[36] AURELIA allein.
Melodrama.
Zum letzten mal blick' ich zur heil'gen Morgensonne,
Dich schau' ich ferner nicht,
O zeige mir, du schönes Himmelslicht,
Noch einmal meiner Liebe Wonne! –
Versunken in bläulicher Ferne,
Im Schooß der Nacht sind die freundlichen Sterne,[36]
Oft bei des Lieblichen glühenden Kuß,
Schimmerten blinkend sie weihenden Gruß.
Möge die ganze Natur es schauen,
Wie sterbend mich süße Thränen bethauen,
Sie hat der liebenden Seligkeit,
Sich innig gefreut. –
Doch die Sterne wollen schweigen,
Denn sie werden an des Himmels Höh'n
Bald den todten Geliebten sehn.
Nein, es ist nicht Tod! Zum Leben –
Erwache Robertus – aufzuschweben!
Dein Grablied sang die Nachtigall,
Begleitet vom Felsenwiederhall,
Wohl neben Kerkers dunklen Hallen
Die süßen Blumengeister wallen.
Dich rufen Duft und Laut,
Und melden, auch wird vergehen die Braut –
Ha – dort hör' ich Unken rufen,
An den nebelvollen Seen,
Rings um eines Tempels Stufen
Seh' ich Leichenfackeln wehn –
Meiner Ahnen Gestalten weinen,
Wohl Thränen strömen aus den Steinen,
Aus Deinem Herzen nicht, kein Vater, mein Tyrann!
Wohlan!
Flieh Kindesliebe meine Brust!
Die Liebe morden war ihm Lust.
Nun streu' er auch die Silberhaare
Auf meine Baare.
Arie.
Umschwebe ihn mit Grauen
Ein Traumbild jede Nacht,
Und laß ihn zagend schauen,
Was trennte seine Macht.[37]
Mit Reue und Erbangen
Blick' er dann himmelan,
Und seh mich dort umfangen
Von dem geliebten Mann!
Setzt einen Dolch auf ihre Brust, und hält an, weil sie ein Getöse vernimmt.
VOLKSCHOR draußen, der näher kommt.
Entronnen, entronnen,
Der tiefen Schmach,
Der uns Freiheit gewonnen,
Nicht unterlag.
AURELIA.
So jubeln Söldner nicht –
Die Menge dringt in Hof und Garten,
Gewalt der Pforten Riegel bricht –
Zum blut'gen Spott bereit, will ich erwarten –
Immer den Stahl an ihrer Brust.
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