Olympiade

[197] Heute ist infolge von Olympia-Siegen

unsere Flagge sieben Mal hochgestiegen!

Demzufolge laßt uns brüllen:

»Hoch . . . !«

(nach Belieben auszufüllen).[197]

Da schlägt jede Nation Kobolz –

worauf sind die eigentlich stolz?


Wenn Herr Körnig erster Mann wird,

haben sie gesiegt.

Wenn er nur als Zweiter anschwirrt,

haben sie gesiegt.

Wird er Dritter, wird er Vierter,

haben sie gesiegt.


Wird er aber Letztchargierter,

haben sie auch gesiegt.

Ob sie vorne oder hinten liegen,

sie tun egalweg nur siegen.

Und damit es jeden mal ereilt,

wird der Stolz hübsch sauber aufgeteilt:


Läuft ein Mann aus Japan durch das Ziel,

schrein die Japaner.

Siegt ein USA-Mann in dem Spiel,

brüllen die Amerikaner.

Siegt ein Fechter von den Herrn Faschisten,

steigt ein brausender Chor;

siegt ein Jude, nehmen die Zionisten

eine doppelte Beschneidung vor.

So läßt jeder von den bunten Gruppen

seinen höchst privaten Vogel huppen.


Sagt mal, habt ihr Nurmis Beine?

Seid ihr stolz auf Peltzern seine?

Seid ihr stolz auf das, was andere tun?


Lassen wir die Stadion-Helden ruhn.


Denn dies amsterdamer Treiben, wie ich meine,

ist das Spaßvergnügen aufgeregter Skatvereine.


  • · Theobald Tiger
    Die Weltbühne, 21.08.1928, Nr. 34, S. 280.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 6, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 197-198.
Lizenz:
Kategorien: