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[55] Caraffa, Matelone, Ristaldi.
CARAFFA. Bey solcher Beschaffenheit steht die Sache gar gefährlich.
RISTALDI. Es ist nicht anders als ich sage. Der Vice-Roy hat[55] eine geschriebene Versicherung dem Volcke überliefert: allein sie haben nicht genung daran / biß die alten Privilegia an den Tag kommen / und dergestalt das gemeine Wesen auf den Fuß gesetzet wird / darauff es vor hundert Jahren geruhet hat.
CARAFFA. Die Foderung ist ziemlich hart. Daß sie aber noch weiter zufahren und den Adel um die volle Autorität bringen wollen / dieses wird nicht eher geschehen / als biß uns ingesamt die Hälse gebrochen seyn. Was? hat der Adel von so langer Zeit her vier Vota gehabt / da hingegen das Volck nur mit einen sich behelffen müssen? und anitzo sollen wir die Fischer-Knechte und das andere Lumpen- Gesinde so weit kommen lassen / daß sie mit den Votis dem Adel gleiche werden? so wolt ich lieber die gantze Stadt in Gifft und Brande verderben sehen.
RISTALDI. Ich weiß aber nicht / wie dem Ubel wird zu begegnen seyn. Die Zurüstung ist überaus erschrecklich. Alle Kaufleute / welche mit Gewehr und Munition handeln / die müssen jhren Vorrath heraus geben. Einer der auff Befehl des Masaniello mit seinem Pulver nicht heraus wolte / dem ist das Hauß in die Lufft gesprenget worden / darbey über 60. Personen jämmerlich zerschmettert sind: und es fehlete wenig / so hätten sie den Königlichen Pulver-Thurm preiß gemacht / wenn das Pulver nicht in aller Eil wäre in das Wasser geworffen und verderbet worden. Ach! so weit haben wir es gebracht / daß wir uns selber entwaffnen müssen / wofern wir gegen dem Feinde wollen sicher seyn!
CARAFFA. So werden wir doch eines wagen müssen / ob meines Herren Bruders Autorität bey dem Volcke was ausrichten möchte.
RISTALDI. Ihr Excellentz der Herr Vice-Roy wird an dieser Resolution ein sonderbahres Gefallen haben / und ich werde nicht säumig seyn / solche angenehme Zeitung zu überbringen.
CARAFFA. Er kan seine Botschafft ausrichten / wir wollen das unsrige thun.
[56] Ristaldi geht ab.
MATELONE. O verfluchte Zeit / da wir dem gemeinen Pöbel schmeicheln müssen!
CARAFFA. Die Zeit möchte noch verfluchter seyn / wenn unsere Schmeicheley nicht verfangen wolte.
MATELONE. Mich düncket / meine Anschläge werden die besten seyn. Es sind etliche Banditen auf des Volckes Seiten getreten / dieselben möchten sich durch unsre Geschencke zu etwas bewegen lassen.
CARAFFA. Die Banditen sind zu schwach.
MATELONE. Wo die Gewalt nicht zulangen wil / da wird ein listiges Stücke den Ausgang erhalten.
CARAFFA. So lange die offene Gewalt zu rasen pfleget / so lange sind die listigen Anschläge sehr zweifelhafftig.
MATELONE. Ich meine / man muß etliche hundert tausend Personen weniger machen.
CARAFFA. Bewehrte Leute lassen sieh nicht so leicht tod schlagen.
MATELONE. Wir haben einen freyen Zutrit zu dem Wasser / welches durch Canale in die Stadt geleitet wird: vielleicht wird solches vergifftet / so fallen unsre Feinde wie die Fliegen dahin.
CARAFFA. Es ist ein Werck von grossen Nachdencken.
MATELONE. In solchen Fällen wird das überflüssige Nachdencken zur Thorheit.
CARAFFA. Das Ubel möcht auff unsern Kopff kommen.
MATELONE. Wenn die Fliegen gestorben sind / so werden sie unsre Köpffe zu frieden lassen.
CARAFFA. Der Herr Bruder bildet sich den Außgang gewisser ein als man hoffen kan.
MATELONE. Der Bandite Peronne hat mir vor dieser Zeit etliche getreue Dienste gethan. Alldieweil er nun bey dem Masaniello sehr viel zu sprechen hat / so wird er sich leicht bereden lassen / das Volck mit Gifft / und den Fischer-Knecht mit einer Kugel aus dem Wege zu räumen.[57]
CARAFFA. Wir wollen zuvor die Leutseligen Mittel versuchen / biß wir zu ärgern Sachen genöthiget werden.
MATELONE. So lange wir Leutselig seyn / so lange bemühen wir uns vergebens: Doch unsre Grausamkeit muß durch solche Bemühung entschuldiget werden.
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Masaniello
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