[288] Pelopia, Aegisth.
AEGISTH der zusammenfährt, als er sie erblickt.
Ah! welche Blässe färbt dein Angesicht?
Ein Schauder schlägt dein zitterndes Gebein?
Dein ungewisses Aug' gießt Flammen aus?
Du keuchst? – weh mir! Was fehlt dir, Königin? –
Ist das Gebot, das Atreus hier für mich
Dir hinterließ, so angst-, so schreckenvoll?
PELOPIA.
Nein, eine Kleinigkeit! Du warst mir stets
Gehorsam, Sohn: wirst du es immer sein?[288]
AEGISTH.
O zweifle nicht! mein Leben ist dein Werk;
Ist's dies? gebeut! und ich gehorche ...
PELOPIA.
Nein:
So gäb' ich meins für deines hin!
AEGISTH.
Was sonst?
Sprich! alles will ich tun!
PELOPIA.
Du willst es tun?
Schwör es bei jenem Schwur, der Götter selbst
Gebunden hält, wenn sie Ambrosia
Und Nektar letzen soll!
AEGISTH.
Was heißt die Furcht,
Die Vorsicht, die du brauchst?
PELOPIA.
Gehorche! schwöre!
AEGISTH.
Ich tu's!
PELOPIA.
Genug! – Geh! töte den Thyest! –
AEGISTH erschrocken.
Ihr Götter! wie? – was sagst du? – hör' ich recht? –
PELOPIA.
Du sollst ihn töten! ja.
AEGISTH.
Ihn? den erst itzt
Der König mir befahl, zu dem Altare
Des Sonnengottes hinzuführen?
PELOPIA.
Ihn!
Es ist des Königs Gebot! Ich will's.
Sein Glück erfordert es, mein Glück und deines.
AEGISTH.
Mein Glück! sprichst du? kauft man ein Glück durch Mord,
Durch Meineid, durch Betrug?
PELOPIA.
Nicht deine Schuld!
Thyest ist ein Verräter! Atreus will!
Ein Untertan folgt, wenn sein König will;
Sonst ist der Tod sein Lohn und deiner!
AEGISTH.
Götter!
Oh! was hab' ich getan! daß du mit mir
So ungewöhnlich sprichst, die du mir sonst
Ganz Freundlichkeit, ganz Mutterliebe warst:
In lieblichen, in süßen Tönen sprachst ...[289]
PELOPIA.
So sprech' ich noch, wenn du gehorsam bist.
In Donnern spricht man Widerspenstigen!
AEGISTH.
Oh! nenne mich nicht so! ich bin es nicht!
PELOPIA.
Du tötest also ihn?
AEGISTH.
Du willst es? – Du? ...
Was hat der arme Greis getan?
PELOPIA.
Welch Recht
Hast du, zu fragen? g'nug! Du sollst –
AEGISTH.
Ein Mord! –
Und nicht einmal soll da ein Sohn die Mutter ...
PELOPIA.
Ich bin auch Königin.
AEGISTH.
Oh! zeige mir
Die Ursach' wenigstens, damit ich nur
Der von geheimer Angst zerrißnen Brust
Die Rechenschaft erteilen kann, damit
Die Ursach' dieser Hand die Kräfte gebe,
Die Tat zu tun, vor der das Herz erbebt? –
Solch eine Tat! ... Oh! ihr Unsterblichen,
Worzu behaltet ihr mich auf!
PELOPIA.
Zum Throne,
Sobald du folgst. – So wenig dir es ziemt,
Die richterliche Frag' an mich zu tun;
So wenig mir es ziemt, dir Rechenschaft
Zu geben, da du unsern Willen weißt:
So lass' ich mich doch noch so weit herab! ...
Doch wehe dir, wo du dann zauderst! – Wisse!
Der Priester und Thyest verschworen sich,
Sobald sie unterm Schutz der Götter sind,
Im Tempel sind, den König von dem Throne
Zu stürzen. – Sprich, was wartet unser dann? –
Glaubst du, daß noch ein Argos für dich ist?
Daß für dich aus der Erd' ein neu Mykene
Entsprießen wird? –
AEGISTH.
Ist die Verschwörung nicht
Ein Hirngespinst, das sich mein Vater macht?
Denn, wisse, Königin! ich habe ganz[290]
Hier das Gespräch des Priesters und Thyests
Gehört.
PELOPIA.
Du leugst! kann dies Gespräch nicht selbst
Verstellung sein? – Kurz, Atreus will! du mußt!
Das Leben des Thyest ist unser Tod,
Er ist's! verlangst du den? – Wohlan! so komm!
Komm her! Undankbarer fang an mit mir!
Hier unter diesem Herzen trug ich dich,
Durchbohr es: schwinge dann den blut'gen Dolch
Frohlockend über mir, indem du mich
Mit Füßen trittst, und preise dann der Welt
Dein Mitleid an, daß du des Fremdlings schonest,
Um deine Mutter ... ah! bist du mein Sohn?
AEGISTH.
Erbarme dich! –
PELOPIA.
Weil du dich mein erbarmst? –
Ha! soll ich hier, in Staub gebeugt, dich flehn?
AEGISTH.
Du tötest mich! –
PELOPIA.
Nein, nein, du tötest mich!
Doch des Triumphs sollst du dich nicht erfreun! –
Erzittre! daß ich dich jemals geliebt!
Hör ein Geheimnis an, das dich und mich
Des Atreus Grimm schnell überliefern soll.
Ha! du bist ein Bastard, nicht Atreus Sohn!
AEGISTH.
Was hör' ich? Götter!
PELOPIA.
Ja; als er mich nahm,
Trug ich schon dich zween Monat lang. – Kein Mensch
Als ich und der, der sie verbrach, weiß sie,
Die Tat. – Als ich bei Nacht einst in dem Haine
Der Pallas opferte, und mir das Blut
An einem nahen Bach von Händen wusch,
Geschah die Tat. Den Frevler kenn' ich nicht:
Zum Glück entriß ich seiner Seit' ein Schwert,
Das dir vielleicht ihn einstens kennbar macht.
Nach der Entheiligung konnt' ich den Dienst
Der keuschen Göttin nicht mehr am Altare
Vollziehn, wo sich die Tat zu leicht verriet,[291]
Und ich durch Schimpf, Verachtung, Qual und Tod
Bestrafet ward. Ich suchte Schutz am Hofe
Des Theosprotus, wo mich Atreus sah,
Mich liebgewann, und zu dem Thron erhob. –
Du weißt nun alles! komm! begleite mich
Zum Atreus; alles will ich ihm entdecken,
Damit sein Zorn von dem Thyest auf mich
Und dich geschüttet sei! komm! unverweilt
Komm fort, du Mörder! komm! nicht mehr mein Sohn! ...
Du weinst?
AEGISTH.
Was soll ich tun? – Hier bin ich – ach!
Gebeut! ich will es tun! bewaffne mich!
Führ meine Hand! und zittert sie zurück
Und weigert sie den Mord: so stoße schnell
Dem Ungehorsamen durchs Herz! –
PELOPIA.
Genug!
Ich finde dich itzt wieder! O mein Sohn!
Mein Herz bebt selbst vor dieser blut'gen Tat;
Allein sie muß geschehn! – Der Götter Fluch
(Ist es ihr Wille nicht) fall auf das Haupt
Des Atreus hundertfach! Thyestens Blut
Wasch unsre Hände rein von aller Schuld! ...
Komm, deines Vater Schwert umgürte dich.
War er ein Held, so füll' es dich mit Mut
Und schaffe dir, da er dir nichts verließ,
Als dies; zum wenigsten Mykenens Thron!
AEGISH.
Ich folge dir –
Pelopia geht ab.
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