[190] Umgearbeitet 1785.
Du jungfräulicher Geist, gleich den Vollendeten
Schon im Staube verklärt: schmachtet umsonst mein Blick,
Deiner Herrlichkeit Abglanz,
Jene Blütengestalt, zu schaun?
Ach! so ward mir zur Qual dieses phantastische
Herz, das geniuskühn Zaubergebilde schafft,
Dann in nichtiger Sehnsucht
Nach dem fliehenden Traume strebt!
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Traum? Den göttlichen Traum bildet' ihr Seraph mir!
Ihren ahndenden Wunsch hüllt' er in Morgenglanz,
Bracht' in Düften des Schlummers
Dann die heilige Bildung mir!
Uns, zur Liebe geweiht, ach! zu der innigsten
Seelenliebe geweiht: warum bestrahlt der Mond,
Still die Wolken durchwandelnd,
Uns durch Hügel und Thal getrennt?
Oft beseeltest du uns, Liebe; doch unerkannt
Schien dein Odem uns bald säuselnder Frühlingshauch,
Bald ein Nachtigallseufzer,
Bald Erfrischung der Sommernacht.
Liebend pflückten wir oft tauige Rosen uns,
Oft Violen zum Strauß, schwebten in Blütenduft
Mit Gesang, wie die Vögel
Durch den schimmernden Äther, hin.
Liebend hörten wir oft murmeln den Erlenbach,
Sahn aufsteigen den Mond, schwinden das Abendrot,
Voll süßschwärmender Wehmut,
Dachten Tod und Unsterblichkeit.
Schon im himmlischen Thal, wo wir, noch Seelen nur,
Träumten, spielten wir stets unter demselben Strauch,
Pflückten einerlei Blumen,
Horchten einerlei Harmonieen.
Ach! wann dämmerst du einst? Eile, geflügelter!
Selma seufzet dir auch! Eile, du Wonnetag,
Der zu meiner Geliebten
Über Hügel und Thal mich führt!
Selma, wenn dir alsdann schnelle Vergessenheit
Deiner leichteren Tracht, wenn dir der Wangen Glut,
Und des klopfenden Herzens
Ahndung sagte, daß ich es sei!