Zehntes Capitel.
Bootfahrt auf dem Montrose. – Unfruchtbare Gegend. – Die Kiesel der Schlucht. – Die Barre. – Rückfahrt nach dem Ankerplatze der »Elisabeth«. – Flußabwärts. – Eine Dampfwolke im Südosten. – Heimkehr nach Felsenheim.

[145] Am nächsten Morgen gegen sechs Uhr ragten bei der Ebbe am Rande der Bucht einige Felsblöcke hervor, die am vorigen Abend nicht sichtbar gewesen waren. Es zeigte sich jedoch, daß die Einfahrtswege selbst bei niedrigstem Wasserstande[145] noch auf vierzig bis fünfzig Toisen Breite eine beträchtliche Tiefe hatten. Nach dem Montrose-Fluß konnte man also bei jedem Stande der Gezeiten einfahren.

Reichte der Wasserlauf dann mit einiger Tiefe nur bis etliche Lieues ins Land hinein, so ließ sich voraussehen, daß seine Mündung jedenfalls für die Anlage einer ersten Niederlassung erwählt wurde, die sich in Zukunft vielleicht zu einer wichtigen Seestadt entwickelte. Die Wassertiefe an der Ankerstelle der »Elisabeth« war selbst dicht an dem felsigen Uferrande noch so bedeutend, daß der Kiel des Fahrzeuges noch immer fünf bis sechs Fuß über dem sandigen Grunde lag.

Gegen sieben Uhr schlugen vereinzelte Wellen, die Vorläufer der Fluth, klatschend an die Steinblöcke in der Bucht, und die »Elisabeth« hätte sich sicherlich vor ihrem Anker gedreht, wenn sie nicht durch das Sorrtau am Ufer festgehalten worden wäre.

Herr Wolston und Ernst, die schon beim Morgengrauen mit dem Canot weggefahren waren, um die Lage- und Bodenverhältnisse der Bucht weiter draußen kennen zu lernen, kehrten eben jetzt zurück. Wohlgemuth auf das Verdeck hinaufspringend, fanden sie Zermatt nebst seiner Gattin und Frau Wolston nebst ihrer Tochter hier schon vor. Es fehlte also nur Jack, der in Begleitung der beiden Hunde jagen gegangen war und dessen Verweilen in der näheren Umgebung und dessen Erfolge als Jäger der Knall mehrerer Schüsse verrieth. Auch dieser stellte sich bald wieder ein und brachte in der Jagdtasche zwei Paar Rebhühner und ein halbes Dutzend Wachteln mit.

»Ich habe weder meine Zeit noch mein Pulver verschwendet, sagte er, als er seine Beute an vielfarbigem Federwild auf das Verdeck warf.

– Unsern Glückwunsch, antwortete sein Vater, doch jetzt wollen wir uns auch die eintretende Fluth nicht entgehen lassen. Wirf das Halteseil los und steige mit ein!«

Nach Ausführung dieses Auftrages sprang Jack mit seinen Hunden auf das Deck. Da der Anker aus dem Grunde schon losgerissen war, brauchte er nur noch nach dem Krahnbalken herausgezogen zu werden. Die Pinasse wurde sofort von der Strömung erfaßt und unter dem Druck einer leichten, von der See her wehenden Brise trieb sie nach der Mündung des Montrose-Flusses. Dann glitt sie, den Wind im Rücken und immer die Mitte der Wasserfläche haltend, langsam stromaufwärts.[146]

Die Entfernung von einem Ufer zum anderen betrug nicht weniger als zweihundertundfünfzig bis dreihundert Fuß, und soweit man das Flußbett übersehen konnte, schien sich diese Breite auch nicht zu vermindern.

Zur Rechten setzte sich die Steiluferwand, doch allmählich niedriger werdend, noch weiter fort, während sich der Erdboden mit kaum bemerkbarer Steigung hob. Zur Linken, und weit über das niedrige Ufer hin, schweifte der Blick über weite, von Gehölz und Buschwerk unterbrochene Ebenen hin. Die Baumgipfel zeigten bereits den der vorgeschrittenen Jahreszeit entsprechenden gelbbraunen Schimmer.

Nach halbstündiger, ziemlich schneller Fahrt erreichte die »Elisabeth« die erste Biegung des Montrose, der von hier aus unter dreißiggrädigem Winkel nach Südwesten verlief.

Jenseit dieser Ecke hatten die Ufer nur noch zehn bis zwölf Fuß Höhe, jedenfalls die der allerstärksten Fluth. Das verrieth sich durch die Linie, bis zu der fortgeschwemmte Pflanzentheile an dem gleich Bajonetten spitzigen Schilfe und Rohr hängen geblieben waren. Heute, am 19. März, erreichte aber die Aequinoctial-Springfluth ihre größte Höhe, und so konnte man aus jenen Pflanzenresten schließen, daß das Flußbett genügen mußte, sie aufzunehmen und daß das benachbarte Land von keiner Ueberfluthung bedroht wurde.

Die Pinasse glitt mit der Geschwindigkeit von drei bis vier Lieues in der Stunde dahin, so daß sie in der noch übrigen Fluthzeit noch sieben bis acht Lieues hätte zurücklegen können.

Ernst, der diese Geschwindigkeit geniessen hatte, knüpfte daran folgende Bemerkung:

»Das wäre ungefähr die Entfernung, in der sich unserer Schätzung nach die Berge im Süden erheben sollen.

– Ganz richtig, stimmte ihm Wolston zu, und wenn der Fluß bis an den Fuß der Bergkette reicht, hätte es ja keine Schwierigkeit, dahin zu gelangen. In diesem Falle brauchten wir unseren geplanten Ausflug nicht um drei bis vier Monate aufzuschieben...

– Er würde aber noch immer mehr Zeit beanspruchen, als wir heute zur Verfügung haben, meinte der ältere Zermatt. Selbst angenommen, daß der Montrose uns bis zum Fuße der Kette führte, hätten wir ja unseren Hauptzweck noch nicht erreicht, denn wir müßten ja noch deren Kamm ersteigen, was jedenfalls längere Anstrengung erfordern dürfte.[147]

– Und außer der Frage, setzte Ernst hinzu, ob der Fluß auch weiterhin die Richtung nach Südwesten beibehält, müßten wir auch noch wissen, ob er nicht irgendwo durch Stromschnellen oder andere unüberwindliche Hindernisse gesperrt ist.

– Das wird sich ja zeigen, antwortete sein Vater. Vorläufig wollen wir fahren, so weit die Fluth uns treibt; nach wenigen Stunden werden wir uns ja über alles weitere schlüssig machen können.«

Jenseit der Biegung ließen die weniger hohen Ufer eine ziemlich große Strecke der vom Montrose durchflossenen Gegend überblicken. Diese erwies sich ebenso verlassen, wie, bis auf die vorhandene Thierwelt, das übrige Land. Auch hier bewegte sich durch das Gras und durch das Schilf am Ufer Wild aller Art, wie Trappen, Auerhähne, Rebhühner und Wachteln, umher. Hätte Jack seine beiden Hunde längs der Ufer und in deren nächsten Umgebung reviren lassen, so würden sie keine hundert Schritte gemacht haben, ohne Kaninchen, Hafen, Wasserschweine und Agutis aufzujagen. In dieser Beziehung wog das Land hier die Umgebung von Falkenhorst und die der Meiereien reichlich auf, selbst das Affenvolk inbegriffen, das von Baum zu Baum hüpfte. In einiger Entfernung kamen auch mehrere Trupps Antilopen von derselben Art vorüber, wie sie schon auf der Haifischinsel eingepfercht waren. Ebenso zeigten sich, etwa eine Lieue weit nach der Bergkette zu, kleinere Herden von Büffeln, und endlich konnte man noch weiter draußen mehrfach Strauße, halb fliegend und halb laufend, vorübereilen sehen. Heute hielten sie Zermatt und seine zwei Söhne aber nicht für Araber, wie die ersten, die ihnen von der Höhe der Einsiedelei Eberfurt aus zu Gesicht gekommen waren.

Wie man es sich leicht denken kann, wurmte es Jack nicht wenig, auf das Deck der »Elisabeth« gebannt zu sein und dem Vorbeiziehen jener Vierfüßler und Vögel zusehen zu müssen, ohne sie mit einem Flintenschuß zu begrüßen. Was hätte jetzt freilich, wo man keines Proviants bedurfte, die Erlegung von Wild nützen können?

»Heute sind wir keine Jäger, hatte sein Vater ihm wiederholt zugerufen, sondern Forschungsreisende, vor allem Geographen und Hydrographen, mit der Aufgabe, diesen Theil der Neuen Schweiz näher kennen zu lernen.«

Der junge Nimrod wollte von dieser Beschränkung aber nichts wissen, sondern nahm sich vor, beim nächsten Halt der Pinasse die Umgebung mit seinen Hunden zu durchstreifen. Er wollte Geographie auf seine Weise treiben, wollte Rebhühner und Hafen aufnehmen, statt die geographische Länge und Breite gewisser Punkte[148] aufzunehmen. Letzteres war die Sache des gelehrten Ernst, den es gewiß danach verlangte, die neuen Gebietstheile im Süden des Gelobten Landes auf seiner Karte einzuzeichnen.

Von eigentlichen Raubthieren, die, wie wir wissen, in den Wäldern und auf den Ebenen am Ende der Perlenbucht und in der Nachbarschaft des Grünthales vorkamen, zeigte sich während der Fahrt an den Ufern des Montrose gar nichts. Von Löwen, Tigern, Panthern und Leoparden war hier keine Rede, dagegen hörte man wiederholt das heisere Bellen von Schakalen, der zwischen Wolf und Fuchs stehenden Abart von den Hunden, die unter der Thierwelt der Insel also wohl die Mehrzahl bildeten.

Vergessen wir hier jedoch nicht, das Vorkommen zahlreicher Wasservögel zu erwähnen, wie das von Pfeilschwänzen, gewöhnlichen Enten, Krickenten und Schnepfen, die von einem Ufer zum andern flatterten oder sich im Schilf am Rande versteckten. Solche Gelegenheiten, seiner Neigung zu fröhnen und seine Geschicklichkeit zu beweisen, konnte Jack um keinen Preis vorübergehen lassen. Er that also auch einige glückliche Schüsse, und keiner machte ihm darüber Vorwürfe, höchstens Annah, die immer um Gnade für die harmlosen Thiere bat.

»Meinetwegen harmlos, doch auch vortrefflich, wenn sie richtig gebraten sind,« gab Jack leichthin zur Antwort.

Thatsächlich konnte man sich nur beglückwünschen, die Speisekarte für das Frühstück oder das Mittagsessen um einige Pfeilschwänze und Wildenten, die Falb aus dem Wasser apportirt hatte, vervollständigt zu sehen.

Etwas nach elf Uhr erreichte die »Elisabeth« eine zweite Biegung des Flusses, der sich wieder, wie Ernst feststellte, mehr nach Westen wendete. Aus seiner Hauptrichtung ließ sich also mit hoher Wahrscheinlichkeit schließen, daß er von der jetzt noch sechs bis sieben Lieues entfernten Bergkette herabströme, von der er offenbar reichlich gespeist wurde.

»Es ist recht schade, klagte Ernst, daß die Fluth nun bald vorüber ist und wir nicht noch weiter vorwärts dringen können.

– Freilich schade, stimmte der ältere Zermatt ein, doch der Wechsel der Gezeiten ist nun einmal da und die Ebbe wird sich bald fühlbar machen. Da wir jetzt bereits den höchsten Wasserstand haben, wird die Fluthwelle auch kaum jemals über diese Biegung des Montrose hinausreichen.

– Das liegt klar auf der Hand, bestätigte Wolston. Wir hätten uns also nur zu entscheiden, ob wir an dieser Stelle liegen bleiben oder die Ebbe benützen[149] wollen, um nach der Bucht zurückzukehren, wo wir dann schon nach zwei Stunden eintreffen könnten.«

Die betreffende Stelle war wunderschön, und wohl jeder wünschte nichts mehr, als den ganzen Tag über hier zu verweilen. Das linke Ufer bildete einen Einschnitt, in den sich ein kleiner, klarer und frischer Nebenfluß ergoß. Darüber neigten sich große Bäume mit laubreichen Kronen, aus denen man das Zwitschern und den Flügelschlag von Vögeln hörte. Es war eine Gruppe mächtiger indischer Feigenbäume, die fast den Magnolien von Falkenhorst glichen. Dicht dahinter erhoben sich stämmige Eichen mit breiten, stark belaubten Aesten, die keinen Sonnenstrahl hindurchließen. Und ganz im Hintergrunde standen Goyaven und Lichterbäume längs des Rios, über den eine frische, die unteren Zweige gleich Fächern bewegende Brise herwehte.

»Wahrhaftig, sagte Frau Zermatt, das ist hier ein herrlicher Platz, wie geschaffen, darauf ein Häuschen zu bauen. Schade darum, daß er so weit von Felsenheim ab liegt!

– Jawohl, allzuweit, meine Liebe, antwortete ihr Gatte; deshalb wird aber dieser Platz, das glaube mir getrost, nicht unbenützt bleiben; man braucht ja doch nicht alles selbst zu machen. Willst Du denn unseren zukünftigen Colonisten gar nichts überlassen?

– Sie können überzeugt sein, Betsie, versicherte Frau Wolston, daß gerade dieser vom Montrose bewässerte Theil der Insel von den neuen Ansiedlern sehr gesucht sein wird.

– Inzwischen, meinte Jack, schlag' ich vor, bis zum Abend oder noch lieber bis morgen früh ruhig hier zu bleiben.

– Darüber muß bald eine Entscheidung getroffen werden, erklärte der ältere Zermatt. Vergessen wir nicht, daß uns die Ebbe binnen zwei Stunden nach der Bucht hinunterführen kann und wir morgen Abend in Felsenheim zurück sein können.

– Was denken Sie darüber, Annah? fragte Ernst.

– Ich füge mich der Entscheidung Ihres Vaters, antwortete das junge Mädchen, doch ich gestehe gern, daß die Stelle hier sehr hübsch ist und wohl für einen Nachmittag zum Verweilen einladet.

– Und außerdem, antwortete Ernst, wäre ich nicht böse, noch einige Aufnahmen machen zu können...

– Wir aber möchten nun etwas Nahrung einnehmen, rief Jack. Kommt, ich bitte Euch alle, kommt, wir wollen endlich frühstücken!«[150]

Unter allgemeiner Zustimmung wurde also beschlossen, den Nachmittag und den Abend an der Biegung des Montrose-Flusses zu bleiben. Mit der nächsten Ebbe, gegen vier Uhr des Morgens – die Nacht wurde gerade durch den Vollmond erhellt – sollte die Pinasse dann ohne jede Gefahr mit der Strömung hinabgleiten, von der Bucht aus aber, je nach dem Zustande des Meeres und der Richtung des Windes, entweder in der »Licorne«-Bai noch einmal vor Anker gehen oder das Cap im Osten umschiffen, um nach Felsenheim zu gelangen.

Die Pinasse, die mit dem Vordertheile am Fuße eines Baumes angeseilt war, drehte sich jetzt mit dem Hintertheile stromabwärts, ein Beweis, daß die Ebbe bereits eingesetzt hatte.

Frau Zermatt, Frau Wolston und Annah ließen sich leicht bestimmen, nach dem Frühstück an Ort und Stelle zurückzubleiben, während die Männer noch kürzere Ausflüge in die Umgebung unternehmen wollten, da es diesen doch wünschenswerth erschien, die Gegend hier etwas genauer kennen zu lernen. Der ältere Zermatt und Jack sollten dabei, gleichzeitig um zu jagen, einerseits längs des Nebenflusses dahin wandern, doch ohne sich von dessen Mündung zu weit zu entfernen, und anderseits sollten Wolston und Ernst mit dem Canot den Fluß noch, so weit es ausführbar wäre, doch nur so weit hinausfahren, daß sie zur Hauptmahlzeit zurück sein könnten.

Darin, daß Frau Zermatt, Frau Wolston und Annah allein zurückbleiben sollten, sah man für diese keine Gefahr, auch erhoben die Frauen dagegen keinerlei Widerspruch. Im schlimmsten Falle waren sie ja jeden Augenblick im stande, die beiden Jäger zurückzurufen, indem sie eine der beiden blind geladenen Signalkanonen der Pinasse abfeuerten. Auf Jacks Frage an das junge Mädchen, ob sie sich auch nicht fürchtete, das kleine Stück abzuschießen, versicherte diese, daß' sie vor keinem Kanonendonner erschrecke und Feuer geben werde, sobald Betsie es wünschte.

Uebrigens sollten der ältere Zermatt und sein Sohn gar nicht dazu kommen, sich von der Biegung des Flusses einigermaßen weiter zu entfernen. Unter dem wildreichen Gehölze konnte es ihnen an Gelegenheit, ihr Pulver und Blei zu verwenden, nicht fehlen, und dann mußten die Flintenschüsse an der Lagerstelle noch vernehmbar sein.

Das von Wolston und Ernst geruderte Canot fuhr in der entgegengesetzten Richtung, den Fluß hinauf, ab, während der ältere Zermatt und Jack dem Ufer[151] des vielfach gewundenen, von Norden kommenden Rios folgten. Jenseit der Biegung wendete sich der Montrose nach Südwesten. Das Boot fuhr zwischen den mit buschigem Hochwalde besetzten und fast unzugänglichen Ufern weiter. Wirr verwachsenes Gebüsch und dichtes Schilf bedeckten den aufsteigenden Rand. Es wäre kaum möglich gewesen, daran zu landen, doch das war ja auch nicht nothwendig, handelte es sich ja vor allem nur darum, die allgemeine Richtung des Wasserlaufes dadurch festzustellen, daß man diesen so weit wie möglich hinausfuhr. Bald wurde das Gesichtsfeld übrigens größer. In der Entfernung von einer halben Lieue warfen die in weniger dichtem Gehölze stehenden einzelnen Bäume einen Schatten, der infolge der fast senkrecht einfallenden Sonnenstrahlen nur einen Kreis an ihrem Fuße bildete. Weiterhin folgten einander ausgedehnte, hier und da von felsigen Anhöhen unterbrochene Ebenen, die bis zum Fuße der Bergkette zu reichen schienen.

Die so zu sagen von Licht gesättigte Oberfläche des Montrose-Flusses glänzte gleich einem Spiegel, so daß man das Schutzdach der ihn stromabwärts einfassenden Bäume recht schmerzlich vermißte. Außerdem wurde die Handhabung der Ruder in der fast glühenden Atmosphäre sehr beschwerlich. Zum Glücke war die Kraft der Strömung trotz der eingetretenen Ebbe nicht verstärkt, da die Gezeiten nur bis an die Flußbiegung heraufreichten. So hatte man also nur die gewöhnliche Stromgeschwindigkeit des in dieser Jahreszeit obendrein sehr niedrigen Wassers zu überwinden. Nach einigen Wochen mußte das schon anders ein: dann wälzten sich, nach Eintritt der Regenzeit, die Niederschläge von den Bergen durch ihren natürlichen Ablaufcanal, durch das Bett des Montrose-Flusses hin..

Trotz der Hitze arbeiteten sich Wolston und Ernst aber unverdrossen vorwärts. Zwischen den vielfach gewundenen Ufern fanden sich nahe den Stellen wo das Land etwas weiter vorsprang, sprudelnde Wasserwirbel, die sie bestens ausnützten, um ihre Kräfte zu schonen.

»Es scheint mir nicht unmöglich, sagte Wolston, daß wir den Fuß der Berge, aus denen der Montrose jedenfalls hervorbricht, zu Wasser erreichen könnten.

– Sie sind noch immer dieser Meinung, Herr Wolston? antwortete Ernst die Achseln zuckend.

– Noch immer, lieber Freund, und es ist zu wünschen, daß ich mich darin nicht täusche. Sie kennen Ihre Insel thatsächlich nicht eher, als Sie derenganze Ausdehnung vom Gipfel jener. offenbar nicht sehr hohen Berge aus noch nicht überschaut haben.

– Nun, deren Höhe schätze ich auf zwölf- bis fünfzehnhundert Fuß, Herr Wolston, und darin stimme ich allerdings mit Ihnen überein, daß man von ihrem Gipfel aus den Gesammtumfang der Neuen Schweiz werde übersehen können, wenigstens wenn diese nicht weit größer ist, als wir es annehmen. Was jenseits jener Bergkette liegen mag? – Ja, das wissen wir nicht, weil wir uns seit vollen zwölf Jahren im Gelobten Lande niemals beengt gefühlt haben.

– Das begreif' ich vollkommen, lieber Ernst, antwortete Wolston; jetzt aber haben wir ein dringliches Interesse daran, uns klar zu werden über die Ausdehnung einer Insel, die doch spätere Ansiedler aufnehmen soll...

– Das wird geschehen, Herr Wolston, sobald die schöne Jahreszeit wieder eintritt, und jedenfalls, verlassen Sie sich darauf, noch vor der Rückkehr der »Licorne«.


Wolston warf den kleinen Anker ans Land. (S. 157.)
Wolston warf den kleinen Anker ans Land. (S. 157.)

Für heute erscheint es mir rathsamer, uns auf diese mehrstündige Fahrt zu beschränken, die uns ja über die Hauptrichtung des Stromlaufes aufgeklärt hat.

– Und doch, Ernst, würde es uns bei noch einiger Ausdauer wohl möglich sein, nicht nur bis zur Bergkette vorzudringen, sondern sie auch noch zu ersteigen...

– Vorausgesetzt, daß sie nicht gar zu steil abfällt...

– O, mit einem Paar tüchtiger Beine...

– Sie hätten entschieden besser gethan, Jack an meiner Stelle mitzunehmen, sagte Ernst lächelnd. Er hätte Ihnen nicht widersprochen, ja Sie vielmehr selbst noch gedrängt, bis nach den Bergen hinauszuziehen, unbekümmert, ob er morgen oder übermorgen von da zurückkehrte, und unbekümmert durch die Unruhe, in die er durch eine solche Verzögerung alle anderen versetzte.

– Nun ja, Sie haben im Grunde recht, liebes Kind, erwiderte Wolston. Unser einmal gegebenes Versprechen müssen wir wohl halten. Nur noch eine Stunde lang weiter, dann mag unser Canot mit der Strömung wieder hinabgleiten. Immerhin werd' ich mich nicht eher beruhigen, als bis wir die Flagge Alt-Englands auf der höchsten Spitze der Neuen Schweiz aufgepflanzt haben!«

Der mit diesen Worten ausgedrückte Wunsch des Herrn Wolston kann wohl niemand überraschen. Er sprach als guter Engländer, und das gerade zu einer Zeit, wo Großbritannien seine Flotten nach allen Meeren hinaussendete,[155] um den Colonialbesitz des Reiches zu vergrößern. Er begriff aber auch, daß es empfehlenswerther sei, die eigentliche Besitzergreifung der Insel noch zu verschieben, und so bestand er nicht länger auf dem geäußerten Wunsche.

Die Fahrt ging also weiter. Immer das weitoffene, baumlose Land, das auch minder fruchtbar wurde, je weiter es sich nach Südwesten zu ausdehnte. Auf Wiesengründe folgten allmählich öde und dürre, mit Gestein übersäte Flächen. Nur vereinzelt schwebten Vögel über dem nackten Erdboden. Von den am Vormittage bemerkten Thieren, von Büffeln, Antilopen und Straußen, war nichts mehr zu entdecken. Hier gab es nur noch Rudel von Schakalen, die man zwar auch nicht sah, deren Geheul aber die Luft erfüllte, ohne ein Echo zu wecken.

»Jack ist gut berathen gewesen, uns nach dieser Seite nicht zu begleiten, bemerkte Ernst.

– Ja freilich, stimmte Wolston ein, mindestens hätte er keine Gelegenheit gehabt, einen Schuß abzugeben. Da wird er im Hochwalde, den jener Nebenfluß des Montrose durchzieht, jedenfalls besser daran gewesen sein.

– Und wir, Herr Wolston, sagte Ernst, bringen als Ergebniß unseres Ausfluges die Erkenntniß mit, daß dieser Theil der Insel dem ähnelt, der sich landeinwärts von der »Licorne«-Bai findet. Nun kann zwar niemand wissen, wie es jenseit der Bergkette aussieht, es läßt sich allem Anscheine nach aber annehmen, daß unsere Insel nur im Norden und in der Mitte, von der Perlenbucht bis zum Grünthale, wirklich fruchtbar ist.

– Jawohl; und wenn wir seiner Zeit unseren großen Ausflug unternehmen, antwortete Wolston, wird es, meine ich, das beste sein, unmittelbar nach dem Süden zu marschiren, und nicht erst den Umrissen der westlichen oder östlichen Küste nachzugehen.

– Das denk' ich auch, Herr Wolston; am meisten empfiehlt es sich offenbar, durch die Schlucht der Cluse ins Innere vorzudringen.«

Es war jetzt gegen vier Uhr. Das Canot befand sich gut zweieinhalb Lieues vom Lagerplatze entfernt, als sich stromaufwärts ein starkes Rauschen des Wassers bemerkbar machte. Rührte das von einem Bergbache her, der sich in das Bett des Montrose stürzte? War es die Folge einer Stromschnelle im Flusse selbst? Machte diesen etwa eine Felsenbarre in seinem Oberlaufe unschiffbar?...

Wolston und Ernst, die sich gerade in einem Wirbel hinter einer Landspitze befanden, waren eben im Begriff gewesen, umzukehren. Das etwas ansteigende Ufer verhinderte einen weiteren Ausblick.[156]

»Noch ein paar Ruderschläge, sagte deshalb Wolston, wir wollen nur über diese Spitze hinausfahren.

– Gewiß, stimmte Ernst ein; es ist wohl zu befürchten, daß auf dem Montrose kein Boot bis zum Fuße der Berge gelangen könne.«

Beide griffen also wieder nach den Rudern und setzten die letzten Kräfte ein, die ihnen nach vierstündiger Fahrt unter einem glühenden Himmel noch zu Gebote standen.

Der Fluß wendete sich weiter nach Südwesten und das mußte wohl seine Hauptrichtung sein. Nur wenige hundert Fuß weiter oben ließ sich sein Verlauf auf eine längere Strecke hin überblicken. Gesperrt durch eine Anhäufung von Felsblöcken, die von einem Ufer zum anderen reichte und nur schmale Spalten aufwies, stürzte das Wasser des Flusses hier in geräuschvollem, bis zwanzig Toisen stromabwärts hörbarem Falle herab.

»Da wären wir also doch aufgehalten worden, sagte Ernst, wenn wir die Absicht gehabt hätten, noch weiter zu fahren.

– Vielleicht, antwortete Wolston, wäre es aber möglich gewesen, unser Canot über diese Barre hinauf zu schaffen...

– Wenn es nichts weiter als eine Barre ist, Herr Wolston.

– Das wird sich ja zeigen, lieber Ernst, denn wir müssen darüber klar zu werden suchen. Wir wollen hier aussteigen.«

Zur Linken öffnete sich eine enge Schlucht, die, zur Zeit völlig trocken liegend, in Windungen nach dem Plateau hinaufführte. Nach einigen Wochen, wenn die Regenzeit eingesetzt hatte, diente sie gewiß als Bett einem Bergstrome, der seine schäumenden Fluthen mit denen des Montrose mischte.

Wolston warf den kleinen Anker ans Land. Dann betraten Ernst und er das Uferland, das sie in schräger Richtung nach der Barre zu hinaufstiegen.

Dieser Weg, der eine Viertelstunde erforderte, führte über Steingeröll, das durch Büschel groben Grases kaum im Sande festgehalten wurde.

Zerstreut lagen auch bräunlich gefärbte Kiesel mit stark abgerundeten Ecken umher, die etwa nußgroßen Rollsteinen des Meeresstrandes ähnelten.

Als Wolston und Ernst auf die Höhe der Barre gekommen waren, überzeugten sie sich, daß der Montrose auf eine gute halbe Liene hin nicht schiffbar war. Ueberall starrten Felsstücke aus seinem Bette empor und dazwischen brodelte das Wasser hindurch. Die Beförderung eines Bootes über Land bis ans Ende dieser Stromsperre mußte jedenfalls viele Mühe machen.[157]

Das Land erschien bis zum Fuße des Bergrückens hin völlig unfruchtbar. Um ein wenig Grün zu sehen, mußte man den Blick mehr von Nordwesten nach Norden, genau dahin, wo Grünthal lag, richten, dessen ferne Höhen auch an der Grenze des Gelobten Landes gerade noch sichtbar waren.

Voll Bedauerns, daß der Montrose in diesem Theile seines Laufes gesperrt war, blieb Wolston und Ernst nun nichts anderes übrig, als den Rückweg einzuschlagen.

Längs der Windungen der Schlucht hingehend, hob Ernst zwei oder drei jener bräunlichen Kiesel auf, die schwerer waren, als man ihrer Größe nach erwartet hätte. Zwei von den kleinen Steinen steckte er auch ein, um sie nach der Heimkehr nach Felsenheim genauer zu untersuchen.

Wolston selbst wandte dem Horizonte im Südwesten noch nicht gern den Rücken zu. Da die Sonne aber bereits herabsank, empfahl es sich, bei der ziemlich großen Entfernung vom Lagerplatze nicht länger zu zögern. Das Canot wurde also wieder bestiegen und glitt bald, von der Strömung und den Rudern getrieben, zwischen den beiden Ufern schnell hinunter.

Um sechs Uhr war die ganze Gesellschaft unter dem Schatten der grünen Eichengruppe wieder beisammen. Die von ihrem Zuge sehr befriedigten Jäger, der ältere Zermatt und Jack, hatten eine Antilope, mehrere Kaninchen, ein Aguti und verschiedene Wasservögel mitgebracht.

