[194] Ljewin zog hohe Stiefel an und zum ersten Male nicht den Pelz, sondern einen Tuchrock und ging durch seine Wirtschaft; er schritt durch kleine Bäche hindurch, die durch ihr Glitzern im Sonnenschein die Augen blendeten, und trat dabei bald auf Eisstücke, bald in zähen Schmutz.
Der Frühling ist die Zeit der Pläne und Vorsätze. Wie der Baum im Frühling noch nicht weiß, wohin und wie sich später die jungen Triebe und Zweige ausbreiten werden, die noch in den geschwellten Knospen eingeschlossen liegen, so wußte auch Ljewin, als er auf den Hof hinaustrat, selbst noch nicht recht, an welche Unternehmungen er sich in seiner geliebten Wirtschaft jetzt heranmachen werde; aber er fühlte, daß er voll der besten Pläne und Vorsätze sei. Vor allen Dingen ging er zum Vieh. Die Kühe waren in das Gehege hinausgelassen; ihr glattes, neues Fell glänzte nur so; sie wärmten sich in der Sonne und verlangten brüllend nach der Weide. Mit Behagen musterte Ljewin die ihm bis in die kleinsten Einzelheiten bekannten Kühe und ordnete an, sie auf die Weide zu treiben und in das Gehege die Kälber hineinzulassen. Der Hirt lief fröhlich weg, um sich für den Aufbruch nach der Weide zurechtzumachen. Die Viehmägde, in aufgeschürzten Röcken, mit den bloßen,[194] noch weißen, von der Sonne noch nicht verbrannten Füßen durch den Schmutz patschend, liefen mit langen Ruten hinter den blökenden Kälbern her und trieben sie auf den Hof hinaus.
Nachdem Ljewin die ungewöhnlich gute Zuzucht dieses Jahres vergnügt betrachtet hatte – die frühen Kälber waren von der Größe einer Bauernkuh, und Pawas drei Monate altes Kalb war so groß wie die einjährigen –, ließ er ihnen einen Futtertrog herausbringen und Heu in die Raufen stecken. Aber es stellte sich heraus, daß die Raufen, die er erst im letzten Herbst für das im Winter nicht benutzte Gehege hatte anfertigen lassen, zerbrochen waren. Er schickte nach dem Zimmermann, der dem erhaltenen Auftrage gemäß die Dreschmaschine in Ordnung bringen sollte. Aber es zeigte sich, daß der Zimmermann noch mit der Ausbesserung der Eggen beschäftigt war, die doch schon in der Butterwoche hätten instand gesetzt sein sollen. Darüber war Ljewin sehr ärgerlich. Es war doch auch zu verdrießlich, daß in der Wirtschaft diese ewige Unordnung gar nicht aufhören wollte, gegen die er nun schon so viele Jahre mit aller Kraft ankämpfte. Die Raufen, die im Winter im Gehege nicht gebraucht wurden, waren, wie er nun erfuhr, in den Stall der Arbeitspferde hinübergebracht worden und dort entzweigegangen, da sie, für die Kälber bestimmt, nur leicht zusammengezimmert waren. Außerdem wurde bei diesem Anlaß klar, daß die Eggen und alle anderen Ackergeräte, die nach seiner Anordnung noch im Winter hätten nachgesehen und ausgebessert werden sollen, wozu er eigens drei Zimmerleute hatte annehmen lassen, noch nicht ausgebessert waren und das Ausbessern der Eggen erst jetzt vorgenommen wurde, wo schon geeggt werden sollte. Ljewin schickte nach dem Verwalter, ging aber dann sogleich selbst, um ihn zu suchen. Mit fröhlich strahlendem Gesichte, wie alles an diesem Tage, kam der Verwalter, in einem kurzen Schafpelz mit Lammfellbesatz, von der Tenne her; er zerknickte in den Händen einen Strohhalm.
»Warum ist der Zimmermann nicht bei der Dreschmaschine?«
»Ja, ich wollte es schon gestern melden: die Eggen müssen ausgebessert werden. Wir müssen ja schon pflügen.«
»Warum ist das nicht im Winter besorgt worden?«
»Wozu wünschen Sie denn den Zimmermann?«
»Wo sind die Raufen vom Kälberhof?«
»Ich habe veranlaßt, sie an ihren Platz zu bringen. Aber ich bitte Sie, was soll man mit solchem Volke anfangen!« erwiderte der Verwalter mit einer geringschätzigen Handbewegung.
