[13] Die Decke öffnet sich, es erscheint in einem rötlichen Lichtkreis Mephistopheles mit einem Orchester von höllischen Geistern, die, als Köchinnen und Kellnerinnen gekleidet, in einer Küche beschäftigt sind; er dirigiert mit dem Taktstock.
GESANG DER GEISTER.
Schwindet beengende,
Mönchisch bedrängende,
Traurige Wände!
Weichet behende
Traulichen Räumen
Freundlicher Küche!
Schüsseln umsäumen,[13]
Blanke, die Ränder,
Pfannen die Ständer;
Quillet hervor,
Steiget empor,
Holder Gerüche
Reizparadies.
Denn an dem Herde
Flinker Gebärde
Stehet die nette
Köchin Babette,
Drehet das fette
Gänschen am Spieß. –
Weitre Gewahrung
Zeiget daneben
Salzigen Harung,
Welcher soeben
Neben Kartöffelein,
Die sie gerädelt fein,
Stehet parat,
Kleingeteilt aufzugehn,
Angemacht aufzustehn
Im ölgenetzeten,
Essigdurchsetzeten
Räsen Salat.
Doch in Kamines Schoß
Drängen sich klein und groß
Bis zu dem Firste,
Locken und winken
Rauchige Schinken,
Zungen und Würste,
Ziehn um die niedliche,
Um die gemütliche,
Die appetitliche
Köchin, die drehende,
Sorglich besehende,
Schwebenden Kranz.[14]
Fertig nun findet sie,
Ziehet vom Spieße die
Brätelnde, schmorende,
Nasebetorende,
Goldschimmerhäutliche,
Brodelnde, bräutliche,
Rundliche Gans.
Wie sie sich beuget,
Wie sie sich neiget
Über die Schüssel,
Klirren bewegt,
Rasseln die Schlüssel,
Lange und kurze,
Blinkend am Ringe
Stählerner Zwinge,
Die sie am Schurze
Amtsgemäß trägt.
Doch der gewaltigste
Unter denselbigen
Öffnet aufs baldigste
Zu dem gewölbigen
Keller die Tür;
Dort aus dem kluftigen,
Dunkeln Gelaß
Luget herfür
Strotzend von duftigen,
Alten und reinen
Tiroler Weinen,
Strotzend von hopfigem,
Malzgehalttropfigem
Kraftelixiere
Lagernder Biere
Faß an Faß. –
FAUST sich den Mund wischend.
Oh, oh, oh!
O das ist nicht von Stroh!
[15] Gebärden des Entzückens, hierauf Versinken in einen träumerischen Zustand. Er schläft ein. Der Geisterchor ist verschwunden, die Decke schließt sich wieder, Mephistopheles erscheint hinter Faust.
MEPHISTOPHELES ad Spectatores.
Da bin ich. Faßt den Satz in seiner Tiefe:
Wo Prüfung ist, ist auch das Negative!
Sich über Faust beugend und die dürren Hände über ihn ausstreckend.
Er schläft, so recht, nun ist er wieder mein!
LIESCHEN.
O weh, o weh, der Böse wieder da!
MEPHISTOPHELES.
Altbackne Trutschel, freilich, ja.
LIESCHEN.
Weh, schläfert er ihn gänzlich ein,
So hat er gewonnen,
Hat ihm den Geist umsponnen!
Zu Faust, indem sie ihn rüttelt.
Wach auf, wach auf, sonst bist du ja verloren!
FAUST im Schlaf redend.
Hörst du das Gänselein am Spieße schmoren?
LIESCHEN ihn stärker rüttelnd.
Ermanne dich, da steht der Hölle Sohn!
Komm zu dir! Auf, er packt dich schon!
Vertreib ihn mit Gebet,
Sonst wird's zu spät!
FAUST erwachend.
Ach, laß mich fort, du bete nur und bleibe!
Ich breche auf und stürze in die Kneipe!
Was ist die Himmelsfreud? Ein leerer Traum
Verglichen mit der Kneipe trautem Raum!
Fühlt' ich nicht immer ihren Wert?
Bin ich der Schlucker nicht, der Schlechtbehauste,
Der Unmensch, den am magern Herd
Der grimme Durst, der dürre Hunger zauste?
Und seitwärts du mit wohlerzognen Sinnen[16]
In dieser Hütte dürft'gem Möbelzelt
Und all dein häusliches Beginnen
Umfangen von der engen Küchenwelt?
Dich, deinen Frieden muß ich untergraben,
Du, Kneipe, willst und sollst dies Opfer haben!
Hilf, Teufel, mir die Angst verkürzen!
Was muß geschehn, mag's gleich geschehn!
Genießen will ich noch des Lebens Würzen
Und meinethalb zugrunde gehn!
MEPHISTOPHELES reißt ihn empor, um ihn fortzuzerren.
Gehörest mir,
Nur her zu mir!
LIESCHEN.
O Not, o Not! Er raset, er ist hin!
Jetzt ist es Zeit, jetzt schell ich Valentin!
Zieht die Glocke.
Buchempfehlung
Stifters späte Erzählung ist stark autobiografisch geprägt. Anhand der Geschichte des jungen Malers Roderer, der in seiner fanatischen Arbeitswut sich vom Leben abwendet und erst durch die Liebe zu Susanna zu einem befriedigenden Dasein findet, parodiert Stifter seinen eigenen Umgang mit dem problematischen Verhältnis von Kunst und bürgerlicher Existenz. Ein heiterer, gelassener Text eines altersweisen Erzählers.
52 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro