Siebender Auftritt

[38] Hannchen. Töffel versteckt.


HANNCHEN.

Du süßer Wohnplatz stiller Freuden,

Du kleines Dörfchen wohl wohl mir!

So find ich unter deinen Weiden

Aufs neu der Liebe Glück in Dir.

Was ist die Pracht von goldnen Wänden

Wohl gegen eine grüne Flur?

Was alle Kunst von tausend Händen

Beym Reiz der lächelnden Natur?

Doch, wird mich noch mein Schäfer lieben,

So zärtlich, treu als vormals seyn?

Mir glauben, daß ich treu geblieben,

Und mir mein Unglück auch verzeihn?[38]

O ja, hört er nur meine Klagen,

Steht er nur meiner Liebe Schmerz:

So wird sein Mund mir wieder sagen,

Sein Herz sey mein, wie sein mein Herz.

TÖFFEL der hervortritt. Man sollte drauf schworen, es wäre alles wahr, was sie sagt! – Ha! guten Tag, Mamsell Hannchen! denn in der Figur da heißt sie doch nicht mehr Hannchen schlecht weg?

HANNCHEN. Willkommen, mein lieber Töffel! o wie freue ich mich, daß ich Euch zuerst finde!

TÖFFEL. Also kennt sie mich doch noch? Ich dachte immer, daß sie in dem schönen Trarara, das sie um sich hat, nicht mehr wüßte, daß ich Töffel hieß.[39]

HANNCHEN. Ich sollte meine alten lieben Freunde nicht mehr kennen? – O Töffel, wenn Ihr wüßtet – –

TÖFFEL. O ja, ich weiß alles. Sie kömmt vermuthlich aus der Stadt, oder gar vom Hofe, und ist eine große, große Madam geworden, die man da Maitressen titulirt? – – Pfuy! sie sollte sich zu Tode schämen, daß Sie sich wieder vor unser einem sehen läßt.

HANNCHEN. Ach! mein lieber Töffel, Ihr thut mir sehr unrecht! Wenn ich das wäre, was Ihr denkt, so würde ich mich freylich zu todte schamen. Aber – –

TÖFFEL. Aber nu, warum thut Sies denn nicht?[40]

HANNCHEN. Weil ich unschuldig bin. Der verwünschte Graf von Schmetterling entführte mich zu einer Zeit, da ichs am wenigsten vermuthete, er schaffte mich nach der Stadt, und hat mich die ganze Zeit über eingesperrt gehabt. O! was habe ich nicht ausgestanden! endlich hat mir meine Unschuld Muth und Kräfte verschafft: ich bin entsprungen, so wie Ihr mich seht. In dem Augenblicke komm ich erst an. Noch habe ich nicht einmal meine gute Mutter gesehn, und so viel Zeit gehabt, diese Kleider abzulegen, welche Ankläger meiner verlornen Ehre zu seyn scheinen. –

TÖFFEL. Ankläger der verlornen Ehre? – Ha ha ha! Wie das redt, wie das schwatzt! freylich so schön lernt man nur auf den Edelhöfen reden![41] die großen Monsieurs müssen den Mädchen den Verstand öffnen: da lernen sie schön reden und schlecht thun. – – Aber denkt Sie denn, weil sie Verstand hat, daß wir deswegen Schöpse sind? Ja! sieht Sie, wenn Sie wie ein Buch redte, so glaube ich Ihr doch nicht so viel.

HANNCHEN. Ach! mein lieber Freund, wenn Ihr mich nur hören wolltet! –

TÖFFEL der sie unterbricht. Ich? Ihr lieber Freund? Ihr lieber Freund? nichts vom Freunde! denn Sie hat den armen Christel sitzen lassen, dem Sie doch zuvor weis machte, Sie wäre ihm gut. Sie ist einen großen Monsieur nachgelaufen, der Sie doch nicht nehmen kann. Sie hat ihre Ehrlichkeit um die hübschen Lumpen da verkauft, damit sie nicht wie unser[42] einer gehen darf! und ich, ich sollte der gute Freund von einer solchen Kreatur seyn? Nichts für mich? Nichts von Freundschaft, so wahr ich Töffel heiße. Versteht Sie mich?

HANNCHEN. Noch einmal, mein guter Töffel! Ihr seyd ganz falsch berichtet: wenn Ihr mich nur anhören wolltet.

TÖFFEL. Ganz falsch? je nicht doch! Ists nicht wahr, daß Sie das ganze Dorf aufrührisch gemacht hat? ists nicht wahr, daß Michel, der Richter und reichste Nachbar im Dorfe Ihr Christeln, seinen Sohn, zum Manne geben wollen? daß Sie davon gelaufen, oder sich entführen lassen; denn am Ende läufts doch auf eines hinaus? ists nicht wahr, daß Sie Schuld ist, daß Michel mir Rösen nicht[43] geben will? denn wenn Christel Sie geheurathet hätte, so hätte sich gewiß Michel nicht so gesperrt, mir Rösen zu geben: aber so ist er auf einmal rappelköpfisch geworden. – Und ist nicht Christel ein hübscher Kerl, der lateinisch lesen, und rechnen und schreiben kann, daß es eine Art hat? Ist das nicht alles wahr? – Heh! kann sie es läugnen? heh?

HANNCHEN. Ja, aber ich kann für alles nichts, doch weil Ihr mich nicht hören wollt, Töffel: so sagt mir wenigstens, ist Christel hier?

TÖFFEL. Christel hier? Ob ichs ihr denn sage? Je nun – er ist nicht hier. Er hat noch die Albernheit gehabt, in die Stadt zu laufen, und dem König einen Fußfall zu thun. Denn der, wie man sagt, hört Groß und Klein an: da kann Ihrs noch dazu schön bekommen![44]

HANNCHEN. Wie unglücklich! O! ich wollte selbst an meinen Verlust, und meine Liebe nicht denken, wenn ich Ihm nur wenigstens seinen ungerechten Verdacht benehmen könnte.

TÖFFEL. O! er wird ihn sich nicht nehmen lassen – – Grinze Sie, wie Sie will. Mein Herz ist wie Speck, und nimmt keine Weiberthränen an.

HANNCHEN. Ich kann Euchs nicht verdenken, Töffel, daß Ihr mir nicht glauben wollt: aber einen Gefallen könntet Ihr mir doch thun, wo nicht aus Liebe zu mir, wenigstens Christeln zu gefallen. Ich weiß gewiß, er wird Euch dafür danken.

TÖFFEL. Nu, laß Sie doch hören?[45]

HANNCHEN sehr rührend. Ich möchte mich gern bey meinem guten Christel rechtfertigen. Thut mir nur den einzigen Gefallen, und gebt ihm diesen Brief. Sie giebt ihm einen Brief. Ich schrieb ihn, ohne zu wissen, wie ich ihn fortbringen wollte, und ehe ich noch damit fertig wurde, zeigte sich mir die Gelegenheit, zu entkommen. Ich bitte, bestellt ihn, schlagt mir es nicht ab! laßt Euch meine Thränen zu Herzen gehen Schluchzend. und – und – und –

TÖFFEL gerührt. Nu, gebe Sie ihn nur her. Sie hat mich ganz weichherzig gemacht. – Aber glaube Sie deswegen nicht, daß ich Ihr nun so gerade deswegen traue; denn das sage ich Ihr, ich werde allezeit wider Sie reden, wie ein Türke. Denn ich habe Ehre im Leibe,[46] und der Schwager Christel muß auch welche haben. Hört Sie?

HANNCHEN. Ich verlange Euch nicht von meiner Unschuld zu überzeugen, sondern meinen Liebhaber, und seinen Vater. Thut mir nur die Liebe, und sagt mir, wenn Christel wieder kömmt! Ihr findet mich bey meiner Mutter: – – aber sagt ja niemanden, daß ich hier bin.

TÖFFEL. Je nun! das kann ich wohl thun. Geh Sie nur, geh Sie, eh jemand kömmt! Hannchen geht ab.


Quelle:
Johann Adam Hiller: Die Jagd. Leipzig 1770, S. 38-47.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Hoffmann, E. T. A.

Die Serapionsbrüder

Die Serapionsbrüder

Als Hoffmanns Verleger Reimer ihn 1818 zu einem dritten Erzählzyklus - nach den Fantasie- und den Nachtstücken - animiert, entscheidet sich der Autor, die Sammlung in eine Rahmenhandlung zu kleiden, die seiner Lebenswelt entlehnt ist. In den Jahren von 1814 bis 1818 traf sich E.T.A. Hoffmann regelmäßig mit literarischen Freunden, zu denen u.a. Fouqué und Chamisso gehörten, zu sogenannten Seraphinen-Abenden. Daraus entwickelt er die Serapionsbrüder, die sich gegenseitig als vermeintliche Autoren ihre Erzählungen vortragen und dabei dem serapiontischen Prinzip folgen, jede Form von Nachahmungspoetik und jeden sogenannten Realismus zu unterlassen, sondern allein das im Inneren des Künstlers geschaute Bild durch die Kunst der Poesie der Außenwelt zu zeigen. Der Zyklus enthält unter anderen diese Erzählungen: Rat Krespel, Die Fermate, Der Dichter und der Komponist, Ein Fragment aus dem Leben dreier Freunde, Der Artushof, Die Bergwerke zu Falun, Nußknacker und Mausekönig, Der Kampf der Sänger, Die Automate, Doge und Dogaresse, Meister Martin der Küfner und seine Gesellen, Das fremde Kind, Der unheimliche Gast, Das Fräulein von Scuderi, Spieler-Glück, Der Baron von B., Signor Formica

746 Seiten, 24.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Hochromantik

Große Erzählungen der Hochromantik

Zwischen 1804 und 1815 ist Heidelberg das intellektuelle Zentrum einer Bewegung, die sich von dort aus in der Welt verbreitet. Individuelles Erleben von Idylle und Harmonie, die Innerlichkeit der Seele sind die zentralen Themen der Hochromantik als Gegenbewegung zur von der Antike inspirierten Klassik und der vernunftgetriebenen Aufklärung. Acht der ganz großen Erzählungen der Hochromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe zusammengestellt.

390 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon