ist gar zu toll. Seht, Leute, wir sitzen hier als Zuschauer und sehn ein Stück; in jenem Stück sitzen wieder[323] Zuschauer und sehn ein Stück, und in jenem dritten Stück wird jenen dritten Akteurs wieder ein Stück vorgespielt.

WACHTEL. Ich habe nichts gesagt; aber um nur zur Ruhe zu kommen, hätt ich mich gern aus meinem jetzigen Zuschauerstande in die letzte versifizierte Komödie als Akteur hineingeflüchtet. Je weiter ab vom Zuschauer, je besser.

DER ANDRE. Nun denkt euch, Leute, wie es möglich ist, daß wir wieder Akteurs in irgendeinem Stücke wären, und einer sähe nun das Zeug so alles durcheinander! Das wäre doch die Konfusion aller Konfusionen. Wir sind noch glücklich, daß wir nicht in dieser bedauernswürdigen Lage sind; denn es wäre nachher kaum möglich, sich auf gelinde Weise wieder in seinen allerersten vernünftigen Zustand zurückbringen zu lassen; ich fürchte, man müßte mit Pulver wieder hineingesprengt werden.

SCÄVOLA. Man träumt oft auf ähnliche Weise, und es ist erschrecklich; auch manche Gedanken spinnen und spinnen sich auf solche Art immer weiter und weiter ins Innere hinein. Beides ist auch, um toll zu werden.


Musik

Rondo


Wie sagte doch jener Bauer, als er die Pflaumen schon zur Suppe essen sollte? ja: darin ist kein Verstand!

So oft sich der Philosoph verwundern muß, so oft er ein Ding nicht begreift, (und das geschieht meist, weil es zu seinem Systeme nicht paßt, denn außer dem würde ihm die Sache nicht so fremd sein, vielleicht wäre ihm der Gedanke ganz natürlich) ebenso oft ruft er aus: darin ist kein Verstand!

Ja der Verstand, wenn er sich recht auf den Grund kommen will, wenn er sein eignes Wesen bis ins Innerste erforscht, und sich nun selbst beobachtet und beobachtend vor sich liegen hat, sagt: darin ist kein Verstand.

Nicht wahr, es ist am bequemsten, das Denken ganz aufzugeben? das tun auch die meisten, ohne es zu wissen. Doch wer mit Vernunft die Vernunft verachtet, ist dadurch wieder vernünftig. Daß nur keiner sagt: darin ist kein Verstand.

Manche Verse sind toll gewordene Prose, manche Prose ist gichtlahmer Vers; was zwischen Poesie und Prosa liegt, ist[324] auch nicht das Beste – o Musik! wohin willst du? Nicht wahr, du gestehst es zu: in dir ist kein Verstand.

Wozu sollen diese Gedanken? Wozu soll dergleichen Musik? Wozu sollen dergleichen historische Schauspiele? Wozu soll am Ende die ganze Welt? Wozu sollen aber auch solche Fragen? In ihnen steckt kein Verstand.

Von der Mücke bis zum Elefanten ist alles zunächst um sein selbst willen da, des Menschen zu geschweigen; so sollte es nicht auch mit Gedanken sein, die früher sind als ihre Anwendung? Nicht ebenfalls mit Laune und Lust und Lachen und einer verkehrten Welt? Verkehrt sie nur noch einmal, so kehrt ihr die rechte Seite heraus, und ihr sagt dann nicht: darin ist kein Verstand.

Quelle:
Ludwig Tieck: Werke in vier Bänden. Band 2, München 1963, S. 312-325.
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