Drey und zwantzigster Auffzug.


[155] Wentzel, schlaffende. Der Geist Ottocarus. Zabisch, Cunigunda hernach.


OTTOCARUS. Soll ich dir antreffen / du eintzige Stütze meines Königlichen Nahmens? ist dir von deinem Königreiche nichts übrig bleiben / als dieser abgelegne Winckel des Böhmischen Gebürges? Ach ja du schläffest / und du kanst auch schlaffen / denn ich habe dir eine Stadt an der Neisse gebaut / welche dich so lange beschützen soll / biß die volle Beschützung von dem Himmel wird erhalten seyn. Unterdessen mein Sohn / da du mich mit wachenden Augen nicht sehen kanst / da es auch unmöglich ist / von Sittau in die Königliche Burg nach Prage zu sehen / so laß dir im Traume vorstellen / was daselbst würcklich getrieben wird. Du bist noch ein Kind / doch was du nicht verstehest / das behalt in deinem Hertzen / biß der Verstand mit den Jahren kommen wird. Er tritt auff die Seite / die andern kommen.

ZABISCH. Allerschönste Königin / ist das der Lohn von unserm Beylager / daß wir einander sollen MELANCHOLIsch sehen?

CUNIGUNDA. Ich habe schon viel Verstand / daß unsre Liebe durch einen lieben Tod soll befestiget werden. OTTOCARI[155] sein Nachfolger kan die Stelle nicht vertreten / wenn OTTOCARUS seinen Sohn nicht in jene Welt nachgeholet hat.

ZABISCH. Indessen muß gleichwohl die unschuldige Liebe in meinem Hertzen nicht gantz ohne Trost gelassen werden.

CUNIGUNDA. Den Trost habt ihr deutlich genung auch gewiß gnung.

ZABISCH. Die Liebe will durch euserliche Zeichen versichert seyn.

CUNIGUNDA. Ach sind die Zeichen nicht erkenntlich gnung / was hier stehet / was hier lebet / das ist in eurer Gewalt / wie kan ich denn mehr geben als ich habe / wollt ihr den Sohn haben / nehmt ihn auch / er soll gleichfals in eurer Gewalt seyn.

ZABISCH. Ach wundersüsse Königin / wofern ich diesen Verheissungen begegnen soll / so muß ich mein Haupt krönen lassen.

CUNIGUNDA. Die erste Krone habt ihr in meiner Liebe verdienet / die andre soll etwas prächtiger von dem gesamten Volcke dargebothen werden.

ZABISCH. Ich bin so ehrgeitzig nicht / daß ich mich einer Krone eifrig anmassen wolte: Doch weil meine verliebte Pflicht sonsten einer Unvollkommenheit beschuldiget würde / wenn die Küsse von einem ungekrönten Haupte solten zugezehlet werden / so will ich mich gar gerne zu dieser güldnen Last verstehen.

CUNIGUNDA. Ach mein Engels-Hertze / das habt ihr meinetwegen auszustehen. Die Regirung ist freylich eine Last / und in Betrachtung meiner Liebe last ihr euer Haupt gar willig damit beschweren.[156]

ZABISCH. Heroische Liebe will durch eine heroische Probe bestätiget seyn / es soll nur auch nichts mangeln / nach dem ich mit einer Königlichen Seele vereiniget werde. Ach allerschönste Königin / sie theile mir die Krafft ihrer Majestät mit / und lasse die verliebten Seufftzer meiner Seele zu Tröste kräfftig sein. Sie küssen einander / und bleiben in dieser verliebten Positur.

OTTOCARUS. Ha du Schandfleck meines Hauses / du Unkraut des gantzen Königreichs / bistu von mir in ein Königliches Bette geleget worden / daß mir ein Unterthan auch nach meinem Tode den Purpur besudeln soll? Ich sage dirs / der Königliche Thron soll von keinem Sclaven geschimpffet werden. Wenn ihm der Kopff wird von den Achseln gerissen seyn / so wird König WENTZEL noch mit befestigten Scepter die gegenwärtige Boßheit bestraffen können. Die Zeit ist da / die redlichen Landes-Stände sollen diesen ehbrechrischen Küssen bald einen Stillstand gebieten. Der Himmel fodert Rache / der wird den König beschützen / und den untreuen Meuchelmord allen Verräthern auff den Kopff vergelten. Geht ab.


Die beyden Verliebten ziehen sich sachte in die mittelste Scene, welche zufällt.


Quelle:
Christian Weise: Sämtliche Werke. Berlin und New York 1971 ff., S. 155-157.
Lizenz:
Kategorien: