[434] Eva ist auf die Straße getreten, hat sich schüchtern der Werkstatt genähert und steht jetzt unvermerkt in der Türe bei Sachs.
EVA.
Gut'n Abend, Meister! Noch so fleißig?
SACHS fährt, angenehm überrascht, auf.
Ei, Kind! Lieb' Evchen? Noch so spät?
Und doch, warum so spät noch, weiß ich:
die neuen Schuh?
EVA.
Wie fehl er rät!
Die Schuh hab ich noch gar nicht probiert;
sie sind so schön und reich geziert,
daß ich sie noch nicht an die Füß mir getraut.
Sie setzt sich dicht neben Sachs auf den Steinsitz.
SACHS.
Doch sollst sie morgen tragen als Braut?
EVA.
Wer wäre denn Bräutigam?
SACHS.
Weiß ich das?
EVA.
Wie wißt Ihr denn, daß ich Braut?
SACHS.
Ei, was!
Das weiß die Stadt.
EVA.
Ja! Weiß es die Stadt,
Freund Sachs gute Gewähr dann hat![434]
Ich dacht – er wüßt mehr.
SACHS.
Was sollt ich wissen?
EVA.
Ei, seht doch! Werd ich's ihm sagen müssen?
Ich bin wohl recht dumm?
SACHS.
Das sag ich nicht.
EVA.
Dann wärt Ihr wohl klug?
SACHS.
Das weiß ich nicht.
EVA.
Ihr wißt nichts? Ihr sagt nichts? – Ei, Freund Sachs,
jetzt merk ich wahrlich, Pech ist kein Wachs.
Ich hätt Euch für klüger gehalten.
SACHS.
Kind,
beid, Wachs und Pech, bekannt mir sind:
mit Wachs strich ich die seidnen Fäden,
damit ich dir die zieren Schuh gefaßt:
heut faß ich die Schuh mit dichtren Drähten,
da gilt's mit Pech für den derbren Gast.
EVA.
Wer ist denn der? Wohl was rechts?
SACHS.
Das mein' ich!
Ein Meister, stolz auf Freiers Fuß;
denkt morgen zu siegen ganz alleinig:
Herrn Beckmessers Schuh ich richten muß.
EVA.
So nehmt nur tüchtig Pech dazu:
da kleb er drin, und laß mir Ruh!
SACHS.
Er hofft dich sicher zu ersingen.
EVA.
Wieso denn der?
SACHS.
Ein Junggesell, –
's gibt deren wenig dort zur Stell.
EVA.
Könnt's einem Witwer nicht gelingen?
SACHS.
Mein Kind, der wär zu alt für dich.
EVA.
Ei, was! Zu alt? Hier gilt's der Kunst,
wer sie versteht, der werb um mich.
SACHS.
Lieb' Evchen, machst mir blauen Dunst?
EVA.
Nicht ich, Ihr seid's, Ihr macht mir Flausen!
Gesteht nur, daß Ihr wandelbar.
Gott weiß, wer Euch jetzt im Herzen mag hausen!
Glaubt ich mich doch drin so manches Jahr.
SACHS.
Wohl, da ich dich gern auf den Armen trug?
EVA.
Ich seh, 's war nur, weil Ihr kinderlos.
SACHS.
Hatt' einst ein Weib und Kinder genug.
EVA.
Doch, starb Eure Frau, so wuchs ich groß?
SACHS.
Gar groß und schön!
EVA.
Da dacht ich aus,
Ihr nähm't mich für Weib und Kind ins Haus?[435]
SACHS.
Da hätt ich ein Kind, und auch ein Weib!
's wär gar ein lieber Zeitvertreib!
Ja, ja! Das hast du dir schön erdacht.
EVA.
Ich glaub, der Meister mich gar verlacht?
Am End auch ließ er sich gar gefallen,
daß unter der Nas ihm weg vor Allen
der Beckmesser morgen mich ersäng'?
SACHS.
Wer sollt's ihm wehren, wenn's ihm geläng'?
Dem wüßt allein dein Vater Rat.
EVA.
Wo so ein Meister den Kopf nur hat!
Käm ich zu Euch wohl, fänd ich's zu Haus?
SACHS trocken.
Ach, ja! Hast recht: 's ist im Kopf mir kraus.
Hab heut manch Sorg und Wirr erlebt:
da mag's dann sein, daß was drin klebt.
EVA wieder näher rückend.
Wohl in der Singschul? 's war heut Gebot?
SACHS.
Ja, Kind! Eine Freiung machte mir Not.
EVA.
Ja, Sachs! Das hättet Ihr gleich solln sagen,
quält Euch dann nicht mit unnützen Fragen. –
Nun sagt, wer war's, der Freiung begehrt?
SACHS.
Ein Junker, Kind, gar unbelehrt.
EVA wie heimlich.
Ein Ritter? Mein, sagt! Und ward er gefreit?
SACHS.
Nichts da, mein Kind! 's gab gar viel Streit.
EVA.
So sagt, – erzählt, – wie ging es zu?
Macht's Euch Sorg', wie ließ mir es Ruh? –
So bestand er übel, und hat vertan?
SACHS.
Ohne Gnad versang der Herr Rittersmann.
MAGDALENE kommt zum Hause heraus und ruft leise.
Bst! Evchen! Bst!
EVA eifrig zu Sachs gewandt.
