Zweiter Akt


[612] Redaktionszimmer. Rechts und links zwei einander gegenüberstehende Schreibtische. Seitentüren. Mitteltür. – An dem Schreibtisch zur Rechten des Zuschauers sitzt Rudolf Launhart, an dem zur Linken Karl Hetmann.


HETMANN. Sie haben wohl schon gehört, daß die Polizei die öffentlichen Versammlungen an unserem Internationalen Kongreß anstandslos gestattet hat?

LAUNHART. Ja, schon gut. – Was ich nebenbei noch bemerken wollte: wissen Sie schon, daß unsere Zeitung heute morgen vom Staatsanwalt konfisziert worden ist?

HETMANN. Nein, davon weiß ich nichts! Aber das habe ich Ihnen doch im voraus gesagt, daß das Blatt konfisziert werden würde, wenn Sie meinen Vortrag darin abdrucken!

LAUNHART. Ganz recht, die Nummer ist konfisziert wegen Vergehens gegen die Sittlichkeit, und zwar speziell wegen Ihres Aufsatzes: »Über das Liebesleben in der bürgerlichen Gesellschaft im Vergleich zu demjenigen unserer Haustiere.«

HETMANN erhebt sich erregt. Dreimal schade um diesen Aufsatz! Ich hätte den Aufsatz als Vortrag in hundert Städten halten können, ohne daß ein Mensch auf den Gedanken gekommen wäre, mich daran zu hindern!

LAUNHART. Das gebe ich Ihnen zu. Es ist ein großer Unterschied, ob Sie Ihre Lehren in Ihrer begeisterten Sprache zum Vortrag bringen oder ob sie der Staatsanwalt völlig unvorbereitet schwarz auf weiß vor sich sieht. Aber mit Ihren Vorträgen verdienen Sie sich ein warmes Abendessen, während diese Konfiskation, besonders wenn ein Prozeß daraus wird, die Zahl unserer Abonnenten um das Zehnfache erhöhen kann!

HETMANN. Mir ist es aber um die Verbreitung meiner Lebensauffassung zu tun und nicht darum, durch gerichtliche Konfiskationen mundtot gemacht zu werden!

LAUNHART. Was zum Teufel regen Sie sich denn auf! Es kann Ihnen ja nicht das geringste geschehen! Erstens weiß[613] kein Mensch, daß Sie den Aufsatz »Über das Liebesleben in der bürgerlichen Gesellschaft« geschrieben haben, zweitens stehe ich doch als Herausgeber dafür ein und drittens versichert mir mein Schwiegervater, daß die Sache überhaupt gar nicht schlimm für uns werden kann!

HETMANN empört. Glauben Sie denn, ich fürchte mich, für mein Lebenswerk einzutreten, wo es mein Werk fördern kann?! Aber Menschensee len seien der Gewinn! Nicht Zeitungspapier!


Gellinghausen stürzt aus dem Nebenzimmer links aufgeregt herein.


GELLINGHAUSEN. Um Gottes willen, Herr Hetmann, mir ist eben ein entsetzliches Unglück begegnet. Gerade kommt ein Kriminalbeamter und fordert von mir das Manuskript des Aufsatzes: »Über das Liebesleben in der bürgerlichen Gesellschaft im Vergleich zu demjenigen unserer Haustiere.« Ich weiß nun so wahr, wie ich hier stehe, daß bei uns alle Manuskripte vernichtet werden, sobald sie aus der Druckerei zurückkommen. Ich lege also dem Kriminalbeamten arglos die Korrekturbogen vor, er schlägt die erste Seite auf und findet darunter das Manuskript Ihres Aufsatzes. Wer es da hineingelegt haben kann, ist mir vollkommen rätselhaft.

LAUNHART steht auf. Wollen die Herren entschuldigen, ich muß notwendig rasch zu meiner Frau nach Haus. Meine Frau hatte heute morgen die entsetzlichsten Herzkrämpfe. Vergessen Sie doch ja nicht, Herr Hetmann, mit der Fürstin Sonnenburg, wenn sie hierher kommt, noch die Geldangelegenheit zu besprechen. Durch die Mitteltür ab.

GELLINGHAUSEN. Ich bitte Sie inständig, Herr Hetmann, sich das Unglück durch meine angeborne Tölpelei zu erklären! Ich werde für die zehn Stunden Arbeit, die ich hier täglich verrichte, gar nicht bezahlt und gerate nun bei der peinlichsten Gewissenhaftigkeit auch noch in den Verdacht, ein gemeiner Verräter zu sein! Dieser Ungereimtheit gegenüber kommt mein eigenes Geschick gar nicht für mich in Betracht. Herr Launhart gestattete mir, weil ich das Geld für das Unternehmen hergegeben[614] habe, als mitverantwortlicher Redakteur zu zeichnen. Infolgedessen erwartet mich natürlich das nämliche Schicksal wie ihn und Sie!


Fritz tritt ein und steht stramm.


FRITZ anmeldend. Herr Pietro Alessandro Morosini lassen fragen, ob Herr Hetmann für ihn zu sprechen sind.

HETMANN. Ich lasse bitten.


Fritz ab.


GELLINGHAUSEN flehentlich. Also nicht wahr, Herr Hetmann ...!

HETMANN reicht ihm die Hand. Gewiß!

GELLINGHAUSEN seine Hand drückend. Ich danke Ihnen von Herzen! Nach links ab.


Morosini tritt durch die Mitteltür ein.


MOROSINI. Ich begrüße dich, mein Freund, im Namen unseres Triumphes über die alte Weltanschauung. Ich habe seit gestern noch zweihundert Anmeldungen zu unserm Internationalen Kongreß erhalten!

HETMANN. Mir ist diese Hochflut des Erfolges verdächtig. Das dauert zwei Winter, dann löst uns irgendeine Tingeltangelspezialität ab!

MOROSINI. Du wirst zeit deines Lebens nie zufrieden sein! Was verlangst du denn mehr, als daß uns die Opferwilligkeit in hellen Haufen zuströmt? Du kannst von hier keine zehn Schritte tun, ohne daß sich um dich ein Volksauflauf sammelt, der dich mit der Aufdringlichkeit ausgehungerter Wölfe um ein Wort deiner Weisheit anfleht. – Von mir ganz zu schweigen!

HETMANN. Wenn du wüßtest, wie ich die Abgötterei verabscheue! Aber da sich Menschenseelen nun einmal ohne ein Idol dauernd nicht fesseln lassen, gab ich ihnen in dir ein Götzenbild. Freilich hoffte ich, du werdest etwas mehr auf Wahrung deiner Würde bedacht sein!

MOROSINI. Ich bin ein ganz gewöhnlicher Alltagsmensch und sehe mich durch meine einnehmende Persönlichkeit von einem Tag auf den andern zum unverantwortlichen Oberhaupt der gewaltigsten Kulturbewegung erhoben! Wenn du mich nicht täglich von neuem durch unerbittliche Strenge im Zaum hältst und in meinem Selbstbewußtsein[615] hebst, dann werde ich bei jedem Anlaß Gefahr laufen, in meine frühere Geistlosigkeit zurückzuverfallen. – Aber sag mir, wie steht es mit der Sicherheit unseres Kongresses? Mir stehen die Haare zu Berge bei dem Gedanken, daß die Damen, die sich aus zwei Weltteilen bei uns zusammenfinden, durch ein einziges Machtwort von oben in alle Winde auseinandergejagt werden können!

HETMANN begeistert. Etwas Herrlicheres wüßte ich mir nicht zu denken! An unserm ersten Internationalen Kongreß auseinandergesprengt zu werden, das führt unter unserer Vereinigung die Grundmauern auf!

MOROSINI. Ich sehe die Dinge im Geiste genau, wie sie kommen werden! Der Mittelpunkt der allgemeinen Anbetung an dem Kongreß bist natürlich du, wie du, ohne es zu wollen, ohnehin schon Weltberühmtheit geworden bist. Und mich, der ich meine Würde wahren soll, sieht man lächelnd über die Achsel weg als Scheingroße an. – Was bin ich schließlich auch anderes als eine Scheingröße! Ein Zwergriese! Ein Baßbariton, der seine Stimme verloren hat! – Ich habe den denkbar redlichsten Willen; aber in meiner pekuniären Abhängigkeit, in der ich dem Bunde jeder Flasche Sekt wegen Rechenschaft ablegen muß, gehört schon eine geradezu übermenschliche Anstrengung dazu, um seine Würde zu wahren!


Fritz tritt ein und meldet an.


FRITZ. Ihre Durchlaucht, die Fürstin Sonnenburg- Hohenstein und Den Namen deutsch aussprechend. Misses Mabel Isabel Grant lassen um die Ehre ersuchen.

HETMANN. Ich lasse bitten.


Fritz ab.


MOROSINI. Willst du, daß ich verschwinde, um meiner Stellung nichts zu vergeben?

HETMANN. Nein, bleib nur hier.


Die Fürstin Sonnenburg und Mrs. Grant treten ein, beide reifere Damen in vornehmen Toiletten. Die Fürstin ist eine mehr üppige, Mrs. Grant eine mehr schlanke Erscheinung.[616]


MRS. GRANT. Ein graußes Glück ist es für mich, Herr Morosini, daß du bist hier! Als Graußmaster von die Bund kannst du sagen, welchen Abend von die Kongreß wird stattfinden graußartige Ball in Alhambra-Sälen?


Morosini erteilt ihr Auskunft.


DIE FÜRSTIN zu Hetmann. Denken Sie sich, lieber Meister, an allerhöchster Stelle soll der lebhafte Wunsch ausgesprochen worden sein, Sie persönlich kennenzulernen. Man soll gefragt haben, ob Sie nicht der berühmte Philosoph Herbert Spencer wären, worauf entgegnet wurde, Spencer sei tot. Darauf äußerte man, es sei bewundernswürdig, daß sich gleich nach dem Tode des einen ein anderer Mensch von solcher Geistesgewalt aus dem Volke erhübe. – Übrigens fragte mich heute in aller Frühe ein Herr, womit Sie es denn eigentlich verantworten, daß Sie unsere ganze Gesellschaft auf den Kopf stellen. Der Herr behauptete, geradesogut wie Sie, dazu befähigt zu sein, wenn ihn nicht die Achtung vor unseren Kulturerrungenschaften davon zurückhielte.

HETMANN spricht bescheiden und sachlich. Mich stieß die menschliche Gesellschaft einst als unbrauchbar aus ihren Kreisen aus. Ich ging nicht zugrunde, kam zurück und bot ihr wieder meine Dienste an. Die menschliche Gesellschaft stieß mich wieder als unbrauchbar hinaus, ich ging wieder nicht zugrunde, ich kam wieder zurück, ich bot ihr wieder meine Dienste an. An ein dutzendmal in meinem Leben hat sich dieser Vorgang wiederholt. Niemanden kann es wundern, daß mich der Kampf draußen mit den Elementen auf andere Gedanken brachte, als man in der bürgerlichen Gesellschaft hegt. Sind meine Gedanken unrichtig, dann beseitigt mich die Welt in ihrer Unerbittlichkeit, ohne sich nach mir umzusehen. Nimmt aber die Menschheit meine Gedanken auf, dann gebührt der Menschheit das Verdienst, nicht mir. Dann ist meine Lehre so wahr Kulturentwicklung wie meine Einsicht nur ein glücklicher Zufall war! – Unsere Enkelkinder werden uns vielleicht einmal darum beneiden, daß wir solche Entwicklungen miterleben durften.[617]

MRS. GRANT zu Hetmann. Mir hat gesagt ein Herr heute in aller Frühe, daß du, Mister Hetmann, bist Seelenverführer, daß du bist leibhaftige Teufel, welche seit Schaffung von die Welt immer treibt Spiel mit Menschheit.

HETMANN. Für seine Person wird der Herr wohl recht haben.

MRS. GRANT. A-oh, Mister Hetmann, ich habe nicht lassen sprechen weiter! Ich bin so begeistert für Sie, ich schwöre Sie, Mister Hetmann, du kannst nicht finden unter Sonne von die liebe Gott eine mehr heiße Schülerin!

MOROSINI der mit Bedauern sieht, wie sich das Interesse Hetmann zuwendet. Die verehrten Damen wollen mich entschuldigen. Ich habe noch so wahnsinnig viel Vorbereitungen für unsern Kongreß und besonders für den Ball zu treffen, daß ich gar nicht weiß, wo mir der Kopf steht, geschweige denn – daß ich mit der nötigen geistigen Klarheit an philosophischen Unterhaltungen teilnehmen konnte. Er verabschiedet sich und geht durch die Mitte ab.

HETMANN. Verzeihen Sie, Fürstin, daß ich die Gelegenheit ausnütze, um Sie um ein Opfer zu bitten. Herr Launhart, der Herausgeber unserer Zeitung, kann das Blatt nicht weitererscheinen lassen, weil der Ertrag noch die Kosten nicht deckt. Er fordert gegen die Sicherheit, die er geschäftlich bieten kann, eine Kapitaleinlage von fünfzigtausend Mark. Ihm die Summe aus dem Vereinsvermögen zu geben, bin ich des bevorstehenden Kongresses wegen augenblicklich nicht imstande.

MRS. GRANT. Fünfzigtausend Mark, Mister Hetmann?! Ich habe gehört von meine Freundin, daß Geschäft von Mister Launhart ist ausgezeichnet für Anlage von die Vermögen. Willst du nehmen von mir fünfzigtausend Mark für Geschäft von Mister Launhart!

DIE FÜRSTIN. Ich bitte Sie, geehrter Meister, die Summe von mir anzunehmen! Wie viel schulde ich Ihnen nicht! Was war ich, ehe ich unter die Gewalt Ihres Geistes kam! Ein Ausbund menschlichen Elends! Ich war magenleidend, ich war leberleidend, ich war lungenleidend, ich war herzleidend, ich war nervenleidend, ich war gemütskrank, ich war durch und durch hysterisch![618]

MRS. GRANT. A-oh, Mister Hetmann, ich will Sie schenken fünfzigtausend Mark! Nicht Sie will ich schenken! Ich will schenken vor die Bund zu Züchtung von die Rassemenschen! Nie in mein Leben ich will verlangen zurück eine Mark von die Bund zu Züchtung von die Rassemenschen!


Fanny Kettler kommt mit Briefschaften in der Hand aus dem Nebenzimmer.


FANNY. Ich wollte Sie fragen, Herr Hetmann, ob der Internationale Kongreß trotz der heutigen gerichtlichen Konfiskation der Zeitung in acht Tagen stattfindet.

DIE FÜRSTIN. Jetzt kommen die Geschäfte, Misses Grant. Jetzt stören wir hier. Wir beide haben ja doch wohl keine Aussicht, Mitglieder des Vereines zu werden.

MRS. GRANT. O yes! Of course! Reicht Hetmann die Hand. Well, Herr Hetmann, du willst nehmen von mir fünfzigtausend Mark für Zeitung von Mister Launhart?

DIE FÜRSTIN schüttelt Hetmann die Hand. Ich lasse Ihnen die Summe sofort übermitteln.


Hetmann begleitet die Damen hinaus.


HETMANN zurückkommend. Der Kongreß findet statt. Er läßt sich etwas erschöpft auf einen Sessel nieder.

FANNY. Wenn Sie aber selber verhindert sein sollten, die Verhandlungen zu leiten ...

HETMANN. Der Kongreß findet statt!

FANNY. ... dann wird dieser Internationale Kongreß zum entsetzlichen Unheil! Bei der hirnlosen Begeisterung, mit der jetzt alle Welt für Ihre Gedanken schwärmt, verrennt sich die Bewegung dann in irgendeine bürgerliche Sackgasse, aus der Sie sie nie wieder zurücklenken können, und in der sie wie hundert andere geistige Strömungen klanglos zugrunde geht.

HETMANN. Der Kongreß findet statt und ich leite die Verhandlungen. Es ist mir schlechterdings unverständlich, warum man eines Zeitungsartikels wegen binnen heute und acht Tagen hinter Schloß und Riegel sitzen soll. – Aber was ist mit Ihnen?

FANNY. Wieso mit mir?[619]

HETMANN. Das Gelöbnis, das Sie ablegten, um unserem Bunde anzugehören ...

FANNY. Hat sich jemand über mich beklagt?

HETMANN. Nein. Aber das Gelöbnis harrt noch seiner Erfüllung!

FANNY. Wie können Sie das wissen?

HETMANN. Ist es nicht genug, daß ich es weiß?

FANNY. Gegen mein Gelübde, keinem Angehörigen unseres Bundes meine Gunst zu verweigern, habe ich mich bis zu dieser Stunde nicht verfehlt. Ich trage nicht die Schuld daran, daß niemanden nach meinen Gunstbezeugungen verlangt.

HETMANN. Daran tragen nur Sie allein die Schuld! Falsche Worte einer verkrüppelten Seele stimmen nicht zu der Art, in der Ihnen vergönnt ist, einherzuschreiten! Oder soll mir das schönste Weib meinen Glauben an den Seelenadel der Schönheit nehmen?! – Dann wird es wohl Zeit für mich, in mich zu gehen! Er erhebt sich. Wer weiß, welchen Jammer ich noch über die Menschheit gebracht hätte, wenn Sie mich nicht zur rechten Zeit zur Besinnung zwängen! Dem Widerstand des tüchtigen Bürgers und tausend Mißerfolgen gelang das freilich nicht, was Ihnen so leichtfällt! Aber deshalb wandeln Sie ja wie die Verkörperung eines Gedankens einher, damit des Erdenwurms dumpfes Hinbrüten ja vor jedem Aufflackern bewahrt bleibe! – – Mein Ausdruck war, daß wir das Opfer nur von denen entgegennehmen, die es bringen können! Warum drängen Sie sich herzu, wenn Sie eine Zwergseele in sich haben?!

FANNY. Ich glaubte, Herrin über mich zu sein, und bin es so wenig wie irgendein Weib! Tag für Tag ringe ich, mich zu überwältigen; aber so verzweifelt ist der Widerstand, als koste die Befreiung zehnfachen Tod! – Unsinn, sage ich mir, Tausende wären dann nicht mehr am Leben! Aber hilft das Wort gegen die furchtbarste Beklommenheit, wenn Blick, wenn Rede, wenn Gebärde unbefangen sein sollen?! Freilich bringt die Not den Weibern jede Verstellung bei. Wäre der Durst nach Freiheit eine Meisterin wie die Not! Dann stiege das[620] Weib durch schrankenlose Selbstbestimung, statt zu Boden zu sinken! Flehentlich. Schenken Sie mir noch einmal Glauben! Mir ist meine Schwachheit verhaßter als mir im Leben noch etwas werden kann!

HETMANN sehr heftig. Mir ekelt in dieser kurzen Spanne Daseins vor Possenspielen! Mit Ihren Beteuerungen sind Sie mir verabscheuungswürdiger, als wenn Sie mir ins Gesicht spieen!

FANNY wirft sich ihm zu Füßen. Nein, nein! Lassen Sie mich das nicht hören! Gehe ich den Weg, den Sie in Ihrem Kopfe ausgedacht, dann bedarf das größerer Kraft, als wenn ein leichtherziges Geschöpf ihn geht! Fußtritte verdiene ich nicht, auch wenn es genügt, Weib zu sein, um in Ihrem Geiste zu leben! Ich bin Weib und mich soll keine Ihrer Anhängerinnen an Gefügigkeit übertreffen! Keine Ihrer Anhängerinnen soll mich an Liebenswürdigkeit übertreffen! Aber ich stehe nicht auf, ich verlasse diesen Platz nicht, ehe Sie mir ein gütiges Wort gesagt haben! – Ich stehe nicht auf, bevor mir Ihre Blicke etwas anderes als Verachtung zeigen ...!


Gellinghausen stürzt mit einem Zeitungsblatt aus dem Nebenzimmer herein.


GELLINGHAUSEN. Herr Hetmann, ich muß Sie leider dringend bitten, auf einen Augenblick herüberzukommen. Eben ist der Untersuchungsrichter in eigener Person bei uns erschienen.

HETMANN. Gewiß, ich komme!


Er macht sich von Fanny los und folgt Gellinghausen ins Nebenzimmer. – Fanny erhebt sich, sucht ihre Fassung wiederzugewinnen, geht auf und nieder, setzt sich hinter einen Schreibtisch, stützt die Ellbogen auf und glotzt vor sich hin.


FANNY. Jetzt also – – dem ersten, der dir entgegentritt – – dem zweiten, dem – – Auffahrend. Will ich es denn so?! Oder will ich es nicht?! – – Entschieden. Nein, es gibt keine Umkehr! Feige zurückweichen? – Nein! Mit dem Bewußtsein kann ich nicht leben!


[621] Fritz tritt durch die Mitteltür ein und legt eine Karte vor Fanny auf den Tisch.


FRITZ. Fräulein Fanny, der Herr bittet um die Ehre.

FANNY liest die Karte. »Walo Freiherr von Brühl.«


Fritz durch, die Mitteltür ab. Darauf tritt Walo von Brühl ein. Er ist ein junger Mann von auffallend durchgeistigter Schönheit, etwa so, wie man sich den jungen Goethe vorzustellen pflegt; kurzes dunkles Lockenhaar und schmaler Schnurrbart.


VON BRÜHL. Ich rechne es mir als ein außerordentliches Glück an, mein gnädiges Fräulein, daß Sie einen Augenblick für mich übrig haben.

FANNY sich erhebend. Bitte.

VON BRÜHL. Ich habe mit größtem Interesse Ihre Aufsätze über »Liebessklaverei« gelesen. Ich fühlte mich dadurch zu weiteren Ausführungen angeregt, die ich Ihnen, bevor sie im Druck erscheinen, gern unterbreiten möchte, damit ich sicher bin, Sie nirgends mißverstanden zu haben. Er gibt ihr ein Manuskript.

FANNY schlägt das Manuskript in der Mitte auf und liest einen Passus. Wäre es denn für uns beide nicht vielleicht anregender, wenn Sie mich mißverstanden hätten oder meinen Ansichten widersprächen? An einem Passus im Manuskript innehaltend. Das kann ich nicht lesen.

VON BRÜHL. Erlauben Sie. Tritt an ihre Seite und liest. »Unfreiheit in der Liebe ist das Ergebnis mittelalterlicher Erziehung, wenn sie nicht auf Qualitätsunterschieden der Rasse beruht.«

FANNY. Glauben Sie daran?

VON BRÜHL. Woran meinen Sie?

FANNY. An das, was Sie hier schreiben, daß Unfreiheit in der Liebe nichts anderes als das Ergebnis mittelalterlicher Erziehung ist?

VON BRÜHL. Ich wäre sonst wohl schwerlich Mitglied unseres Bundes! – Oder sollten Sie versucht sein, an dieser Wahrheit zu zweifeln?

FANNY. Nein; durchaus nicht.

VON BRÜHL mit jugendlicher Wärme. Ich bitte Sie, davon überzeugt zu sein, daß ich den gewaltigen Ernst nicht verkenne,[622] durch den die Hetmannsche Lehre die Gemüter so tief erregt. Es handelt sich um das Unterliegen ideeller Symbole, die vor abertausend Jahren einem kindlichen Menschengeschlecht die Ergebnisse vernünftiger Erkenntnis ersetzen mußten. – Aber verzeihen Sie, mein Fräulein, daß ich mich in Ihrer Gegenwart so weit vergesse, von meinen philosophischen Ansichten zu sprechen!

FANNY. Sagten Sie denn nicht, daß Sie dazu hergekommen sind?

VON BRÜHL. Gewiß. Aber ich kannte Sie nicht.

FANNY. Nun, was wollten Sie einem Blaustrumpf gegenüber denn besseres tun?

VON BRÜHL. Ich könnte Sie zum Beispiel fragen, ob die Bestimmungen unseres Bundes von Ihnen ebenso streng dem Wortlaut nach befolgt werden, wie von anderen Mitgliedern, die ich bis jetzt zu treffen das Glück hatte.

FANNY. Ich war eben schon nahe daran, diese Frage an Sie zu richten.

VON BRÜHL. Dann können wir uns wohl beide die Antwort sparen.


Er legt seinen Arm um sie. Sie überläßt sich ihm ohne Widerstreben. Pause. Die nächsten Worte werden im Flüsterton gesprochen.


VON BRÜHL. Wann bist du mein?

FANNY. Wann du willst.

VON BRÜHL. Heute abend noch?

FANNY. Ja.

VON BRÜHL. Darf ich dich hier abholen?

FANNY. Gewiß. Ich erwarte dich hier.

VON BRÜHL. Auf dein Wort, mein Kind?!

FANNY. Ich erwarte dich!

VON BRÜHL. Heute abend! Darauf in leichteren Ton übergehend. Nun sag mir mal, mein Kind, du kennst wohl Karl Hetmann?

FANNY. Ja, ich kenne ihn.

VON BRÜHL. Ist dieser Hetmann wirklich der gewaltige Geist, der seine Gedanken aus den Tiefen einer aufrichtigen Oberzeugung schöpft und der auch die Fähigkeit besitzt, sie selber zu Ende zu denken?

FANNY hat sich auf einen Sessel niedergelassen. Ich verstehe – dich nicht recht ...[623]

VON BRÜHL geht auf und nieder. Ich habe mich oft gefragt, ob Karl Hetmann nicht eine Art von Naturbursche ist, dem es Spaß macht, mit verblüffend geistreichen Einfallen, die ihm weiß Gott woher kommen, seinen Mitmenschen die Köpfe zu verdrehen!

FANNY vor sich hinstarrend. Gewiß, ich beginne, zu begreifen ...

VON BRÜHL. Kurz und gut, um es mit derben Worten zu sagen: haben wir in Karl Hetmann einen zuverlässigen Geist, auf den sich bauen läßt, oder ist er, was ich immer und immer fürchte, ein sogenanntes Original, eine Reklamegröße, ein Mensch, dem die Befriedigung eigener Eitelkeit höchstes Ziel ist und der sich im stillen über die stets mächtiger anwachsende Bewegung lustig macht, die sein Auftreten zur Folge hat?

FANNY erhebt sich und spricht mit unverkennbarer Leidenschaft. Karl Hetmann ist die größte Menschenseele, die seit langer Zeit geatmet hat. Hetmann steht nicht wie – du und ich in diesem Leben. Jeder Gedanke, den er hegt, jeder Schritt, den er tut, zielt über die Grenzen unseres Daseins hinaus. Seinem eigenen Wohlergehen gegenüber ist er von einer Gleichgültigkeit, von einer Teilnahmslosigkeit, die ich bei dem niedrigsten Tier nicht für möglich halte. Aber das Feuer, das ihn beseelt im Kampf um das, was er der Menschheit erkämpfen will, ward unter Millionen nur einem verliehen!

VON BRÜHL etwas verblüfft. Sprichst du denn von allen Männern, die du kennst, mit solcher Begeisterung?

FANNY. Nein! Nur von einem! Andere Männer kenne ich auch nicht! Aber wenn – du ihn kennst, sprichst du in derselben Weise von ihm! Du vermutest in ihm einen Marktschreier?! Seine Bescheidenheit, seine Hilflosigkeit, sobald er einen Augenblick aufhört, das Werkzeug seines Werkes zu sein, sind förmlich mitleiderregend! Ich habe nicht viel Menschenkenntnis, aber ich halte nur einen Mann für groß genug, wo es den Kampf um Überzeugung gilt, sein Leben wegzuwerfen; und der ist Karl Hetmann!

VON BRÜHL beleidigt. Ich bitte dich, mich mit Karl Hetmann bekannt zu machen![624]

FANNY ängstlich. Gewiß – aber nicht heute. Morgen – morgen werde ich – dich mit ihm bekannt machen.

VON BRÜHL. Warum nicht gleich?! Hier auf der Redaktion muß er doch zu finden sein! Deine Ausdrücke stellen mir in Hetmann ein so anbetungswürdiges Götterbild dar, daß ich ihn wenigstens gesehen haben will, bevor ich mit ihm um solche Vergötterung wetteifere!

FANNY erschrocken. Ich verstehe die Worte nicht ...

VON BRÜHL. Warum sagst du mir denn nicht ganz einfach, daß du Karl Hetmann liebst? – Was solch ein Heros sein eigen nennt, bleibt mir unantastbares Heiligtum, solange ich mich nicht davon überzeugt habe, daß ich dessen mindestens ebenso würdig bin wie er! Deshalb bitte ich dich, um unseres Glückes willen, führ mich zu ihm!

FANNY verzweifelt. Barmherziger Himmel, wie konnte ich Sie so kränken!

VON BRÜHL. Du hast mich gar nicht gekränkt! Aber soll es mir denn gefallen, mir in den Armen eines Mädchens von Männern vorschwärmen lassen zu müssen, die tausendmal bedeutender sind als ich, ohne daß ich ein vernünftiges Wort darauf erwidern kann?! Ich will ihn sehen, um selber eine Ansicht über ihn zu haben. Derweil du mit dir darüber ins klare kommst, ob ich seiner Bekanntschaft nicht unwürdig bin, gelingt es mir vielleicht selber, den Weg zu ihm zu finden!


Er wendet sich der Mitteltür zu. Im gleichen Augenblick treten Gellinghausen und Berta Launhart durch die Mitteltür ein.


GELLINGHAUSEN zu von Brühl. Entschuldigen Sie, mein verehrter Herr, aber Sie können hier jetzt nicht hinaus. Unsere Haustür ist durch zwei Kriminalschutzleute besetzt. Bevor der Untersuchungsrichter die Haussuchung beendet hat, darf niemand die Redaktion verlassen. Zu Fanny. Sagen Sie mir, Fräulein Fanny, haben Sie vielleicht eine Ahnung, wo Herr Launhart ist? Fräulein Berta erzählte mir, seine Frau befinde sich zu Hause in der furchtbarsten Aufregung darüber, was aus ihrem Mann geworden sein könnte.

FANNY. Ich habe Herrn Launhart heute noch gar nicht gesehen.[625]

GELLINGHAUSEN zu von Brühl. Wenn Sie durchaus hinausgelangen wollen, tun Sie wohl am besten, gleich mit hinüberzukommen und sich direkt an den Untersuchungsrichter zu wenden.

VON BRÜHL. Ich danke Ihnen. Ich könnte mir gar nichts Besseres wünschen.


Gellinghausen und von Brühl gehen nach links ins Nebenzimmer.


BERTA. Gott sei Dank sind wir einen Augenblick allein! – Fanny, ich muß eine Frage an dich richten! Denk von mir, wie du willst; das hat für mich von jetzt an keine Bedeutung mehr. Seit Wochen fliehe ich wie ein gehetztes Tier vor dieser Aussprache, aber dieses Elend ertrage ich nicht mehr! Ich muß die Wahrheit wissen, und sei sie mein Tod! Kniet vor ihr nieder. Fanny, versprich mir nur das eine: Antworte mir aufrichtig! Ohne Erbarmen! – Versprichst du mir das, Fanny? Willst du mir die ganze Wahrheit offen gestehen?

FANNY. Berta, ich – ich habe keine Geheimnisse! Was ängstigt dich denn so entsetzlich?! Sprich doch nur um Gottes willen!

BERTA. Wirst du mir aufrichtig antworten, Fanny?! – Sprich nur das eine Wort aus: Wirst du alles eingestehen?!

FANNY beklommen. Ja, ja, Berta! Ich bitte dich, quäl mich nicht länger! Du weißt ja nicht, wie es mir ums Herz ist!

BERTA. Man sagt – alle Welt sagt es! – und so wird es ja wohl auch sein: – du hast ein Verhältnis mit Karl Hetmann!

FANNY. Mit – Karl Hetmann? – Ich?

BERTA. Mit Karl Hetmann! Mit ihm! Ja, ja! – Sprich doch um Gottes willen! Du hast ein Verhältnis mit ihm?!

FANNY. Nein.

BERTA. O Fanny, du belügst mich!

FANNY. Nein. – Ich habe nichts mit ihm.

BERTA. Aber mein Bruder sagt es! Meine Schwägerin sagt es! Gellinghausen sagt es! Die Spatzen pfeifen es ja von den Dächern, daß du, Fanny, seine Geliebte bist!

FANNY. Beruhige dich. Hetmann kennt mich nicht anders als wie hundert und hundert Menschen mich kennen, die hier täglich ein und aus gehen.[626]

BERTA. Ich zittre davor, es zu glauben! – Sollte das wirklich wahr sein, Fanny?!

FANNY. Du brauchst ihn ja nur selber zu fragen.

BERTA erhebt sich und trocknet ihre Tränen, immer noch in großer Erregtheit. O Fanny – ich höre nur noch, wie dem Ertrinken nahe, hoch über mir die Strudel durcheinandertosen. – Daß du ihn nicht lieben kannst, dessen war ich ja gewiß! Du kannst deine Liebe nur einem schönen Menschen schenken! Aber er muß dich lieben und mich verabscheut er! Mich kann er nicht sehen, ohne daß ihn ein Grauen erfaßt! – Aber sag mir, Fanny, läßt sich etwas Grausameres ausdenken, als wenn ein Weib in dem Augenblick, wo es nach langer trostloser Leere menschlich erwacht, wenn dies Weib in dem Augenblick seine herrlichsten Hoffnungen verwirklicht sieht und dann mit all seinem Empfindungsüberschwang zurückgestoßen wird! – durch Fußtritte, die kaum darauf achten, wen sie treffen, zurückgestoßen wird! – – Verdient habe ich mir das wohl! Warum kannte ich ihn nicht gleich! Warum raste meine Mißgunst gegen seine Schön heitsverherrlichung! – Was hat man mit aller Frauenrechtlerei denn je zu erringen gehofft, was nicht ganz und gar in seinen Weltplänen eingeschlossen ist! – – Sie beruhigt sich allmählich. O Fanny, wie dank ich dir! Wie bin ich glücklich! – – Hätte ich nun nur meinem Bruder mein Vermögen wenigstens nicht für seine Spekulationen ausgeliefert! Dann besäße ich doch noch etwas, womit ich ihm nützen könnte und stände nicht mit leeren Händen vor ihm! Da von links Stimmen und Schritte laut werden, sich scheu zurückziehend. Da kommt er ...!


Untersuchungsrichter Dr. Mittenbach, Karl Hetmann und Gellinghausen treten aus dem Nebenzimmer ein.


DR. MITTENBACH. Es tut mir unendlich leid, meine Herren, aber ich kann Sie mit dem besten Willen nicht freigeben, solange Sie Ihren Chef nicht zur Stelle schaffen. Der Staatsanwalt hat Herrn Launhart einen Stellungsbefehl geschickt und Herr Launhart hat dem Befehl nicht Folge geleistet. Dadurch werden die Herren ebenfalls fluchtverdächtig.[627] Hätte sich Herr Launhart einfach gestellt, dann wäre jede Verhaftung von vornherein ausgeschlossen gewesen.

GELLINGHAUSEN zu Hetmann. Ich habe mich telegraphisch an seinen Schwiegervater, den Staatsminister, gewendet. Wissen Sie, was er mir antwortet?

HETMANN. Nein, ich will es auch nicht wissen.

DR. MITTENBACH hat sich, gemütlich auf einen der Schreibtische gesetzt und schlenkert mit den Beinen. Nun, was antwortet er Ihnen denn?

GELLINGHAUSEN ein Telegramm verlesend. Er telegraphiert: »Verbitte mir in dieser Angelegenheit jede weitere Belästigung.«

DR. MITTENBACH. Der Herr schwebte wohl so als eine Art von Schutzgeist über dem ganzen Unternehmen?


Ein Kriminalschutzmann in Zivil, mit Radfahrerstulpen über den Stiefeln, überbringt Dr. Mittenbach einen Brief.


DER KRIMINALSCHUTZMANN. Von der Staatsanwaltschaft, Herr Untersuchungsrichter.

DR. MITTENBACH entnimmt dem Brief ein Telegramm, das er durchfliegt. – Jetzt, meine Herren, so aufrichtig ich diese traurige Wendung bedaure, muß ich Sie bitten, mich zu begleiten.


Fanny und Berta stoßen beide unwillkürlich einen kurzen Laut des Schreckens aus.


DR. MITTENBACH. Aber, meine Damen! Den Herren geschieht ja doch nicht das Geringste. Kommen Sie recht häufig, die Herren zu besuchen. Dafür sind sie Ihnen dankbarer, als wenn Sie jetzt unnötigerweise die Aufmerksamkeit auf uns lenken. Wenn alles mit rechten Dingen zugeht, dann ist die Angelegenheit in sechs Monaten abgemacht. Wir haben jetzt Januar; im Juli wird alles überstanden sein. Das ist doch schließlich kein so furchtbares Unglück.

GELLINGHAUSEN. O durchaus nicht! Ich fühlte als reicher Mann die Verpflichtung, nicht nur mein Geld, sondern auch meine Arbeit in den Dienst meiner Mitmenschen zu[628] stellen. Ich hätte mir niemals träumen lassen, daß ich mit solchen Grundsätzen auch noch ins Gefängnis kommen werde!

HETMANN stammelnd, fast wie vom Schlag getroffen. He – Herr – Untersuchungsrichter – – heute in – in acht Tagen wird hier ein großer internationaler Kongreß eröffnet – dessen Verhandlungen ich zu leiten be – auftragt bin ich biete Ihnen – natürlich nur für die Dauer des Kongresses – an Kautionen – an Sicherheiten alles – alles – alles ...

DR. MITTENBACH. Kautionen, Herr Hetmann, können in einem Fall, wo das Vertrauen einmal verletzt wurde, nicht mehr entgegengenommen werden. Ihr Chef schickt selbst an die Staatsanwaltschaft dieses höhnische Telegramm hier. Lesend. »Werde heute noch vollkommen in Sicherheit sein. Alle Verfolgung überflüssig. Rudolf Launhart.« Zu Gellinghausen und Hetmann. Warum haben Sie den Herrn auch nicht aufmerksamer bewacht und ihn eventuell mit dem geladenen Revolver hier festgehalten! Zu dem Kriminalschutzmann. Holen Sie zwei Droschken!

DER KRIMINALSCHUTZMANN. Es stehen Wagen unten, Herr Untersuchungsrichter.

DR. MITTENBACH. Sie haben Ihr Rad bei sich?

DER KRIMINALSCHUTZMANN. Zu Befehl, Herr Untersuchungsrichter.

DR. MITTENBACH. Dann brauchen wir nur eine Droschke. Sie fahren mit dem Rad scharf hinter uns her!

Quelle:
Frank Wedekind: Werke in drei Bänden. Band 1, Berlin und Weimar 1969, S. 612-629.
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Romantische Geschichten. Elf Erzählungen

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Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für diese preiswerte Leseausgabe elf der schönsten romantischen Erzählungen ausgewählt.

442 Seiten, 16.80 Euro

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