Neundter Auffzug.


[68] Cunigunda, Zabisch. Wentzel, Rudolf, ein junger Graf / kommen gelauffen.


WENTZEL. Ach Frau Mutter ich bin halb tod!

RUDOLF. Das Unglück will allerseits auff unser Leben zustürmen.

CUNIGUNDA. Behüte GOtt / vor was sollen wir noch einmahl erschrecken?

WENTZEL. Ach Frau Mutter vor meinem Unglück.

RUDOLF. Und vor einer tödtlichen Gefahr / darauß dieser theure König mit Kummers-Noth entwichen ist.

CUNIGUNDA. Ich sehe schon / das Verhängniß will nicht eher ruhen / als biß das Königreich Böhmen ein Exempel der allerunglückseligsten Königin von der Welt angesehen hat. Ach mein Herr Söhn! seyd ihr todt? ach! ihr könnet euch noch fürchten; seyd ihr lebendig? ach nein die Furcht ringet fast mit dem Tode.

ZABISCH. In gefährlichen Begebenheiten muß man den gefährlichen Klagen einen Stillstand vergönnen. Was ist geschehen / darüber wir uns entsetzen sollen?[68]

WENTZEL. Ach ich kans nicht sagen.

ZABISCH. So wird der kleine Herr Graff die Erzehlung etwas besser thun.

RUDOLF. Ich bin es schuldig / und ich kan auch das jenige besser erzehlen / welches ich mit meinen Augen gesehen habe.

ZABISCH. Ach wie werden wir auffgehalten.

RUDOLF. Der junge König spatzirte mit mir auff dem Schloß-Hofe herum / und wolte sich gegen den Königlichen Garten wenden / als ein Bär sich in der Furie von seiner Kette loß rieß / und seinen grimmigen Lauff gleich auff diesen unschuldigen König fortsetzen wolte.

ZABISCH. Zwey Dinge scheinen mir unmöglich. Das grimmige Thier kan sich von der starcken Kette nicht loß machen / und das zarte Kind würde einer solchen Bestie nicht entkommen seyn. Es ist nicht anders / ihr habt mit wachenden Augen geträumet.

RUDOLF. Freylich war es Wunder / daß wir so glücklich entkamen / denn zu allem Glücke war ein Hoffjäger zugegen / der eine Probe von den raresten Hunden aus Engelland bey sich hatte / dieser eintzige Hund war dem grimmigen Thiere gewachsen / biß wir entrinnen kunten / was sie nun ferner angaben / das mögen andre Leute sagen.

ZABISCH. Ich muß das unordentliche Wesen in Augenschein nehmen / auff die letzt wird kein Mensch im Lande / in der Stadt / auff dem Königlichen Schlosse nicht sicher seyn. Geht ab.

CUNIGUNDA. Ach mein liebster Herr Sohn / hat die Furcht etwas nach gelassen: Das Hertze hört noch nicht auff zu[69] klopffen / ach soll euch etwan durch einen Kuß geholffen werden?

WENTZEL. Liebste Frau Mutter / ich werde mich zu Bette legen / damit will ich alles auff den morgenden Tag überstanden haben.

CUNIGUNDA. Nun so last es auch bald geschehen. Herr Graff sehet / daß nichts unterlassen wird / schickt zum Herrn MEDICO, der ihm die Gefahr mit BEZOARDIschen Sachen vom Hertzen abtreibt.

RUDOLF. Ich werde meine Schuldigkeit in acht nehmen.

CUNIGUNDA. Aber ihr mein liebster Herr Sohn / sehet da habt ihr eine Stärckung von gebackenen Zuckerwercke / nehmt dieselbe zu euch / vielleicht wird euch das Labsal zu neuen Kräfften dienen.

WENTZEL. Ich bedanck mich zum allerschönsten.

CUNIGUNDA. Wenn man sich bedanckt / so muß solches durch einen Kuß geschehen. Ach meine Seele lebet ewig wohl. Gehet ab.


Quelle:
Christian Weise: Sämtliche Werke. Berlin und New York 1971 ff., S. 68-70.
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