[114] Homunculus, leuchtendes Menschlein in einer Flasche, kommt herbeigeschwebt.
HOMUNCULUS.
Daß ich Neuigkeiten nasche,
Komm ich her in meiner Flasche,
Nach pharsalischen Beschwerden
Möcht ich endlich werden, werden,
Schwebe, forsche nach der Spur
Geistdurchdrungener Natur.
Höre gießen,
Rauschend fließen,
Höre zischen,
Schäumen, gischen,
Wasserstoff aus Urnen, Bütten
Hör ich sprühen, spritzen, schütten,
Wittre, rieche doch zumal
An dem nachdrucksvollern Strahl
Schärfres Etwas; ist es Geist,
Bin ich nicht umsonst gereist,
Denn ich seh die Prozedur,
Die zur innigen Mixtur
Einet die Natur
Mit der Geistkultur.[114]
Wunderbar! kein Name nennt's!
Auf! Jetzt reicht's zur Existenz!
Er schwebt unvorsichtig näher, die Flasche zerbricht am Gestein, die Flüssigkeit, die Mephistopheles ausgießt, entzündet sich, Faust, von einem Feuerstrom getroffen, schreit verzweifelt auf, es folgt ein starker Knall, der Inhalt der Tonne hat sich entzündet. Alle andern sind verschwunden. Stille. Mephistopheles und Faust liegen am Boden.
MEPHISTOPHELES mit schwacher Stimme an sich herumtastend.
Verflucht! bin doch die Flamme sonst gewohnt,
Wie kommt's, daß sie mich diesmal nicht geschont?
Feuerfester Sohn der Hölle,
Und verbrüht am ganzen Felle!
GESANG UNSICHTBARER GUTER GEISTER.
Handeltest wie im Taps,
Gabst dir durch Hexenschnaps
Selber den Strafeklaps!
Böses ist Feuerbrand
Im Lebenswohlverband;
Selbstverräterisch,
Selbsttötungstäterisch,
Selberverbräterisch
Muß es sich richten,
Auf Raub verzichten,
Muß sich vernichten!
MEPHISTOPHELES langsam aufstehend.
Verbrannt ist Steiß und Angesicht,
Doch umzubringen bin ich nicht.
Jetzt geh ich fort zu edlen Männern,
Zu junkerlichen Fuselbrennern,
Und fördre mir zum Rachefest
Als ihr Genoß die Branntweinpest;
Die Steuer darf man nicht erhöhn,
Der Reingewinn ist gar zu schön. –[115]
Dann auf gedankenschnellem Renner
Jag ich nach Süden übern Brenner
Zu andern Brennern: jenen, die den Urdampf
Anschüren zum gesegneten Kulturkampf.
Hinkt ab. Es riecht häßlich.
Buchempfehlung
Der neurotische Tiberius Kneigt, ein Freund des Erzählers, begegnet auf einem Waldspaziergang einem Mädchen mit einem Korb voller Erdbeeren, die sie ihm nicht verkaufen will, ihm aber »einen ganz kleinen Teil derselben« schenkt. Die idyllische Liebesgeschichte schildert die Gesundung eines an Zwangsvorstellungen leidenden »Narren«, als dessen sexuelle Hemmungen sich lösen.
52 Seiten, 3.80 Euro
Buchempfehlung
Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.
390 Seiten, 19.80 Euro