[109] Die Vorigen / auff der Seite. Martin, Berthold, Bürger von Zittau. Rosine, dessen Frau.
MARTIN. Ich muß gestehen / das böhmische Volck ist recht gutthätig Volck.
BERTHOLD. Ja es isset gerne selber / und sieht auch gerne essen.
ROSINE. Je nu was sie an uns thun / das thun wir ihnen wieder / wenn sie auff die Sitte kommen.
MARTIN. Wir begehren es auch nicht umsonst / sie mögen in GOttes Nahmen wiederkommen.[109]
BERTHOLD. Aber wo haben wir unser Lisel gelassen?
ROSINE. Es lieff ja immer da herum / es kan mir nun auff einmahl nicht verschwunden seyn.
MARTIN. Ich sehe gleichwohl kein Liesel / hui / daß wir Unglück mit dem Kinde haben.
BERTHOLD. Ich spreche wohl immer / wer auff der Reise will lustig seyn / der lasse die Kinder zu Hause.
ROSINE. Warum habt ihrs nicht zu Hause gelassen?
BERTHOLD. Bin ich Ursache dran?
ROSINE. Wenn ihr aber so klug seyn wollet / so hättet ihr mirs sollen verbieten / so wäre das Mädel zu Hause blieben.
BERTHOLD. Ihr last euch wohl viel verbieten. Wenn man einmahl einen guten Tag haben will / so muß man wohl zu manchen Narrenpossen stille schweigen.
ROSINE. So wolt ich itzund auch stille schweigen.
BERTHOLD. Es hat sich wohl geschwiegen / wenn man sein Fleisch und Blut einbüssen soll.
ROSINE. Mit schnurren und purren wird es auch wiederkommen / wo habt ihrs hingethan / da sucht es.
BERTHOLD. Frau last mich zu frieden / wenn ich Gäblisch Bier getruncken habe / so ist mir nicht zu trauen.
ROSINE. Ist denn mir zu trauen / wenn ich Gäblische Semmeln gefressen habe? Kommt doch her und sagt mir / was euch fehlet.[110]
BERTHOLD. Mein Lisel fehlt mir.
ROSINE. Mir fehlt auch eins.
MARTIN. Ihr wunderlichen Leute / so fehlt euch allen beyden was / da ist gleich der Ort / da man sich zancken will / hat sich das Kind verlauffen / so wird sichs auch wiederfinden: Und sehet / wären wir lange so klug gewesen / und hätten dorthin gesehen / so wäre der Streit auff einmahl nach geblieben.
ROSINE. Je du loses Kind / harre daß du deiner Mutter entlauffen bist / ich will dich mehr mit auff die Gabel nehmen.
LISEL. Ach liebe Mutter / da hab ich ein schön Kind gefunden / das soll mein Freyer seyn.
ROSINE. Ja es siehet gleich darnach aus. Nein er trägt kein Kleid von Sittauischen Tuche / du wirst ihm einmahl nicht gut genung seyn.
BERTHOLD. Mein Kind / wie kommt ihr an diesem Ort?
WENTZEL. Ich weiß selber nicht.
BERTHOLD. Aber in einem solchen Pusche kan man Unglücke haben.
WENTZEL. Ach ich armes Kind ich habe Unglücke / wo ich hinkomme.
BERTHOLD. Wer seyd ihr denn?
WENTZEL. Entweder ich weiß nicht / oder ich darf es nicht sagen.
[111] Indem er redet / spielet Lisel allezeit mit seinen Händen.
BERTHOLD. Ey wir sind redliche Leute / bey uns mag eine Sache wohl gesagt werden.
WENTZEL. Ach ihr sehts an meinem Kleide wohl / daß ich nicht in den Pusch gehöre.
BERTHOLD. Und dessentwegen wolten wir gerne wissen / wo man euch auff den Weg bringen könte.
WENTZEL. Ach ich verlange nicht auff den rechten Weg.
BERTHOLD. Das ist wunderlich / wenn solche Kin der den Weg da neben lauffen / so nimmt man sie gerne mit Gewalt / und führet sie wieder zu rechte.
WENTZEL. Ach last mich gehen / ich bin der junge König WENTZEL.
BERTHOLD. Ach Herr König wie ist das möglich?
WENTZEL. Es ist möglich / meine Frau Mutter will mich hinrichten lassen / damit bin ich in der Flucht / und weiß nicht wo ich bleiben soll.
BERTHOLD kehrt sich um zu Martin. Wir sind ehrliche Unterthanen / wir werden den König nicht verderben lassen / wir wollen ihn mit auff die Sitte nehmen / ehe er da im Pusche wer weiß was ausstehen soll / ehe mag er bey uns essen und trincken / was wir haben.
MARTIN. Es ist so eine Sache / wenns darnach die Königin verdreust / so kommen wir auch in S. Veltens Küche.[112]
BERTHOLD. Und wenn wir so unbarmhertzig seyn / so kans uns der König auch einmahl gedencken.
MARTIN. Je nu macht was ihr wollt / dürffen wir doch kein groß Wesen davon machen / wenn wir in die Stad kommen / wir schuppen auff den Abend zur Mandauischen Pforte hinein.
BERTHOLD. Ja ja / wenn er in meinem Hause ist / so will ich ihn darnach nicht viel lassen zum Fenster heraus sehen. Kehret sich um gegen den König. Nun mein Herr König / wir sind getreue Unterthanen von der Sitte / will er mit einer schlechten Herberge vorlieb nehmen / so wollen wir ihm so viel vorsetzen als das Hauß vermag / wir sind da gleich zu Lückendorff / ehe wir in die Stad kommen / so wirds fein finster werden: Aber ich dencke / wir wollen gar gut zur Mandauischen Pforte hineinkommen.
WENTZEL. Ich will euch gerne folgen / wird mir eine Wohlthat von euch erwiesen / so will ichs nicht vergessen.
LISEL. Aber wenn ihr gleich ein König seyd / so bleibt ihr gleichwohl mein Freyer.
ROSINE. Nu nu du muthwillige Hummel / du must nicht so wilde thun.
BERTHOLD. Er lasse sich führen Herr König.
WENTZEL. Ich bedarff es auch wohl / ich bin gantz müde. Gehen ab.
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