|
[28] Das Schiff geht vor drei Uhr Nachmittags nicht ab. Diejenigen meiner Reisegefährten, die über das Caspische Meer weiter wollen, beeilen sich, nach dem Hafen zu kommen. Es ist auch nicht unwichtig, eine Cabine zu erhalten oder einen Platz in den Salons des Packetbootes zu belegen.
Fulk Ephrjuell hat mich spornstreichs verlassen mit den kurz hervorgestoßenen Worten:
»Ich habe keinen Augenblick zu verlieren! Ich muß die Ueberführung meines Gepäcks überwachen ....
– Haben Sie davon so viel? ...
– Zweiundvierzig Kisten.
– Zweiundvierzig Kisten! rief ich verwundert.
– O, ich bedaure, nicht die doppelte Zahl bei mir zu führen. Sie erlauben ... nicht wahr? ...«[28]
Und wenn er eine Ueberfahrt von acht Tagen statt hier von vierundzwanzig Stunden zu machen, wenn er das Atlantische Meer statt des Caspischen zu überschreiten gehabt hätte, mehr hätte sich der Mann auch nicht beeilen können.
Der Yankee hat, so wahr ich lebe, nicht einmal daran gedacht, unserer Reisegefährtin die Hand zu reichen, um ihr aussteigen zu helfen. Ich trete an seine Stelle. Die Reisende stützt sich auf meinen Arm und hüpft ... nein, setzt langsam den Fuß auf die Erde. Als ganze Belohnung erhielt ich ein »thank you, Sir«, das sie mit trockner, echt britannischer Stimme hervorbringt.
Thackeray hat einmal gesagt, eine wohlerzogene englische Dame sei das vollendetste Geschöpf des Herrn auf dieser Erde. Mich verlangt nun, diese galante Behauptung bezüglich meiner Reisegenossin zu bestätigen. Sie hat ihr Jaquet wieder angelegt. Ist es eine junge Frau oder ein altes Mädchen? Bei diesen Engländerinnen weiß man nicht, woran man ist. Sie scheint fünfundzwanzig Jahre zu zählen, hat den Teint Albions, einen tüchtigen Schritt, ein Kleid, das sich wie die steigende Fluth aufbauscht, und keine Brille, trotz ihrer wasserblauen, scheinbar kurzsichtigen Augen. Während ich mich vorbeugend den Rücken krümme, beehrt sie mich mit einem Gruße mit dem Kopfe, der kaum die Wirbel ihres langen Halses in Anspruch nimmt, und geht entschlossen nach der Ausgangsthür zu.
Höchst wahrscheinlich treffe ich diese Persönlichkeit an Bord des Dampfschiffes wieder. Ich selbst denke nach dem Hafen erst in der Abfahrtsstunde hinunterzugehen. Ich bin in Baku, habe einen halben Tag vor mir, Baku zu besuchen, und ich mag keine Stunde verlieren, da mich der Zufall nach Baku geworfen hat.
Es ist ja möglich, daß dieser Name die Neugier des Lesers keineswegs erweckt. Vielleicht entzündet es aber seine Einbildung, wenn ich hinzufüge, daß Baku die Stadt der Guebren, der Sitz der Parsis, die Metropole der Feueranbeter ist.
Mit einem dreifachen Band von schwärzlichen, mit Zinnen versehenen Mauern umgeben, ist diese Stadt nahe dem Cap Apcheron, an den letzten Ausläufern der Kaukasuskette erbaut. Doch wie! Bin ich in Persien oder in Rußland? – Natürlich in Rußland, da Georgien eine moskowitische Provinz ist; man könnte sich aber recht gut einbilden, in Persien zu sein, da Baku seine persische Physiognomie so vollständig bewahrt hat. Ich besuche hier einen[29] Palast der Khans, ein reines Erzeugniß der Baukunst aus der Zeit Schamir's und der Scheherazade, »der Tochter des Mondes«, seiner geistvollen Erzählerin, einen Palast, dessen seine Sculpturen noch so frisch erscheinen, als hätte sie der letzte Meißelschlag eben erst vollendet. Weiterhin erheben sich die schlanken Minarete, nicht jene bauchigen Dächer des heiligen Moskau, an den Ecken einer alten Moschee, die man betreten darf, ohne die Stiefeln auszuziehen; der Muezzin sandte freilich nicht mehr die wohltönenden Koranverse zur Stunde des Gebets über die Umgebung hinaus. Baku besitzt übrigens Quartiere, die nach Sitte und Aussehen völlig russisch sind, mit Häusern aus Holz und ohne jede orientalische Färbung, einen großartigen, jeder Hauptstadt Europas oder Amerikas würdigen Bahnhof und am Ende seiner Straßen einen modernen Hafen, dessen Atmosphäre von dem aus den Dampfbooten aufwirbelnden Kohlenwolken verdüstert ist.
Man fragt sich wirklich, was die Steinkohle hier in der Stadt der Naphta zu thun hat. Wozu ist dieses Brennmaterial nöthig, da der dürre, nackte Erdboden des Cap Apcheron, auf dem nur pontischer Wermuth gedeiht, so reich an Mineralöl ist? Um achtunddreißig Mark für hundert Kilo liefert er weiße oder dunkle Naphta, die durch den ausgebreitetsten Gebrauch doch in absehbarer Zeit nicht erschöpft wird.
In der That eine wunderbare Erscheinung! Bedürfen Sie auf der Stelle einen Apparat zum Leuchten oder zum Erwärmen? Höchst einfach; bohren Sie ein Loch in den Erdboden, daraus quillt Gas hervor, und das zünden Sie an. Das ist ein natürlicher Gasometer, den sich auch der ärmste Geldbeutel leisten kann.
Gern hätt' ich das berühmte Heiligthum von Atesch-Gah besucht; das liegt aber zweiundzwanzig Werst von der Stadt entfernt, und dazu fehlt es mir an Zeit. Dort brennt, seit Jahrhunderten von aus Indien gekommenen Parsipriestern genährt, das ewige Feuer. Diese Priester enthalten sich jeder thierischen Nahrung. In anderen Ländern würde man die bescheidenen Vegetarianer einfach »Grasfresser« nennen.
Dieses Wort erinnert mich daran, noch nicht gefrühstückt zu haben, und da es ein Uhr schlägt, begebe ich mich nach dem Restaurant des Bahnhofs, natürlich mit dem Vorsatz, nicht der Nahrungsweise der Parsis von Atesch-Gah zu huldigen.
Bei meinem Eintritt in den Saal, stürmte Fulk Ephrjuell eben hinaus.
»Nun, kein Frühstück? fragte ich.[30]
– Bereits abgethan, antwortet er mir.
– Und Ihre Colli? ...
– Noch neunundzwanzig nach dem Dampfer zu schaffen .... Doch, Verzeihung ... ich habe keinen Augenblick zu verlieren. Wenn man das Haus Strong Bulbul and Co. vertritt, das wöchentlich fünftausend Kisten seiner Erzeugnisse fortschickt ...
– Gehen Sie, gehen Sie, Herr Ephrjuell, wir treffen uns an Bord ja wieder. Doch halt, haben Sie denn unsere Reisegefährtin wieder gesehen?
– Welche Reisegefährtin?
– Die junge Dame, die meinen Platz im Coupé eingenommen hatte ...
– Was ... mit uns ist eine junge Dame gefahren?
– Gewiß.
– Davon hör' ich durch Sie, Herr Bombarnae, das erste Wort!«
Damit eilt der Amerikaner durch die Thür und verschwindet. Hoffentlich erfahre ich noch vor der Ankunft in Peking, was die Firma Strong Bulbul and Co. in New-York eigentlich fabriciert. Fünftausend Kisten in der Woche .... Welche Leistungsfähigkeit und welcher Umsatz!
Nach schneller Erledigung des Frühstücks ziehe ich wieder ins Feld. Bei meiner Promenade hab' ich Gelegenheit einige prächtige Lesghier zu bewundern die mit der mattgrauen Tscherkesse und den Pistolenhaltern daran in lebhaft rothem seidnen Bechmet einherschreiten. Sie tragen silbergestickte Gamaschen und niedrige Schuhe ohne Absätze, den Schaska und den Kandjiar im Gürtel – kurz, wandelnde Arsenale, so wie es wandelnde Orchester giebt, doch von stolzer Erscheinung, Leute, die im Gefolge des russischen Kaisers sicherlich eine herrliche Wirkung hervorbringen müssen.
Schon ist die zweite Nachmittagsstunde herangekommen und ich muß daran denken, mich nach dem Landungsplatze zu begeben. Dabei führt mich der Weg über den Bahnhof zurück, weil ich hier meinen leichten Handkoffer zur Aufbewahrung gegeben habe.
So schreite ich mit dem wenigen Gepäck in der einen und dem Stock in der andern Hand dahin und biege in eine nach dem Hafen führende Straße ein.
Am Ende eines freien Platzes und nahe der Stelle, wo die Stadtmauer unterbrochen ist, um Zugang nach dem Quai zu bieten, ziehen zwei andere Personen, die nebeneinander denselben Weg einhalten, ich weiß nicht recht warum, meine Aufmerksamkeit auf sich. Ich halte die Leute im Reisecostüm für ein Ehepaar.[31]
Der Mann mag fünfunddreißig, die Frau fünfundzwanzig bis dreißig Jahre alt sein – der Mann mit braunem, schon etwas grau schillerndem Haar und lebhaften Augen, geht, sich in den Hüften wiegend, leichten Schrittes dahin – die Frau eine recht hübsche Blondine, mit blauen Augen, etwas verblaßtem Teint, das lockige Haar unter dem Hut hervorquellend, trägt einen Reiseanzug, der weder in seinem unmodernen Schnitt, noch in den schreienden Farben besonders guten Geschmack verräth. Die beiden Leutchen sind jedenfalls mit dem Zuge von Tiflis gekommen, und wenn mich mein Spürsinn nicht ganz täuscht, sind das zwei Franzosen.
Während ich sie aufmerksam betrachte, schenken sie mir doch keine große Beachtung. Sie sind viel zu beschäftigt, um mich zu bemerken. In den Händen und auf den Schultern schleppen sie Reisetaschen, Sitzkissen, Decken, Stöcke, Regen- und Sonnenschirme. Sie führen Alles mit sich, was man an kleineren Gepäckstücken nur ersinnen kann, die im Dampfer mit den Koffern und Ballen nicht verstaut werden können. Es drängt mich, ihnen meine Hilfe anzubieten. Es ist ja ein glücklicher und obendrein ein seltener Zufall, Franzosen außerhalb Frankreichs zu begegnen.
Gerade als ich auf das Paar zutreten will, erscheint Fulk Ephrjuell wieder auf der Bildfläche, zieht mich mit fort, und ich lasse die Beiden hinter mir zurück. Die Partie ist deshalb noch nicht aufgegeben. Ich werde das Ehepaar auf dem Dampfer ja wieder treffen, und dann machen wir auf der Ueberfahrt Bekanntschaft miteinander.
»Na, fragte ich den Yankee, wie steht es denn mit der Einschiffung Ihres Gepäcks? ...
– Eben ist die siebenunddreißigste Kiste auf dem Wege, Herr Bombarnac ...
– Bisher ohne Unfall?
– Ohne den geringsten.
– Und bitte, was enthalten denn Ihre vielen Kisten?
– Was sie enthalten? Ah, da kommt die siebenunddreißigste!« ruft Fulk Ephrjuell und läuft nach einem Karren, der nach dem Quai hinunterrollt.
Hier herrscht ein tolles Leben, der ganze Wirrwarr der Abfahrt und der Ankunft. Baku ist nicht nur der besuchteste, sondern auch der sicherste Hafenplatz des Caspischen Meeres. Das mehr nördlich gelegene Derbent kann nicht gegen Baku aufkommen, denn letzteres nimmt fast allein den Verkehr des Meeres[32] oder vielmehr des großen Binnensees auf, der mit dem Nachbarmeere ohne jede Verbindung ist. Selbstverständlich hat die Gründung von Uzun-Ada am gegenüberliegenden Ufer den Transit über Baku gegen früher verdoppelt. Die transcaspische Eisenbahn, die jetzt für Reisende und Güterverkehr eröffnet ist, bildet die Haupthandelsstraße von Europa nach Turkestan.
Schon in naher Zukunft berührt vielleicht eine zweite Linie die persische Grenze als Verbindungsglied der südlichen russischen mit den englisch-ostindischen Eisenbahnen – womit den Reisenden die Fahrt über das Caspische Meer[33] erspart bleibt. Und wenn dies ausgedehnte Bassin durch Verdunstung endlich ganz trocken gelegt ist, warum sollte dann ein auf seinem sandigen Grunde daherziehender Schienenweg nicht auch Bahnzügen gestatten, von Baku nach Uzun-Ada ohne Umladung der Frachten auf Schiffe zu gelangen?
In Erwartung der einstigen Erfüllung dieses frommen Wunsches, muß man vor der Hand doch ein Packetboot in Anspruch nehmen, und dazu schickte ich mich jetzt in zahlreicher Gesellschaft an.
Unser der Gesellschaft »Kaukasus und Merkur« gehöriger Dampfer heißt »Astara«. Es ist ein großes Räderschiff, das die Verbindung von einem Ufer zum andern dreimal in der Woche unterhält. Sehr breit gebaut, ist es darauf berechnet, große Waarenmengen aufzunehmen, und die betreffenden Ingenieure sind überhaupt mehr für das bequeme Unterbringen von Frachtstücken, als für das Wohlbefinden der Reisenden besorgt gewesen. Da es sich jedoch nur um eine Ueberfahrt von vierundzwanzig Stunden handelt, ist ja darüber kein Wort zu verlieren.
Lärmend liefen die Reisenden aus allen Zonen am Rande des Einschiffungsplatzes hin und her, Leute, die eben angekommen, und solche, die im Abfahren begriffen waren, die meisten freilich Einwohner von Baku selbst. Doch unter diesen befanden sich viele Turkmenen, ferner etwa zwanzig Europäer verschiedener Nationen, einige Perser und auch zwei Originaltypen aus dem Himmlischen Reiche. Diese Beiden begaben sich jedenfalls nach China.
Die »Astara« ist mit Frachtgut buchstäblich vollgepfropft. Der Schiffsraum hat dasselbe nicht ganz aufnehmen können und ein guter Theil ist auf das Deck zurückgeströmt. Dessen Hintertheil ist für Passagiere bestimmt; von der die Radkasten überspannenden Commandobrücke aus bis nach der Gallion am Vordertheil liegt aber eine große Menge von Waarenballen aufgestapelt, die alle mit getheerten Planen überdeckt sind, um sie gegen überschlagende Wogen zu schützen.
Hier ist auch das Gepäck Fulk Ephrjuell's mit untergebracht. Er hat dessen Ausschiffung mit der ganzen Energie des Yankee überwacht, immer auf Posten, nichts von seinem kostbaren Material in den gegen zwei Fuß hohen, breiten und tiefen Kisten zu verlieren.
Diese Kisten sind alle mit gefirnißtem Leder überzogen und sorgfältig umhüllt, und darauf liest man in ausgeschnittenen Buchstaben: Strong Bulbul and Co. von New-York.[34]
»Sind nun Ihre Waaren alle an Bord? frage ich den Amerikaner.
– Da trifft eben die zweiundvierzigste Kiste ein,« antwortete er mir.
Genannte Kiste befindet sich auf dem Rücken eines Lastträgers, der jedoch den Landgang der Einschiffungsstelle bereits überschritten hat. Der Träger erscheint mir etwas unsicher auf den Füßen – jedenfalls hat er sich im Wodka schon ein Gütchen gethan.
»Wait a bit!« ruft Fulk Ephrjuell.
Dann in gutem Russisch, um besser verstanden zu werden: »Achtung! ... Achtung! ...«
Zwar ein guter Rath, der aber zu spät kam. Der Träger ist gestrauchelt. Die Kiste gleitet ihm von den Schultern ... fällt hinunter ... zum Glück schon ziemlich weit auf das Deck der »Astara« hinein; sie springt entzwei, und eine große Menge kleinerer Pakete mit Papierumhüllung zerreißen und entleeren ihren Inhalt auf die Planken des Verdecks.
Da entfährt Fulk Ephrjuell ein Schrei grimmigster Entrüstung. Er versetzt dem Tölpel einen tüchtigen Faustschlag und ruft immer und immer wieder:
»Meine Zähne! ... Meine armen Zähne!«
Auf den Knieen ruscht er dann umher die kleinen Stückchen künstlichen Elfenbeins wieder einzusammeln, die längs des Laufganges zerstreut liegen, während mich eine unwiderstehliche Lust zu lachen anwandelt.
Zähne also sind es, die das Haus Strong Bulbul and Co. in New-York fabriciert! Um wöchentlich fünftausend Kisten nach den fünf Erdtheilen zu expediren, arbeitet jene mächtige Anlage! Um die Zahnärzte der Alten und der Neuen Welt zu versorgen, um China mit diesen Erzeugnissen zu beglücken, verwendet das Haus fünfzehnhundert Dampfpferdekräfte und verbrennt hundert Tonnen Kohlen täglich .... Das ist echt amerikanisch!
Die Bevölkerung der ganzen Erde soll ja vierzehnhundert Millionen betragen, und zweiunddreißig Zähne auf den Kopf gerechnet, ergiebt das einen möglichen Bedarf von nahezu fünfundvierzig Milliarden. Käme es also wirklich einmal in Frage, alle echten Zähne durch falsche zu ersetzen, so wäre das Haus Strong Bulbul and Co. nicht einmal in der Lage, dem zu entsprechen.
Doch lassen wir Fulk Ephrjuell den odontologischen Schätzen seiner zweiundvierzigsten Kiste nachlaufen. Die Schiffsglocke ertönt zum letzten Male. Alle Passagiere sind an Bord. Die »Astara« löst die Haltetaue.[35]
Plötzlich vernimmt man vom Quai her lautes Rufen. Ich erkenne es, das sind deutsche Laute .... Dieselben, die ich schon in Tiflis hörte, als sich der Zug nach Baku in Bewegung setzte.
Wahrhaftig, es ist der nämliche Reisende. Er ist außer Athem und läuft, was er kann. Die Landungsbrücke ist schon weggezogen und der Dampfer schiebt sich langsam von der Mauer ab. Wie wird dieser Nachzügler noch an Bord gelangen?
Glücklicherweise hält ein am Hintertheile der »Astara« befestigtes Tau diese noch zum Theil nahe der Quaimauer. Der Deutsche erscheint, während zwei Matrosen die Anlegeballons handhaben. Sie reichen ihm die Hand und helfen dem Manne nach dem Verdeck ....
Der ist das Zuspätkommen entschieden gewöhnt, und ich bin begierig, ob er sein Ziel überhaupt erreichen wird.
Inzwischen hat sich die »Astara« gedreht; die mächtigen Schaufelräder peitschen das Wasser und das Schiff gelangt bald in freies Fahrwasser.
Etwa vierhundert Meter vor dem Hafen verräth eine brodelnde Stelle, daß hier die Wasserfläche von unten her in Bewegung gesetzt wird. Ich befinde mich an der Reling des Backbords auf dem Hinterdeck, und, die Cigarre im Mund, seh' ich den Hafen noch hinter der Spitze des Cap Apcheron verschwinden, während die Kette des Kaukasus den östlichen Horizont begrenzt.
Von der Cigarre hielt ich nur noch ein Restchen zwischen den Lippen, und nachdem ich noch einmal daran gezogen, warf ich den Stummel über Bord.
Sofort lodern um den Rumpf des Schiffes helle Flammen auf. Jene Wasserbewegung rührte von einer unterseeischen Naphtaquelle her, und mein Cigarrenrest genügte zur Entzündung des Oeles.
Einige Passagiere schrien laut auf. Die »Astara« gleitet durch die züngelnden Flammen, doch eine Bewegung des Steuers genügt, sie aus dem gefährlichen Bereich derselben zu bringen, und sehr bald ist alle Gefahr vorüber.
Der nach dem Hinterdeck kommende Capitän begnügt sich, mir trockenen Ton es zu sagen:
»Das war unvorsichtig von Ihnen, was Sie da gethan haben!«
Ich antworte ihm, wie man unter solchen Verhältnissen gewöhnlich zu antworten pflegt:
»Wahrhaftig, Herr Capitän, ich wußte nicht ...
– Ach was, man muß immer wissen!«[36]
Diese Worte erklangen schnarrenden Tones einige Schritte entfernt von mir.
Ich drehe mich um.
Die junge Engländerin ist es, die mir diese Lection ertheilt hat.
Buchempfehlung
Hume hielt diesen Text für die einzig adäquate Darstellung seiner theoretischen Philosophie.
122 Seiten, 6.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Michael Holzinger hat sechs eindrucksvolle Erzählungen von wütenden, jungen Männern des 18. Jahrhunderts ausgewählt.
468 Seiten, 19.80 Euro