Anderer Aufftrit.


[20] Roderigo, Anaclerio.


ANACLERIO. Jhr Excellentz halten mir es zu Gnaden / daß ich so unverschämt herein gehe: Ich begehre meines Amptes erlassen zu seyn.

RODERIGO. Und warum dieses? sind unsere Dienste nunmehr zu geringe / daß sie euch nicht weiter vergnügen können?

ANACLERIO. Wo der Respect und der Gehorsam gefallen ist / da wird ein Hauptmann auf dem Marckte nicht weiter von nöthen seyn. Ich habe vor wenig Tagen Spott und Verdruß genung empfinden müssen / als mich die kleinen Knaben mit faulen Aepffeln / Feigen und Pflaumen von dem Marckte weg steinigten / also daß ich die Früchte nothwendig ohne[20] Zoll muste passiren, lassen: Ach! nun muß ich etwas erfahren / dagegen ich viel zuschwach bin. Denn die Zollhütten stehen allenthalben in lichter Flammen / die Rechnungen werden zurissen / und wo ein Hauffen Bürger beysammen stehen / so ist dieses die Losung: GOtt gebe dem Könige in Spanien langes Leben / und das böse Regiment hole der Teuffel.

RODERIGO. Es ist eine Wolcke / die bald verschwinden wird. Wo die Rebellion kein Haupt erwehlen kan / da ist an dem glücklichen Wiederstande nicht zu zweiffeln.

ANACLERIO. Ach das Unglück hat schon ein Haupt gefunden / der verfluchte Nahme Masaniello, welcher allbereit vor hundert Jahren ein leichtfertiges Gedächtnis in dieser Stadt erworben hat / wil nunmehr wieder lebendig werden.

RODERIGO. Ich kenne keinen Fürsten / der Masaniello heist.

ANACLERIO. Jhr Exellentz / es ist kein Fürst / aber er ist ein Fischer / der sich rühmt / er wolle den Fürsten die Hälse brechen. Er hat unlängst ein Possen-Spiel mit Kindern angefangen / welche die wohlfeyle Zeit in der Stadt ausruffen solten. Nun stehet er auff dem Marckte gleich als ein Qvacksalber auff einen erhabenen Tische / und wil das gesamte Volck bereden; gleich wie Petrus der Fischer die Stadt Rom aus der Geistlichen Dienstbarkeit gerissen hat: also wolte er als ein Fischer die berühmte Stadt Neapolis von der unerträglichen Dienstbarkeit befreyen.

RODERIGO. Eine eitele Vergleichung / davor sein boßhafftiger Hals an dem Galgen sol belohnet werden.

ANACLERIO. Ich muthmasse wohl / daß er einen unglückseligen Ausgang zuerwarten hat / indessen kan ich nicht beschreiben / was er vor Macht in sei nen Reden gebraucht / und wie das Volck über seiner unverhofften Kühnheit gleichsam entzücket wird.

RODERIGO. Unsre Mußqvetirer sollen dieser Entzückung gar bald abhelffliche Masse geben.

ANACLERIO. Die Gegenverfassung wird sehr geschwinde von nöthen seyn / weil die Raserey noch den blossen Marckt eingenommen[21] hat; wo sie Zeit gewinnet / biß das Gifft auch in andern Gassen seine Operation ausbreitet / so werden die treuesten Diener das wenigste verrichten können.

RODERIGO. So geht demnach / bringet unsre Ordre an die sämbtlichen Hauptleute / daß sie auff jhren Posten parat stehen / wenn man auf den Nothfall zu einer schleunigen Gegenwehr greiffen müste.

ANACLERIO. Ich bin gehorsam.


Geht ab.


Quelle:
Christian Weise: Masaniello. Stuttgart 1972, S. 20-22.
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