Zwei Erschlagene

(Liebknecht und Rosa Luxemburg)

[41] Der Garde-Kavallerie-Schützen-Division zu Berlin in Liebe und Verehrung


Märtyrer . . . ? Nein.

Aber Pöbelsbeute.

Sie wagtens. Wie selten ist das heute.

Sie packten zu, und sie setzten sich ein:

sie wollten nicht nur Theoretiker sein.


Er: ein Wirrkopf von mittleren Maßen,

er suchte das Menschenheil in den Straßen.

Armer Kerl: es liegt nicht da.

Er tat das Seine, wie er es sah.

Er wollte die Unterdrückten heben,

er wollte für sie ein menschliches Leben.

Sie haben den Idealisten betrogen,

den Meergott verschlangen die eigenen Wogen.

Sie knackten die Kassen, der Aufruhr tollt –

Armer Kerl, hast du das gewollt?


Sie: der Mann von den zwei beiden.

Ein Leben voll Hatz und Gefängnisleiden.

Hohn und Spott und schwarz-weiße Schikane

und dennoch treu der Fahne, der Fahne!

Und immer wieder: Haft und Gefängnis

und Spitzeljagd und Landratsbedrängnis.

Und immer wieder: Gefängnis und Haft –

Sie hatte die stärkste Manneskraft.[41]


Die Parze des Rinnsteins zerschnitt die Fäden.

Da liegen die beiden am Hotel Eden.

Bestellte Arbeit? Die Bourgeoisie?

So tatkräftig war die gute doch nie . . .

Wehrlos wurden zwei Menschen erschlagen.


Und es kreischen Geier die Totenklagen:

Gott sei Dank! Vorbei ist die Not!

»Man schlug«, schreibt einer, »die Galizierin tot.«

Wir atmen auf! Hurra Bourgeoisie!

Jetzt spiele dein Spielchen ohne die!


Nicht ohne! Man kann die Körper zerschneiden.

Aber das eine bleibt von den beiden:


Wie man sich selber die Treue hält,

wie man gegen eine feindliche Welt

mit reinem Schilde streiten kann,

das vergißt den beiden kein ehrlicher Mann!


Wir sind, weiß Gott, keine Spartakiden.

Ehre zwei Kämpfern!

Sie ruhen in Frieden!


  • · Kaspar Hauser
    Die Weltbühne, 23.01.1919, Nr. 4, S. 97, wieder in: Fromme Gesänge.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 2, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 41-42.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Wieland, Christoph Martin

Musarion. Ein Gedicht in drei Buechern

Musarion. Ein Gedicht in drei Buechern

Nachdem Musarion sich mit ihrem Freund Phanias gestrittet hat, flüchtet sich dieser in sinnenfeindliche Meditation und hängt zwei radikalen philosophischen Lehrern an. Musarion provoziert eine Diskussion zwischen den Philosophen, die in einer Prügelei mündet und Phanias erkennen lässt, dass die beiden »nicht ganz so weise als ihr System sind.«

52 Seiten, 4.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon