Zwanzigster Aufftrit.


[49] Die Vorigen / Xaverio, und hernach die andern Münche.


XAVERIO. Ich höre die Sache wird allzeit gefährlicher / wo sich das Frauen-Zimmer in Sicherheit begeben wil / so dürffen sie nicht verziehen.

BIANCA. Wir wollen gerne folgen / wenn uns der Ort gewiesen wird.

XAVERIO. Der Weg ist gar sichtbar: darf ich so kühne seyn / jhre schöne Hand zu berühren / so wil ich mich zum Wegweiser gebrauchen lassen.

BIANCA. Mein Herr Pater, er ist itzund mein Schutz- Engel / wird er mich wohl aufheben / so wil ich gehorsam folgen.

XAVERIO. Jhr Gnaden tragen keinen Zweifel.

BIANCA. Aber wo bleiben die andern?

XAVERIO. Sie sollen auch versorget seyn. Da kömt schon ein guter Freund / der weitern Befehl hat.


Domenico komt. Xaverio und Bianca gehen ab.


DOMENICO. Die Reihe wird an jhr Gnaden seyn / daß sie in meine Zelle begleitet werden.

ROSSANA. Es ist mir leid / daß sie unsert wegen in vielen heiligen Verrichtungen sollen verstöret werden.

DOMENICO. Die Verrichtung ist auch heilig / wenn so eine schöne Person in Verwahrung genommen wird.

ROSSANA. Ja freylich werden wir diesem heiligen Ort unsre Sicherheit zu dancken haben.

DOMENICO. Jhr Gnaden sorgen nicht / es wird sich niemand an unsern Zellen vergreiffen / und in wehrender Zeit wollen wir schon etwas Heiliges finden / daß uns die Zeit nicht lang wird.

ROSSANA. So lang ich den Herrn Vater beweine / so lang muß mir die Zeit lang und verdrießlich seyn.

DOMENICO. Ich habe einen Rosen-Crantz / der kan alle Thränen und alle Traurigkeit stillen.


Domenico und Rossana gehen ab / Francesco komt.[50]


FRANCESCO. Ha / ha / jhr Gnaden soll ich die Ehre haben / sie in meiner Zelle zubeherbergen?

FLAVIA. Ach! Himmel / ich habe mich vor diesem Unglück gefürcht.

FRANCESCO. Jhr Gnaden entsetzen sich nicht / sie sollen gar wohl accommodirt seyn.

FLAVIA. Ist es nicht wohlgethan / wenn ich hier bleibe?

FRANCESCO. Na / Na / hier können wir nicht gut davor seyn / wenn eine Kriegs Gurgel mit dem blossen Gewehr herein dringen wolte. Aber vor unser Zelle steht ein Engel / daß kein solcher Bube zu uns hinein kan. Jhr Gnaden geben mir die Hand.

FLAVIA. Der Herr Pater geh nur voran / ich wil schon folgen.

FRANCESCO. Ey / ich werde nicht so unhöflich seyn / ich muß sie führen.

FLAVIA. Gewiß / ich wil mich selber führen.

FRANCESCO. Jhr Gnaden fürchte sich nicht / ich wil jhr den Heiligen sagen der in unser Zelle wohnt.

FLAVIA. Ach ich kenne meinen Heiligen schon.

FRANCESCO. Ich wil es gantz heimlich sagen.


Er stellt sich als woll Er sie küssen.


FLAVIA. Gewiß / eh ich diesen Heiligen wil anbeten / eh wil ich wiederum mitten unter die Soldaten lauffen.

FRANCESCO. Aber es ist meiner Ordens-Regel zu wieder / daß ich eine so vornehme Person muthwillig verterben lasse.


Francesco schlept Flavia hinein: Bonavita kömt.


BONAVITA. Jhr Gnaden sind gar allein gelassen worden.

MARINA. Was hilffts / ich wuste es schon / daß sich ein Wohlthäter noch finden würde.

BONAVITA. Wir sind arme Leute / und also können sie unsere Wohlthaten nicht allzu hoch schätzen.

MARINA. Wo man das Leben erhalten kan / da ist die Wohlthat unschätzbar.[51]

BONAVITA. So wird auch unser Glück unschätzbar seyn / daß wir in unserm Kloster solchen schönen Personen das Leben erhalten können.

BONAVITA. Es wird keines Danckes bedürffen / vielmehr wird uns obliegen sehr schön zu dancken / wofern die geringen Zellen jhr Gnaden nicht unangenehm gewesen.

MARINA. Ich bin mit allem Glücke zufrieden. Warum solte mir die Conversation so eines stattlichen Mannes zu wieder seyn?

BONAVITA. Ha / ha / jhr Gnaden schertzen mit dero Diener / doch jhr Gnaden geben mir die Freyheit / dieselbe bey dero Hand zu führen.

MARINA. Ich bin unbekand / ich muß mich führen lassen.

BONAVITA küsset jhr die Hand. Und ich wil mein Amt getreulich verrichten.

MARINA. Das war gewißlich ein Geistlicher Kuß?

BONAVITA. Ach nein / es war eine Höfligkeit / die ich noch im weltlichen Stande gelernet habe. Wenn ich aber wissen solte / daß jhr Gnaden dadurch wären beleidiget worden / so könt ich meinen Kuß wohl wieder zurücke nehmen.


Er küsset jhr die Hand noch einmahl.


MARINA. Er nimt mir etwas wieder / welches ich wohl hätte behalten können.

BONAVITA. Jhr Gnaden haben zu befehlen / ich kan es wol wider an einen bessern Ort bringen.


Er küsst sie auf den Backen.


MARINA. Der Herr Pater hat ein kurtzes Gedächtnis: er hat der Hand was genommen / und wil es dem Gesichte zahlen.

BONAVITA. So wil ich es der Hand geben und dem Gesichte wieder nehmen.


Er küsst sie auf die Hand und auf das Gesichte.


MARINA. Mein Herr / ist es doch Schade / daß er seine schwartze Kappe nicht mit einem Cavallier Habit vertauschen soll.

BONAVITA. Jhr Gnaden das Kleid macht keinen Cavallier,[52] unterdessen sind diese Küsse nicht so wol aus einer Weltlichen / als aus einer Geistlichen Liebe hergeflossen.

MARINA. Ich muß die Entschuldigung gelten lassen.

BONAVITA. Wer in ein geistlich Hauß kömt / der muß auch der Geistlichen Manier gewohnen / und muß sich dergestalt in die Armen der Christlichen Liebe schliessen lassen.


Er umfasst sie.


MARINA. Dem Herr Pater hab ichs zu dancken / daß ich die Christliche Liebe verstehen lerne.

BONAVITA. Und jhr Gnaden hab ichs zu dancken / daß ich in diesem einsamen Orte die Christliche Liebe nach meinem Wunsch erfüllen kan.

MARINA. Wo soll ich aber hingeführet werden?

BONAVITA. An einen geringen Ort: doch welchen eine vornehme Person nunmehr so berühmt machen wird / daß ich alle vornehme Stiffts-Kirchen dagegen verachten wil.

MARINA. Seine Wohnung wird ohne dem berühmt seyn / weil er ohne Zweifel unterschiedene Heiligen wird zu Patronen angenommen haben.

BONAVITA. Ich habe meine Patronen gar höflich gebeten / sie möchten mich auff eine Zeit verlassen / weil ich eine unverstorbene Heilige zu meiner Beschützerin annehmen wolle.

MARINA. Der Herr Pater beschämt mich mit seinen Worten / und aus allen Umständen kan ich schliessen / daß Geistliche Personen auch schertzen können.

BONAVITA. Ich wolte wünschen / daß meine Worte in keinem Schertze verstanden würden.


Inwendig wird ein Gepolter.


MARINA. Hilff Himmel wir sind verdorben!

BONAVITA. Jhr Gnaden sollen nicht verderben / und wenn ich sie mit den Flügeln meiner Kappe bedecken solte.


Sie gehen ab.


Quelle:
Christian Weise: Masaniello. Stuttgart 1972, S. 49-53.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Masaniello
Masaniello: Trauerspiel
Masaniello
Masaniello

Buchempfehlung

Haller, Albrecht von

Versuch Schweizerischer Gedichte

Versuch Schweizerischer Gedichte

»Zwar der Weise wählt nicht sein Geschicke; Doch er wendet Elend selbst zum Glücke. Fällt der Himmel, er kann Weise decken, Aber nicht schrecken.« Aus »Die Tugend« von Albrecht von Haller

130 Seiten, 7.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Geschichten aus dem Sturm und Drang II. Sechs weitere Erzählungen

Zwischen 1765 und 1785 geht ein Ruck durch die deutsche Literatur. Sehr junge Autoren lehnen sich auf gegen den belehrenden Charakter der - die damalige Geisteskultur beherrschenden - Aufklärung. Mit Fantasie und Gemütskraft stürmen und drängen sie gegen die Moralvorstellungen des Feudalsystems, setzen Gefühl vor Verstand und fordern die Selbstständigkeit des Originalgenies. Für den zweiten Band hat Michael Holzinger sechs weitere bewegende Erzählungen des Sturm und Drang ausgewählt.

424 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon