Sechste Szene.

[23] Drei Gelehrte. Die Vorigen.


GUTTENBERG.

Und was meint ihr, gelahrte Herrn?

DIE DREI GELEHRTEN klatschen froh in die Hände.

Wie flink kann Buchdruckerei vertreiben!

Was wollen wir schreiben, was wollen wir schreiben![23]

GUTTENBERG.

Nicht länger sei der Ilias heil'ger Dichter

In dumpfen Klösterschränken nur bewahrt.

Der weise Platon lehre alle Denker,

Und wie der Menschheit frühes Treiben war,

Mag Gegenwart nun lesen, frommend prüfen.

ERSTER GELEHRTER durch die Fistel im singenden Tone.

Tragt ihr die Büchlein in Haufen zusammen,

So les't den dürren Homeros mir nie,

Mögt Pindars arme Prose verdammen,

In Flakkus thät nimmer Dichterglut flammen,

Ich bin allein die Poesie!

GUTTENBERG.

Wohlan, Herr Dichter, lobet den Erfinder!

ERSTER GELEHRTER.

Der Presse Formen kunden nicht das Schöne,

Drum ihn nicht des Liedes Röslein kröne.

ZWEITER GELEHRTER die Hände in die Seite gestemmt, mit Karrikatur des Hochmuthes.

Wozu Thukydides und Xenophon,

Plutarch und Tacitus, die nicht begreifen?

Ich großer Mann erbau ein Organon,

Da mögt ihr ins Gebiet der Vorwelt schweifen.

Geschichte fert'ge ich, und das aus Mark,

Wohl a priori steht der Quark!

GUTTENBERG.

Und Faust?

ZWEITER GELEHRTER.

Begreifet Ihr Nothwendigkeit?

Nichts sprach er aus, der Wicht, es that die Zeit.

DRITTER GELEHRTER mit grimmiger Geberde.

Mir Streitlust tobt in prasselnder Ader,

Es lebe Federkampf, gelehrter, rasselnder Hader![24]

Laß critica flattern der Sätze Siegerfahn!

Ihr will ich schnattern, wetze den Tiegerzahn!

Den Kiel in Skorpionengalle tauchen,

Giftpestend den Ruhm umhauchen, umschmauchen!

GUTTENBERG.

Doch unsern Doktor werdet ihr erheben?

DRITTER GELEHRTER.

Ein wenig Talent zur Mechanik,

Sonst ist der Kerl unter aller Kritik!

DIE DREI KÜNSTLER die sich derweile umsahn, verwundert.

Doch wem gehöret das?

GUTTENBERG.

Dem Faust!

DIE DREI GELEHRTEN nachdem sie auch umhergeblickt.

Dem Faust?

GUTTENBERG.

Könige können bei ihm borgen.

DIE DREI KÜNSTLER den Hut plötzlich herunter.

Auch Künstler?

DIE DREI GELEHRTEN eben so und sehr schnell.

Auch Gelehrte?

FAUST tritt unter sie; sie fallen nieder.


Sextett oder Chor.


KÜNSTLER UND GELEHRTE.

Ruhm sei dein Kleid,

Erhab'ner Weise,

Unsterblichkeit

Sei deine Speise.

Dich lob ein Nepos,

Dir tön' ein Epos,

Versetzen dich gerne

Dort unter die Sterne![25]

FAUST zu den Künstlern.

Arm habt ihr mich geschmäht, die Hymne pries den Reichen:

Empfange, falsche Brut, ein warnend Zeichen!


Die Künstler stehen mit großen Raubvögelschnäbeln da, aus denen Zungen mit Widerhaken hängen.

Zum Poeten.


Von dannen ziehe Laff' der Laffen

Mit einer Zier, die nie vom Haupt sich trennt!


Der Poet hat eine Schellenkappe von ungeheurer Größe auf.

Zum Geschichtsphilosophen.


Zwei andre Ohren dir, du rüstiger Scribent!


Ihm streben zwei lange Eselsohren empor.

Zum Criticus.


Dein hündisch Maul mag schnüffeln, bellen, klaffen!


Ihm wächst ein gewaltig Hundemaul mit spitzen, sichtbaren Zähnen.


Weg, niederes Gezücht, es werden edle Geister

Der Wissenschaft Altar erhöh'n!


Sie laufen zu beiden Seiten schnell davon.


Die Rache ward gebüßt – doch kreucht die Brut

Zu tief nicht, daß ich auf sie nieder achte?

GUTTENBERG.

Es fleht der Neid ja auch um täglich Brod.

FAUST.

Mag der Verwandlung Pein von ihnen weichen!


Nimmt einen großen Beutel vom Tisch.


Noch den Zehrpfennig schleudre ihnen nach!

Es ist doch Gold? Nimm noch den zweiten Beutel!

GUTTENBERG ab.

FAUST allein mit Ungestüm.

Soll er mir nun die Froherwählte zeigen,

Kaum trag' ich noch des wilden Busens Steigen!

Doch – Zauberei soll mir nicht minnen,

Des Mannes Werth der Schönheit Lohn gewinne!

O Säumender, auf edle Großthat sinne;

Sie suchend fliehe ich entzückt von hinnen!


Ab.
[26]


Quelle:
Voß, Julius von: Faust. Trauerspiel mit Gesang und Tanz. Berlin 1890, S. 23-27.
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