»Nicht mit solchem Volke, sondern mit einem solchen Verwalter!« brauste Ljewin auf. »Wozu halte ich Sie mir denn[195] eigentlich?« schrie er. Aber da er sich sagte, daß damit nichts gebessert werde, brach er mitten in seiner Scheltrede ab und seufzte nur. »Nun, wie ist's? Kann gesät werden?« fragte er nach kurzem Stillschweigen.
»Hinter Turkino wird es morgen oder übermorgen möglich sein.«
»Und der Klee?«
»Ich habe Wasili und Michail hingeschickt; die säen. Ich weiß nur nicht, ob sie überall durchkommen werden; es ist noch sehr sumpfig.«
»Auf wieviel Deßjatinen?«
»Auf sechs.«
»Warum denn nicht auf allen?« rief Ljewin.
Daß der Klee nur auf sechs und nicht auf zwanzig Deßjatinen gesät wurde, das war noch ärgerlicher als alles Vorhergegangene. Der Klee gedieh sowohl nach den Lehren der Handbücher als nach seiner eigenen Erfahrung nur dann gut, wenn die Aussaat möglichst früh stattfand, beinah noch in den Schnee hinein. Aber das hatte Ljewin nie erreichen können.
»Es sind nicht genug Leute da. Ich bitte Sie, was soll man mit solchem Volke anfangen! Drei Mann sind nicht gekommen. Na, und nun ist auch Semjon ...«
»Nun, dann hätten Sie ein paar vom Stroh wegnehmen sollen.«
»Ja, das habe ich so schon getan.«
»Wo verwenden Sie denn die Leute?«
»Fünf machen Kompott (er meinte Kompost), vier schaufeln den Hafer um; hoffentlich hat er nicht gelitten, Konstantin Dmitrijewitsch.«
Ljewin glaubte ganz genau zu wissen, daß dieses ›hoffentlich hat er nicht gelitten‹ bedeutete, daß der englische Saathafer bereits verdorben sei, – es war eben wieder nicht ausgeführt worden, was er angeordnet hatte.
»Aber ich hatte doch schon in der Fastenzeit gesagt: die Ventilationsröhren ...«, rief er.
»Haben Sie keine Sorge, wir werden mit allem zur rechten Zeit fertig werden.«
Ljewin machte eine ärgerliche Handbewegung nach dem Verwalter hin, ging zum Speicher, um den Hafer zu besehen, und kehrte dann in den Pferdestall zurück. Der Hafer war noch nicht verdorben. Aber die Arbeiter schütteten ihn mit Schaufeln um, während er doch unmittelbar in das untere Stockwerk des Speichers hinabgelassen werden konnte; nachdem Ljewin dies angeordnet und zwei Arbeiter von dort weggenommen und zum Kleesäen bestimmt hatte, war auch sein Ärger über den Verwalter[196] so ziemlich geschwunden. Und der Tag war auch so schön, daß es nicht möglich war, lange zornig zu sein.
»Ignat«, rief er den Kutscher an, der mit aufgestreiften Ärmeln am Brunnen die Kutsche wusch, »sattle mir ...«
»Welches Pferd befehlen Sie?«
»Na, meinetwegen den ›Reiher‹.«
»Zu Befehl.«
Während das Pferd gesattelt wurde, rief Ljewin den Verwalter, der sich in seiner Sehweite hielt und sich dort irgend etwas zu schaffen machte, wieder heran, um sich mit ihm auszusöhnen, und begann mit ihm von den bevorstehenden Frühjahrsarbeiten und sonstigen wirtschaftlichen Plänen zu sprechen.
Mit dem Dungfahren sollte zeitig begonnen werden, damit vor der ersten Heuernte alles beendet sei. Die ferner gelegenen Felder sollten ohne jeden Zeitverlust gepflügt werden, damit sie noch als schwarze Brache liegen könnten. Alles Heu sollte nicht von den Bauern gegen Halbpart, sondern durch Arbeiter eingebracht werden.