Der kleine Nebenfluß des Montrose bewässerte übrigens ein recht fruchtbares Stück Land, wo er zum Theile durch anbaufähige Ebenen verlief und zum Theile dichte Waldungen mit sehr verschiedenen Baumarten durchströmte. Hier war auch eine sehr wildreiche Gegend, in der heute wohl zum erstenmale der Knall eines Gewehres verhallt war.

Nach dem Berichte Zermatt's kam der Wolston's an die Reihe. Der letztere erzählte bis zur Zeit des Essens von der über zwei Lieues stromaufwärts fortgesetzten Bootsfahrt und schilderte dabei die Unfruchtbarkeit des nach Süden gelegenen Inseltheiles. Er gab ferner der Enttäuschung Ausdruck, die die unübersteigliche Sperre des Flußlaufes Ernst und ihm bereitet habe, und setzte auch hinzu, daß man, um zu der Bergkette im Südwesten zu gelangen, unbedingt einen anderen Weg als den auf dem Montrose wählen müsse.

Eine vortreffliche, von Betsie, Merry und Annah bereitete Mahlzeit wartete dann der Ausflügler. Sie wurde unter dem Schatten der Bäume am Fuße des Rio aufgetragen, dessen klares Wasser murmelnd über einem feinsandigen,[158] mit Pflanzenwuchs überstreuten Grunde dahinfloß. Der Mahlzeit wurde alle Ehre angethan, und sie dehnte sich bei anregender Unterhaltung bis gegen neun Uhr des Abends aus.

Hierauf sachte jeder seine Lagerstätte an Bord der »Elisabeth« auf, und von hier aus erschallte bald ein Concert lauten Schnarchens, das fast hätte mit dem Heulen der Schakale wetteifern können.

Schon vorher war bestimmt worden, daß die Pinasse sofort mit dem Eintritte der nächsten Ebbe, d. h. um ein Uhr nach Mitternacht, abfahren sollte, um die ganze Dauer des sinkenden Wassers ausnützen zu können. Zum Schlafen blieb also nur wenig Zeit übrig; die Passagiere sollten das aber in der folgenden Nacht nachholen, und zwar entweder bei einer Rast in der »Licorne«-Bai, oder gar schon in Felsenheim, wenn die »Elisabeth« binnen vierundzwanzig Stunden da eintraf.

Trotz der Bitten Wolston's und seiner Söhne beharrte der ältere Zermatt dabei, auf dem Verdeck zu bleiben und bis zur genannten Stunde zu wachen. Eine gewisse Vorsicht durfte ja niemals außer acht gelassen werden. Während der Nacht verlassen die Raubthiere, die sich tagsüber nicht gezeigt haben, gern ihre Schlupfwinkel, da sie der Durst nach den Wasserläufen hintreibt.

Um ein Uhr weckte der ältere Zermatt Herrn Wolston, Jack und Ernst. Eben begann das erste Plätschern der eintretenden Ebbe. Vom Lande her wehte ein leichter Wind. Die Segel wurden gehißt, in den Wind gerichtet und fest. gebunden, und von diesen und der Strömung getrieben, stieß die Pinasse vom Ufer-

Die sehr klare Nacht glänzte von dem Heere flimmernder Sterne, die wie ein Flockenhausen am Himmel zu schweben schienen. Nach Norden zu sank der noch ziemlich volle Mond langsam nach dem Horizonte hinunter.

Da der Lauf des Montrose keinerlei Hinderniß bot, brauchte man sich nur in seiner Mitte zu halten, um auf die Bucht selbst hinaus zu kommen. Nach der Einholung der Haltetaue und der richtigen Einstellung der Segel mußten schon zwei Mann zur Führung des Fahrzeuges genügen. Wolston übernahm jetzt das Steuer und Jack stellte sich am Vordertheile auf. Der ältere Zermatt und Ernst konnten also hinunter gehen, der erste, um der Ruhe zu pflegen, der zweite, um das noch einmal zu thun.

Auch das sollte indeß nicht lange dauern. Schon um vier Uhr des Morgens, als das erste Roth im Osten aufflammte, hatte die »Elisabeth« die Mündung des Montrose-Flusses und damit wieder ihren ersten Ankerplatz erreicht.[159]

Nichts hatte die nächtliche Fahrt gestört, obwohl unterwegs das Grunzen von Flußpferden vernehmbar gewesen war. Wir wissen schon aus dem Berichte Fritzens über seine Fahrt auf dem Ostflusse, daß darin das Vorkommen dieser riesigen, halb amphibischen Dickhäuter in den Wasserläufen der Insel erwähnt worden war.

Da das Wetter prächtig und die See ruhig war, beschloß man, den jetzt weiter draußen aufgesprungenen Wind sich bestens zu nutze zu machen. Der ältere Zermatt erkannte zu seiner großen Befriedigung, daß es möglich sein werde, binnen fünfzehn Stunden, also noch vor Anbruch der Nacht, in Felsenheim zu sein.

Um den kürzesten Weg einzuschlagen und unmittelbar auf das Cap im Osten zuzusteuern, entfernte sich die »Elisabeth« eine gute halbe Lieue vom Lande. Die Passagiere genossen dann einen weiteren Ueberblick über die sich nach Süden hin drei bis vier Lieues ausdehnende Küste.

Der ältere Zermatt hatte die Schoten etwas anziehen lassen, um dichter am Winde zu segeln, und die Pinasse trieb nun, mit Steuerbordhalsen, dem Cap im Osten zu.

Gleichzeitig brachte Wolston, der auf dem Vordertheile stand, sein Fernrohr vor die Augen. Erst wischte er noch einmal das Objectivglas ab und schien dann sehr aufmerksam einen bestimmten Punkt des Uferlandes zu betrachten.

Wiederholt senkte er das Fernglas und erhob es immer wieder. Alle waren verwundert über die Spannung, mit der er den Horizont im Südosten überblickte.,

Zermatt übergab das Steuer an Jack und ging selbst nach dem Vordertheile der Pinasse, um Wolston nach der Ursache dieses etwas auffälligen Verhaltens zu fragen.

»Nein, sagte da von Wolston, ich habe mich doch getäuscht...

– Getäuscht? Worin denn, lieber Wolston, erkundigte sich Zermatt, und was haben Sie denn in jener Richtung zu sehen geglaubt?

– Einen Rauch...

– Einen Rauch?« wiederholte Ernst, durch diese Antwort betroffen.

Ein solcher Rauch hätte natürlich nur von einem am Ufer aufgeschlagenen Lager herrühren können. Das ergab dann aber die beunruhigende Schlußfolgerung, daß die Insel von Eingeborenen bewohnt war, oder daß Wilde auf ihren Piroguen von der australischen Küste herübergekommen und ans Land gegangen waren, um vielleicht ins Innere der Insel vorzudringen. Welchen Gefahren waren[160] aber die Insassen von Felsenheim ausgesetzt, wenn solche Urbewohner je den Fuß auf das Gebiet des Gelobten Landes setzten!

»Wo meinten Sie den verdächtigen Rauch bemerkt zu haben? fragte der ältere Zermatt lebhaft.

– Dort, bei der letzten Spitze, die vom Ufer auf dieser Seite hinausragt.«

Wolston wies dabei nach dem äußersten, gegen drei Lieues entfernten Punkt des Landes hin, das von der bezeichneten Spitze ab nach Südwesten umbog.[161]

Der ältere Zermatt und Ernst nahmen einer nach dem anderen das Fernrohr und blickten aufmerksam nach der angegebenen Stelle hinaus.


Die Zubereitung der Speisen und das Einmachen von Conserven. (S. 168.)
Die Zubereitung der Speisen und das Einmachen von Conserven. (S. 168.)

»Ich sehe nichts, erklärte der ältere Zermatt.

– Ich auch nicht,« setzte Ernst hinzu.

Wolston beobachtete selbst noch einige Augenblicke mit gespanntester Aufmerksamkeit.

»Nein, ich kann von einem Rauche nichts erkennen, sagte er. Es wird nur ein leichter grauer Dunst gewesen sein, eine kleine, in Auflösung begriffene Wolke.«

Diese Antwort lautete ja recht günstig. Immerhin behielt der ältere Zermatt den betreffenden Punkt, so lange er überhaupt sichtbar blieb, im Auge, sah aber nichts, was ihn hätte beunruhigen können.

Unter vollen Segeln glitt die »Elisabeth« schnell über das Meer, dessen leichter Wellengang sie nicht zu behindern vermochte. Schon um ein Uhr zu Mittag schwankte sie vor der »Licorne«-Bai, die eine Lieue von Backbord liegen blieb; dann folgte sie der Küstenlinie und steuerte geraden Weges auf das Cap im Osten zu.

Dieses Cap wurde gegen vier Uhr umschifft, und da die wieder steigende Fluth nach dem Westen der Rettungsbucht lief, genügte eine Stunde, die Strecke bis zu dieser zurückzulegen. Nachdem sie an der Haifischinsel vorübergekommen war, steuerte die »Elisabeth« auf den Schakalbach zu, und fünfunddreißig Minuten später landeten ihre Passagiere am Ufer in der Nähe von Felsenheim.

Quelle:
Jules Verne: Das zweite Vaterland. Bekannte und unbekannte Welten. Abenteuerliche Reisen von Julius Verne, Band LXXVII–LXXVIII, Wien, Pest, Leipzig 1901, S. 145-153,155-162.
Lizenz:

Buchempfehlung

Kleist, Heinrich von

Die Hermannsschlacht. Ein Drama

Die Hermannsschlacht. Ein Drama

Nach der Niederlage gegen Frankreich rückt Kleist seine 1808 entstandene Bearbeitung des Hermann-Mythos in den Zusammenhang der damals aktuellen politischen Lage. Seine Version der Varusschlacht, die durchaus als Aufforderung zum Widerstand gegen Frankreich verstanden werden konnte, erschien erst 1821, 10 Jahre nach Kleists Tod.

112 Seiten, 5.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon