II.

[196] Ein phantasiebegabter Philosoph hat einmal irgendwo den Ausspruch gethan: »Wünscht Euch niemals den Besitz eines Landhauses, eines Wagens oder


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feuriger Pferde oder auch – eines Jagdgrundes! Immer finden sich dann gute Freunde, die das Eurige für sich zu benützen verstehen!«

Gemäß der Anwendung dieses Axioms wurde auch ich eingeladen, meine ersten Waffenthaten auf reservirten Terrains des Departements der Somme – also ohne Eigenthümer derselben zu sein – zu verüben.

Es war gegen Ende August 1859, wenn ich nicht irre. Eine amtliche Bekanntmachung hatte für den nächsten Tag den Aufgang der Jagd festgesetzt.


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In unserer guten Stadt Amiens, wo es keinen kleinen Krämer, keinen Gewerbtreibenden irgend einer Art gibt, der nicht eine alte Flinte besäße, mit der er die Landstraßen unsicher macht, wurde dieses


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feierliche Datum wenigstens schon seit sechs Wochen mit Ungeduld erwartet.


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Die Sportsmen von Profession, welche glauben, daß das Wild von Gott nur für sie herumläuft, ganz wie die Schützen dritter und vierter Classe, die Geschickten ebenso, welche treffen fast ohne zu zielen, wie die ungeschickten, welche sehr sorgsam zielen ohne zu treffen, endlich die Stümperpar par excellence, Alle trafen gleich eifrig ihre


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Vorbereitungen für diesen großen Tag, equipirten, verproviantirten und übten[196] sich, dachten nichts mehr als »Wachtel«, sprachen nichts mehr als »Hase« und träumten von nichts mehr als von »Rebhühnern«. Weib, Kinder, Familie, Freunde – Alles war vergessen! Politik, Kunst, Literatur, Ackerbau und Handel – Alles verschwand gegenüber den Vorbereitungen zu dem hochwichtigen Morgen, an dem diese Fanatiker sich Dem hinzugeben trachteten, was der unsterbliche Josef Proudhomme ein »barbarisches Vergnügen« nennen zu müssen glaubte. Nun


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begab es sich, daß sich unter den wenigen meiner Freunde in Amiens ein leidenschaftlicher Jäger vor dem Herrn befand, zwar ein Beamter, aber ein ganz liebenswürdiger Junge. Obwohl er behauptete, etwas an Rheuma zu laboriren, wenn er nach dem Bureau gehen sollte, so war er doch allemal prächtig auf den Füßen, wenn ein achttägiger Urlaub ihm gestattete, an der Eröffnung der Jagd theilzunehmen.

Dieser gute Freund hieß Brétignot.


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Einige Tage vor dem großen Datum suchte Brétignot mich, der nichts Uebles ahnte, einmal auf.

»Sie waren noch niemals zur Jagd? sagte er mit einem gewissen Ausdruck von Ueberlegenheit, welche zwei Zehntel Wohlwollen auf acht Zehntel Verachtung enthält.


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– Niemals, Brétignot, versicherte ich, es ist mir auch noch nie eingefallen, zu...

– Nun, so kommen Sie mit mir zur bevorstehenden Eröffnung, fiel mir Brétignot in's Wort. Wir haben in der Gemeinde Hérissart zweihundert Hektare reservirter Grunde, wo es von Wild geradezu wimmelt. Ich habe das Recht, einen Gast einzuführen.

Ich lade Sie also hiermit ein und werde Sie einführen.

– Ja, aber... versetzte ich zögernd.

– Sie haben kein Gewehr?

– Nein, Brétignot, und habe auch niemals eines besessen.


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– Das lassen Sie sich nicht kümmern! Ich werde Ihnen eine Doppelflinte leihen; freilich noch ein Percussionsgewehr, aber es schießt doch einen Hasen auf achtzig Schritte todt.[197]

– Vorausgesetzt, daß man den Burschen trifft, erwiderte ich.

– Natürlich, das wird immer gut sein.

– Zu gut, Brétignot!

– Nun fehlt Ihnen zwar ein Hund.

– Unnöthig, wenn ich nur einen Hahn1 an der Flinte habe, der wird dann doppelte Dienste thun.«

Freund Brétignot sah mich mit halb lächelndem und halb grimmigem Gesichte an. Dieser Mann liebt es nicht, über Dinge, welche die Jägerei angehen, scherzen zu hören. Diese sind ihm geheiligt!

Indeß legte sich sein Stirnrunzeln wieder.

»Nun, werden Sie sich einstellen? fragte er.


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– Wenn Sie darauf bestehen!... antwortete ich ohne sonderliche Begeisterung.

– Ja, ja, natürlich!... Man muß so etwas, wenigstens einmal in seinem Leben, mit angesehen haben. Wir fahren Sonnabend Abends ab. Ich rechne auf Sie!«

So wurde ich denn zu diesem Abenteuer gepreßt, dessen trauriges Ende mich noch heute verfolgt.

Ich gestehe gern, daß mir die nöthigen Vorbereitungen nicht die geringsten Kopfschmerzen verursachten.

Ich verlor deshalb keine Stunde Schlaf. Und doch plagte mich, wenn ich ganz offen sein soll, ein wenig der Dämon der Neugier. Ist denn der Aufgang der Jagd gar so interessant? Jedenfalls gelobte ich mir, wenn nicht handelnd einzutreten, so doch als Neugieriger die Jäger zu beobachten, so gut wie die Jagd selbst. Wenn ich zustimmte, mich mit einer Schießwaffe zu belasten, so geschah es nur, um inmitten dieser Nimrods, deren Heldenthaten zu bewundern Brétignot mich eingeladen hatte, keine gar zu traurige Figur zu spielen.

Ich muß hier bemerken, daß, wenn Brétignot mir auch eine Doppelflinte, Pulverhorn und Schrotbeutel lieh, doch von einer Jagdtasche keine Rede war. Ich mußte mir also selbst dieses Ausrüstungsstück beschaffen, welches die meisten Jäger so bequem entbehren könnten. Ich sachte eine solche Tasche gelegentlich zu erlangen. Ja, jetzt herrschte darin eine Hausse. Alles vergriffen. Wohl oder übel mußte ich eine neue kaufen, behielt mir aber ausdrücklich vor, dieselbe mit fünfzig[198] Percent Verlust zurückzugeben, wenn ich sie nicht zu ihrem eigentlichen Zwecke gebraucht hätte.

Der Händler betrachtete mich vom Kopf bis zu den Füßen, lächelte und ging auf diese Bedingung ein.

Dieses Lächeln schien mir nicht von besonders guter Vorbedeutung.

»Immerhin, dacht' ich,... wer weiß?«

O Eitelkeit!

Quelle:
Jules Verne: Zehn Stunden auf der Jagd. In: Der grüne Strahl. Bekannte und unbekannte Welten. Abenteuerliche Reisen von Julius Verne, Band XLII, Wien, Pest, Leipzig 1887, S. 193–219, S. 196-199.
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