Nola


[341] oder: Fotomontage des Lebens


Electrola EG 765


Die schwarzen Platten tragen die Erinnerungen

und saugen auf, was sie mit uns erlebt . . .

»Nola – «

haben die Männerchen gesungen

»Nola – I love you – «

die Membrane bebt . . .

Holznadel. Von vorn.[341]

Und im Gesange schwebt heran

ein früher Tag im Herbst, mit allem Drum und Dran:


Das dicke Lottchen

mit einem Wickel um den Hals –

die ›Nola‹ tönt – ich liege auf dem Bauch

und lese, während alle Pulse klopfen,

den neusten, dümmsten Kriminalroman:

›Die vier Verräter‹. Der Premierminister

von England wird mit Mord und Tod bedroht,

wenn er . . .

Ja, gurgele nur mit Kali –


»Nola

A girl like you –«


die Polizei ist fieberhaft im Schwung,

die viere graben einen schwer geheimen Gang –

Manfred verrät. Verrät er? Oder nicht?


»Nola –«


Nun wird der Abendhimmel sanft und blau –

das Lottchen ist mit Wonne krank und lieb und freundlich,

ich trage ihr Kamillentee ans Bett –


»a girl like you –«


und stürze mich von neuem in den Keller,

wo Manfred gräbt. Das Attentat gelingt!

Tot wird der Chef in seinem Kabinett gefunden,

das Lottchen liest das Thermometer ab,

und das geht nach –

verhallend: »Nola – «


Da ist Paris. Herr Tiger haben wohl geschlafen?

Platten bewahren alle Ströme auf, die sie jemals trafen –

Die hellen Herbstesnächte sind entflohn . . .

Erinnerung, du süßes Grammophon –!


  • [342] · Theobald Tiger
    Die Weltbühne, 11.12.1928, Nr. 50, S. 887.

Quelle:
Kurt Tucholsky: Gesammelte Werke in zehn Bänden. Band 6, Reinbek bei Hamburg 1975, S. 341-343.
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