38. Der Freier

[279] 1789.


Das Mägdlein, braun von Aug' und Haar,

Kam über Feld gegangen;

Die Abendröte schien so klar,

Und Nachtigallen sangen.

Ich sah und hörte sie allein.

Dalderi daldera, das Mägdelein

Soll mein Herzliebchen sein!


Ein Röckchen trug sie, dünn und kurz,

Und leichtgeschnürt ihr Mieder;

Es weht' ihr Haar, es weht' ihr Schurz

Im Weste hin und wieder;

Die Strümpfe schienen weiß und fein.

Dalderi daldera, das Mägdelein

Soll mein Herzliebchen sein!


Die bunte Kuh, gelockt mit Gras,

Kam her vom Anger trabend;

Und als das Mägdlein melkend saß,

Da bot ich guten Abend,

Und sah durchs Busentuch hinein.

Dalderi daldera, das Mägdelein

Soll mein Herzliebchen sein!
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Sie nickte mir mit holdem Gruß;

Da ward mir wohl und bange,

Und herzhaft drückt' ich einen Kuß

Auf ihre rote Wange,

So rot, so rot wie Abendschein.

Dalderi daldera, das Mägdelein

Soll mein Herzliebchen sein!


Ich half ihr über Steg und Zaun

Die Milch zu Hause bringen,

Und gegen Ungetüm und Graun

Ein Schäferliedchen singen;

Denn dunkel war's im Buchenhain.

Dalderi daldera, das Mägdelein

Soll mein Herzliebchen sein!


Die Mutter schalt: So spät bei Nacht?

Da stand sie ach! so schämig.

Sacht, sprach ich, gute Mutter, sacht!

Das Töchterlein, das nehm' ich!

Nur freundlich, Mutter, willigt ein!

Dalderi daldera, das Mägdelein

Soll mein Herzliebchen sein!


Quelle:
Deutsche Nationalliteratur, Band 49, Stuttgart [o.J.], S. 279-280.
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