Erster Auftritt.

[31] Eine waldichte Aue am Ufer der Donau nahe an Voheburg.

Agnes. Frauen. Spazierend. Morgenröte.


AGNES bleibt gedankenvoll am Ufer stehen. Strömet, strömet fort, stille Wogen der Donau! – strömet hin zum glücklichen Regensburg, wo mein Geliebter ist. – Ihr zeigt mir mein Bild? wälzt es fort mit euch? und wenn Albrecht an eurem Ufer kämpfet, zeigt es ihm wieder, und die Thräne, die im Auge mir zittert, von seiner Agnes Sehnsucht geweint – Liebe! Liebe! gieb mir meine Ruhe wieder, wie als ich Albrechten noch nicht gesehen hatte; als in sorgloser Unschuld, unbewußt meines Herzens, stille meine Tage einer auf den andern flossen wie diese kleinen Wogen – Gieb sie mir wieder, oder meines Albrechts Umarmung! – Ah! seit ich ihn sah, seit ich ihn sprach, seit er mir sagte: »Agnes! ich liebe dich«, seitdem leb' ich nur für ihn – durch ihn – kann mich nicht denken ohne ihn: Liebe! gieb mir ihn wieder! – – Ich war ja zufrieden mit meinem Stande; ich wollte ja nicht lieben; ich wäre ja nie unglücklich gewesen an meines Vaters Seite; mußt' ich ihn sehen, den Herzog? – Ja, ich mußte, ich sollte: nur mein Albrecht konnte ausfüllen das Leere meines Herzens; nur er war's, bei dem das sehnende Klopfen des jungen Busens stockte: er war des Mädchens Mann – und ich sein Mädchen. – Nun hab' ich ihn ja! halte ihn fest! Gott schlung die heiligen Bande um uns! – O, sie sollen Rosenketten werden, Albrecht! – Was klag' ich? warum wein' ich? Was soll die ängstliche Beklemmung? – der leise Frost, der über die Glieder hinschaudert? – das Beben, als wär' ich eine Verbrecherin! – Verbrecherin? – Gott? du weißt es, was ich litte! dir sagt' ich's ja damals, wie hinreißende Liebe mit jungfräulicher Tugend kämpfte; dir sagt' ich's: töte mich, Allmächtiger! töte, oder gieb du mich dem Manne, den ich lieben, anbeten muß; oder nie gesehen haben sollte! – Verbrecherin? – du schufst mich ja? du webtest in mein Innerstes das, was mich in Albrechts Arme warf? – Du machtest ihn zum Sohn eines großen Fürsten, mich zur armen Bürgerstochter. – Ich bin auch ein Mensch! du bist's[31] auch, Albrecht! ich bin unschuldig an deiner Würde. – – Sollt' ich's jemals büßen, dich geliebt zu haben, weil du auch Herzog bist? Ich, die ich vor dem Herzoge nur zittere, nur Albrechten liebe? – Stille, stille ängstliches Herz; poche nicht so. Er liebt mich ja; er ist mein Gemahl; er kömmt ja wieder; kömmt wieder! – – Noch nicht stille, Herz? immer ängstlicher? bänger? – Ach! Liebe? ist das, das dein Lohn?


Quelle:
Das Drama der klassischen Periode. Herausgegeben von Dr. Adolf Hauffen, Band 1, Stuttgart [o.J.], S. 31-32.
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