Ohne Gnade? Wie?
Kein Mittel gäb's, das ihm gedieh?
Sang er so schlecht, so fehlervoll,
daß nichts mehr zum Meister ihm helfen soll?
SACHS.
Mein Kind, für den ist Alles verloren,
und Meister wird der in keinem Land,
denn wer als Meister geboren,
der hat unter Meistern den schlimmsten Stand.
MAGDALENE vernehmlicher rufend.
Der Vater verlangt.
EVA immer dringender zu Sachs.
So sagt mir noch an,
ob keinen der Meister zum Freund er gewann?
SACHS.
Das wär nicht übel, Freund ihm noch sein!
Ihm, vor dem sich Alle fühlten so klein?[436]
Den Junker Hochmut, laßt ihn laufen!
Mag er durch die Welt sich raufen;
was wir erlernt mit Not und Müh,
dabei laßt uns in Ruh verschnaufen:
hier renn er uns nichts übern Haufen;
sein Glück ihm anderswo erblüh!
EVA erhebt sich zornig.
Ja! anderswo soll's ihm erblühn,
als bei euch garst'gen, neid'schen Mannsen, –
wo warm die Herzen noch erglühen,
trotz allen tück'schen Meister Hansen! –
Zu Magdalene.
Gleich, Lene, gleich! Ich komme schon!
Was trüg ich hier für Trost davon?
Da riecht's nach Pech, daß Gott erbarm: –
brennt' er's lieber, da würd er doch warm!
Sie geht sehr aufgeregt über die Straße hinüber und verweilt in großer Unruhe unter der Türe des Hauses.
SACHS sieht ihr mit bedeutungsvollem Kopfnicken nach.
Das dacht ich wohl. Nun heißt's: schaff Rat!
Er ist während des Folgenden damit beschäftigt, auch die obere Ladentür so weit zu schließen, daß sie nur ein wenig Licht noch durchläßt: er selbst verschwindet so fast gänzlich.
MAGDALENE.
Hilf Gott! Wo bliebst du nur so spat?
Der Vater rief.
EVA.
Geh zu ihm ein:
ich sei zu Bett, im Kämmerlein.
MAGDALENE.
Nicht doch, – hör mich! Komm ich dazu?
Beckmesser fand mich; er läßt nicht Ruh:
zur Nacht sollst du dich ans Fenster neigen,
er will dir was Schönes singen und geigen,
mit dem er dich hofft zu gewinnen, das Lied,
ob das dir nach Gefallen geriet.
EVA.
Das fehlte auch noch! – Käme nur Er!
MAGDALENE.
Hast David gesehn?
EVA.
Was soll mir der?
Sie späht aus.
MAGDALENE für sich.
Ich war zu streng; er wird sich grämen.
EVA.
Siehst du noch nichts?
MAGDALENE tut, als spähte sie.
's ist, als ob Leut dort kämen.
EVA.
Wär er's?
MAGDALENE.
Mach, und komm jetzt hinan!
EVA.
Nicht eh'r, bis ich sah den teuersten Mann![437]
MAGDALENE.
Ich täuschte mich dort; er war es nicht.
Jetzt komm, sonst merkt der Vater die Geschicht!
EVA.
Ach, meine Angst! –
MAGDALENE.
Auch laß uns beraten,
wie wir des Beckmessers uns entladen!
EVA.
Zum Fenster gehst du für mich.
Sie lauscht.
MAGDALENE.
Wie? ich? –
Für sich.
Das machte wohl David eiferlich? –
Er schläft nach der Gassen: hihi! 's wär fein! –
EVA.
Da hör ich Schritte.
MAGDALENE zu Eva.
Jetzt komm, es muß sein.
EVA.
Jetzt näher!
MAGDALENE.
Du irrst; 's ist nichts, ich wett.
Ei, komm! Du mußt, bis der Vater zu Bett.
POGNERS STIMME von innen.
He! Lene! Eva!
MAGDALENE.
's ist höchste Zeit.
Hörst du's? Komm! Dein Ritter ist weit.
Sie zieht die sich sträubende Eva am Arm die Stufen zur Tür hinauf.
Buchempfehlung
Der junge Vagabund Florin kann dem Grafen Schwarzenberg während einer Jagd das Leben retten und begleitet ihn als Gast auf sein Schloß. Dort lernt er Juliane, die Tochter des Grafen, kennen, die aber ist mit Eduard von Usingen verlobt. Ob das gut geht?
134 Seiten, 7.80 Euro
Buchempfehlung
Biedermeier - das klingt in heutigen Ohren nach langweiligem Spießertum, nach geschmacklosen rosa Teetässchen in Wohnzimmern, die aussehen wie Puppenstuben und in denen es irgendwie nach »Omma« riecht. Zu Recht. Aber nicht nur. Biedermeier ist auch die Zeit einer zarten Literatur der Flucht ins Idyll, des Rückzuges ins private Glück und der Tugenden. Die Menschen im Europa nach Napoleon hatten die Nase voll von großen neuen Ideen, das aufstrebende Bürgertum forderte und entwickelte eine eigene Kunst und Kultur für sich, die unabhängig von feudaler Großmannssucht bestehen sollte. Für den dritten Band hat Michael Holzinger neun weitere Meistererzählungen aus dem Biedermeier zusammengefasst.
444 Seiten, 19.80 Euro