Der Verwalter hörte aufmerksam zu und tat sich augenscheinlich Gewalt an, um die Vorschläge seines Herrn gut zu finden, aber trotzdem machte er jene hoffnungslose, gedrückte Miene, die Ljewin so gut kannte und die ihn immer verstimmte. Diese Miene sagte: ›Alles ganz schön, aber wie Gott will!‹
Durch nichts fühlte Ljewin sich schmerzlicher berührt als durch diese Haltung. Aber diese Haltung war allen Verwaltern gemeinsam, so viele er deren auch schon gehabt hatte. Alle beobachteten sie seinen Vorschlägen gegenüber das gleiche Verhalten, und darum ärgerte er sich jetzt nicht mehr darüber; aber es war ihm schmerzlich, und er fühlte sich noch mehr zum Kampfe mit dieser sozusagen elementaren Kraft angeregt, die er nicht anders nennen konnte als »wie Gott will« und die sich ihm fortwährend entgegenstellte.
»Wenn wir es dann nur schaffen, Konstantin Dmitrijewitsch!« sagte der Verwalter.
»Warum sollten wir es nicht schaffen?«
»Wir müßten unbedingt noch fünfzehn Arbeiter annehmen. Aber es kommen keine. Heute waren welche da, aber sie verlangten siebzig Rubel für den Sommer.«
Ljewin schwieg. Wieder stellte sich ihm jene Kraft entgegen. Er wußte, daß sie nicht mehr als vierzig, siebenunddreißig, achtunddreißig Arbeiter für den regelrechten Preis hatten bekommen können, soviel sie auch versucht hatten, mehr zu bekommen; vierzig hatten sie schon gehabt, aber nicht mehr. Aber trotzdem mochte er den Kampf nicht aufgeben.[197]
»Schicken Sie nach Surü, nach Tschefirowka, wenn keine kommen. Man muß eben suchen.«
»Hinschicken will ich schon«, antwortete Wasili Fedorowitsch in gedrücktem Tone, »aber auch die Pferde sind schon zu schwach geworden.«
»Wir kaufen welche hinzu. Aber ich weiß ja«, fügte er lachend hinzu, »Sie sind immer in allen Stücken für den kleinsten und schlechtesten Zuschnitt; aber dieses Jahr werde ich Sie nicht mehr alles nach Ihrem Kopf machen lassen. Ich werde alles selbst machen.«
»Ja, Sie gönnen sich, wie es scheint, so schon zu wenig Schlaf. Uns kann es ja nur lieb sein, wenn uns das Auge des Herrn sieht ...«
»Also jenseits des Birkentales wird Klee gesät? Ich will mal hinreiten und es mir ansehen«, sagte er und stieg auf den kleinen falben »Reiher«, den der Kutscher herbeigeführt hatte.
»Durch den Bach kommen Sie nicht durch, Konstantin Dmitrijewitsch«, rief der Kutscher ihm nach.
»Na, dann reite ich durch den Wald.«
Und in dem munteren Trabe des braven, vom Stehen im Stall etwas steif gewordenen Pferdchens, das, wo es über Pfützen hinüber mußte, schnob und den Zügel verlangte, ritt Ljewin durch den Schmutz des Hofes, aus dem Torweg hinaus und aufs Feld.
War er schon auf dem Viehhof vergnügt gewesen, so wurde ihm auf dem Felde noch fröhlicher zumute. Von dem Trabe des tüchtigen Gaules gleichmäßig geschaukelt und die laue, noch von erfrischendem Schneegeruch erfüllte Luft in vollen Zügen einatmend, ritt er durch den Wald über den hier und da noch übrig gebliebenen, lockeren, zusammengeschmolzenen Schnee mit den verschwommenen Rad-und Fußspuren und freute sich über jeden zu seinem Besitztum gehörenden Baum mit dem auf der Rinde wieder auflebenden Moose und den schwellenden Knospen. Als er aus dem Walde hinausritt, breiteten sich vor ihm in gewaltiger Ausdehnung wie ein gleichmäßiger Samtteppich die mit Winterfrucht bestellten Felder aus, ohne eine einzige kahle oder versumpfte Stelle, nur hier und da in den Vertiefungen mit Resten schmelzenden Schnees gesprenkelt. Er ärgerte sich weder über den Anblick zweier Bauernpferde, einer Stute und eines Hengstfohlens, die seine Wintersaat zerstampften (er befahl einem Bauern, dem er begegnete, sie wegzujagen), noch über die dumme, spöttische Antwort des Bauern Ipat, den er getroffen und gefragt hatte: »Nun, Ipat, müssen wir nicht[198] bald säen?« »Vorher müssen wir pflügen, Konstantin Dmitrijewitsch«, hatte ihm Ipat geantwortet. Je weiter er ritt, um so fröhlicher wurde ihm zumute, und allerlei landwirtschaftliche Pläne entstanden in seinem Kopfe, einer immer besser als der andere: an allen Feldern Einfassungen von Weidengebüsch herzustellen, in südlicher Richtung, damit der Schnee darunter nicht zu lange liegenbleibe, das gesamte Land in sechs zu düngende Felder und in drei Reservefelder mit Futterbau einzuteilen, einen Viehhof am äußersten Ende der Feldflur anzulegen und einen Teich zu graben und des Düngens wegen bewegliche Zäune für das Vieh herzustellen. Und dann wollte er dreihundert Deßjatinen mit Weizen, hundert mit Kartoffeln und hundertfünfzig mit Klee bestellen, und keine einzige Deßjatine läge brach.
Unter solchen Träumereien gelangte er, während er sorgsam sein Pferd auf den Rainen entlanggehen ließ, um nicht seine Wintersaat zu zerstampfen, zu den Arbeitern, die Klee säen sollten. Der Wagen mit dem Samen stand nicht auf dem Rain, sondern auf einem Acker, und der Winterweizen war durch die Räder zerfahren und durch die Pferdehufe zerwühlt. Die beiden Arbeiter saßen auf dem Raine und rauchten, wahrscheinlich beide aus derselben Pfeife. Die mit dem Samen vermischte Erde auf dem Wagen war nicht zerkleinert, sondern hatte sich entweder infolge langen Liegens oder infolge des Frostes zu festen Klumpen zusammengeballt. Als die beiden ihren Herrn erblickten, ging der Arbeiter Wasili zum Wagen hin, und Michail machte sich an das Säen. Das Verhalten der beiden Leute war zwar nicht löblich, aber über die Arbeiter wurde Ljewin nur selten zornig. Als Wasili herankam, befahl ihm Ljewin, das Pferd und den Wagen auf den Rain zu führen.
»Das tut nichts, gnädiger Herr«, erwiderte Wasili. »Das wächst wieder zu.«
»Bitte, rede nicht erst, sondern tu, was dir gesagt wird«, entgegnete Ljewin.
»Zu Befehl«, antwortete Wasili und faßte das Pferd am Kopfe. »Aber die Kleesaat, Konstantin Dmitrijewitsch«, sagte er, um sich bei diesem wieder in Gunst zu setzen, »die Kleesaat ist diesmal allerbeste Sorte. Nur das Gehen auf dem Acker ist noch schauderhaft! Ein Pud Ackerboden schleppt man an jedem Schuh mit.«
»Warum ist denn euere Erde nicht gesiebt?« fragte Ljewin.
»Ach, wir zerdrücken sie«, antwortete Wasili, nahm einen Klumpen mit Samen vermischter Erde und zerrieb ihn zwischen den Handflächen.[199]
Wasili konnte ja nichts dafür, daß man ihm ungesiebte Erde auf den Wagen geschüttet hatte, aber ärgerlich blieb die Sache darum doch.
Ljewin hatte schon öfters mit gutem Erfolg ein ihm bekanntes Mittel angewandt, um seinen Ärger zu unterdrücken und alles, was ihm schlecht erschien, wieder gut erscheinen zu lassen, und dieses Mittels bediente er sich auch jetzt. Er sah ein Weilchen zu, wie Michail dahinschritt, gewaltige Erdklumpen mit sich schleppend, die ihm an jedem Fuße klebten; dann stieg er vom Pferde, nahm Wasili den Saatkorb ab und machte sich selbst daran, zu säen.
»Wo hast du aufgehört?«
Wasili zeigte auf ein mit dem Fuß gemachtes Merkzeichen, und Ljewin ging und streute die mit Samen vermischte Erde aus, so gut er es verstand. Es ging sich mühsam wie in einem Sumpfe, und als Ljewin eine Furche abgeschritten hatte, war er stark in Schweiß geraten; er blieb stehen und gab den Saatkorb wieder ab.
»Na, gnädiger Herr, aber wegen dieser Furche dürfen Sie mich im Sommer nicht schelten«, sagte Wasili.
»Wieso?« fragte Ljewin ganz vergnügt; er spürte schon die Wirkung des angewandten Mittels.
»Sehen Sie sie nur im Sommer an. Sie wird abstechen. Sehen Sie sich nur mal an, wo ich im vorigen Frühjahr gesät habe. Wie gleichmäßig habe ich es verteilt! Ich gebe mir ja für Sie Mühe, Konstantin Dmitrijewitsch, wie wenn Sie mein leiblicher Vater wären. Es widersteht mir selbst, schlecht zu arbeiten, und ich sage auch immer den anderen, sie sollen das nicht tun. Wenn's dem Herrn gut geht, dann geht es auch uns gut. Wenn man dahin blickt«, sagte Wasili und wies dabei nach dem Felde, »dann lacht einem das Herz.«
»Ja, es ist ein schönes Frühjahr, Wasili.«
»So ein Frühling, – die ältesten Leute können sich auf so einen nicht besinnen. Ich war neulich zu Hause, da hat unser Alter auch drei Osminnik Weizen gesät. Aber der ist von Roggen nicht zu unterscheiden.«
»Habt ihr schon lange angefangen, Weizen zu säen?«
»Sie haben es uns ja im vorvorigen Sommer gelehrt; Sie haben mir zwei Maß Weizen geschenkt. Ein Viertel davon haben wir verkauft, und drei Osminnik haben wir gesät.«
»Na, gib also recht acht und zerreibe die Klumpen ordentlich!« sagte Ljewin und ging wieder zu seinem Pferde. »Und paß auch auf Michail auf! Wenn die Saat gut kommt, sollst du für jede Deßjatine fünfzig Kopeken haben.«[200]
»Danke ergebenst! Wir können ja auch so schon mit Ihnen sehr zufrieden sein, möchte ich meinen.«
Ljewin stieg aufs Pferd und ritt auf das Feld, wo der vorjährige Klee stand, und auf das, das mit dem Pfluge für den Sommerweizen bereitgemacht war.
Der Klee auf dem Stoppelfelde war sehr gut herausgekommen. Er war schon ganz aufgelebt und zeigte ein kräftiges Grün zwischen den zerknickten vorjährigen Weizenstengeln. Das Pferd sank bei jedem Tritte bis an die Fesseln ein, und jeder seiner Füße schmatzte, wenn er aus der halb aufgetauten Erde herausgezogen wurde. Auf dem gepflügten Acker war es überhaupt nicht möglich, zu reiten; der Boden trug nur da, wo noch etwas Eis lag; aber in den aufgetauten Furchen versank der Fuß des Pferdes bis über die Fesseln. Das Ackerfeld sah vorzüglich aus; Ljewin sagte sich, in zwei Tagen werde geeggt und gesät werden können. Alles war schön, alles war heiter. Zurück beabsichtigte Ljewin durch den Bach zu reiten, da er hoffte, das Wasser werde schon so weit gefallen sein. Und in der Tat konnte er hindurchreiten und scheuchte dabei zwei Enten auf. ›Da müßten ja auch die Waldschnepfen schon da sein‹, dachte er, und wie gerufen, begegnete ihm an einer Wendung des Weges nicht mehr weit vom Hause der Waldhüter, der seine Vermutung über die Waldschnepfen bestätigte.
Ljewin ritt im Trabe nach Hause, um schnell zu Mittag zu essen und sein Gewehr für den Abend instand zu setzen.
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Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Michael Holzinger hat für den zweiten Band sieben weitere Meistererzählungen ausgewählt.
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