Der Namensfimmel

[326] Ein Theaterzettel von heute sieht komisch aus. Früher stand da: Regie: Franz Durchfaller. Heute haben wir:

Spielwart – Regie – Künstlerische Oberleitung – Entwurf und Ausführung, es muß alles angegeben werden. Daß man auch einmal anonym arbeiten kann, um der Sache willen, das wäre ja gelacht –! Der Film tobt sich in diesem falschen Individualismus noch weit mehr aus, und wenn einer ein Pissoir anstreicht, dann kleckst er bestimmt seinen Namen unten in eine Ecke; es könnte wichtig sein.

Denn weil der Handwerker mit Gewalt ein Kinschtler sein will und alle Welt auf das Niveau pfeift, jede Arbeit so zu einem gewaltigen Einzelfall steigernd, sind wir das Land, in dem ein sauber geformter Löffel ›Entwurf von Professor Bruno Paul‹ ist, und es soll mich nicht wundern, wenn nächstens ein Esel, einen Klacks gemacht habend, iat: ›Entwurf Lucian Bernhard‹. Das muß wohl so sein.

Wir Schreiber sind die Dummen. Da setzen wir einfach unsern Namen unter unsre Arbeit – einen einzigen, kümmerlichen Namen. Ich schlage vor, in Zukunft folgendermaßen zu verfahren:


›Der Namensfimmel‹

von Ignaz Wrobel

Interpunktion: Thomas Mann

Fremdwörter: Hans Reimann

Druckfehler: Reinhold Wulle

Künstlerische Oberleitung: S. J.


»Reklame muß sind!« sagte der Einbrecher – da hinterließ er etwas am Tatort.


  • [326] · Ignaz Wrobel
    Die Weltbühne, 19.01.1926, Nr. 3, S. 114.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 4, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 326-327.
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