|
[382] 1809.
Hört, welch ein Ruf! der mit dem Lerchenschlage
Fern her die blaue Frühlingsluft erfüllt,
Und im Gemüt der nachtverhüllten Klage
Den Lichtblick neuer Hoffnungen enthüllt!
Verkündet er den festlichsten der Tage,
Den Richttag Gottes, der die Zeit erfüllt?
Es tönet, wie mit langverhaltnem Grimme;
Vom Donaustrom herüber schallt die Stimme.
Da spiegelt sich das neue Morgenrot.
Auf, deutsche Söhne, wagt, euch zu erheben!
Unwillig braust der Rhein durch seine Reben,
Löst ihn und euch vom fremden Machtgebot.
Der Sklave lebt nur halb, und halbes Leben,
Nichts weiter ist's, als ein gefühlter Tod.
O, richtet euch mit frischem Herzensschlage
Empor zum großen Auferstehungstage!
Nur Wollen gilt's; im Wollen ruht die Kraft,
Nur Wollen gilt's, um Felsen zu zersplittern;
Und deutsche Fürsten sollten in der Haft
Der Kettenschmach vor einem Gaukler zittern? –
Brecht stürmend auf, gleich brausenden Gewittern!
Versöhnt den Geist der alten Heldenschaft,
Und reicht von Süd und Nord euch treu die Hände,
Daß keine Schmach das Heiligste mehr schände!
[382]
Nur Wollen gilt's! da seht! die Lügenbrut,
Ob sie auch prunkend Sieg auf Sieg entführte,
Bekennt durch sich, daß ihr kein Sieg gebührte.
Der Geist der Wahrheit sei mit eurem Mut,
Den ungebeugt die Knechtschaft nicht berührte.
Am Schrei der Not entzündet eure Glut!
Vernehmt, Geborene von deutschen Müttern,
Vernehmt den Ruf, um euch empor zu schüttern!
Seht die Gestalt, mit Fesseln an der Hand,
Da liegend, wie ein Opfertier gebunden,
Aus dem schon halb das Leben weggeschwunden:
Das ist, entsetzt euch! euer Vaterland!
Und welch ein Vampir saugt an seinen Wunden?
Das ist der Friede, der das Opfer band.
So ganz ist er zur Höllenkunst geworden,
Die halb erwürgt, um länger zu ermorden.
Brecht rüstig auf, und fraget nicht das Glück!
Euch führen Helden, stärkt euch durch Vertrauen!
Laßt hinter euch das alte Mißgeschick!
Wie Wasserfluten brauset durch die Auen!
Glaubt an euch selbst, und reißet aus den Klauen
Des Galliers das Vaterland zurück.
Nur Wollen gilt's, um kräftig aufzustehen:
Ein Volk, das steh'n will, kann nicht untergehen.
Buchempfehlung
Strindbergs autobiografischer Roman beschreibt seine schwersten Jahre von 1894 bis 1896, die »Infernokrise«. Von seiner zweiten Frau, Frida Uhl, getrennt leidet der Autor in Paris unter Angstzuständen, Verfolgungswahn und hegt Selbstmordabsichten. Er unternimmt alchimistische Versuche und verfällt den mystischen Betrachtungen Emanuel Swedenborgs. Visionen und Hysterien wechseln sich ab und verwischen die Grenze zwischen Genie und Wahnsinn.
146 Seiten, 9.80 Euro