Sechster Auftritt

[108] Christel. Hannchen.


CHRISTEL. Nun, mein liebes Hannchen, wir sind nun alleine. Ich habe mich mit Dir ausgesohnt: aber ich gestehe Dir: – ich kann den verzweifelten Gedanken doch nicht aus dem Kopfe bringen, daß Du so unschuldig wieder zu mir kömmst, als Du fortgegangen bist. Meine Liebe entschuldigt Dich, aber – aber – wenn ich bedenke – – vier Wochen lang – alle Tage – – einen schönen, reichen, vornehmen Herrn, einen Grafen zum[108] Liebhaber um sich zu haben, der Gewalt und List, Schmeicheley und Geschenke, alles, alles anwenden kann, Dich zu verführen – – Ach Hannchen! Hannchen! –

HANNCHEN. Ich verzeihe Dir, mein lieber Christel. Aller Anschein ist wider mich, und es hat auch nicht dran gefehlet –

CHRISTEL lebhaft. An was? An was?

HANNCHEN. Daß er alles angewandt, mich zu verführen.

CHRISTEL. Und Du hättest doch widerstanden?

HANNCHEN. Was soll ich Dir für einen Beweis davon geben, lieber Christel, wenn meine Worte, meine Betheurungen, meine Thränen, Dich nicht überzeugen können?[109]

CHRISTEL. Nein, liebes Kind, weinen mußt Du nicht: denn sonst – sonst bin ich gleich überzeugt. Ich frage nur, wie's möglich gewesen ist, ihm zu widerstehen? Z.E. wie machtest Du es denn, wenn er Dir von seiner Liebe vorschwatzte – oder wie machte ers? Er hat Dir wohl viel schöne Sachen angeboten: seinen Stand, seine Güther, seine Gewalt her gepriesen?

HANNCHEN. O ja!


Der Graf bot seine Schätze mir,

Von Gold und Edelsteinen:

Allein, ich dankte schön dafür,

Und fieng, fieng an zu weinen.

Ich mag nicht Schätze, sprach ich, nein!

Ich kann die Ihrige nicht seyn:

Mein Herz ist nicht mehr mein.[110]

CHRISTEL.

O Du gutes Hannchen!

HANNCHEN.

Da warf der Graf voll schlauer Kunst

Sich auf die Kniee nieder,

Und bat um meine Gegengunst,

Allein ich bat ihn wieder:

Ach gnädger Herr! Sie spotten mein!

Ach gnädger Herr! das ist nicht fein!

Mein Herz ist nicht mehr mein.

CHRISTEL.

O Du goldnes Hannchen!

HANNCHEN.

Nun sah der Graf, dieß half ihm nicht.

Da fieng er an zu schmählen:

Und drohte mir ins Angesicht,

Mich Tag und Nacht zu quälen:

Ich sprach, ich will, so sehr Sie dräun,

Doch lieber todt, als untreu seyn:

Mein Herz ist nicht mehr mein.[111]

CHRISTEL. O Du armes Hannchen! es bricht mirs Herz im Leibe. Aber that ers denn auch, und bliebst Du mir dennoch treu? – – Sieh nur her! Einen Tag ist das nun wohl angegangen: aber vier Wochen, vier Wochen, alle Tage hinter einander!

HANNCHEN. Ja, das war nun wohl mein Glücke, daß das nicht alle Tage geschah! sonst –

CHRISTEL. Was sonst? was sonst?

HANNCHEN. Sonst wäre er vielleicht durch meine Hartnäckigkeit mehr aufgebracht worden. Aber da in der schönen Jahreszeit der Hof beynahe einen Tag über den andern eine kleine Reise auf dieß oder jenes Lustschloß that, so mußte er immer wieder fort, wenn er am[112] besten mit mir fertig zu werden glaubte. Er übergab mich endlich einer alten bösen Aufseherinn, und einem gottlosen Kammerdiener, die mich, wie er sagte, zur Raison bringen sollten, und diese sperrten mich ein.

CHRISTEL. Ach! Du armes Kind!

HANNCHEN. Nein! Nein! es war zu meinem Glücke: denn dadurch hatte ich Gelegenheit, alleine zu seyn, und endlich zu entspringen – aber lieber Christel! es wird ganz finster! – – das Gewitter kömmt herauf – – Es donnert.


Duett.


HANNCHEN.

Siehst Du, wie jene Wolken ziehn?

Der Donner braust; auf! laß uns fliehn![113]

CHRISTEL.

Er brause! was fürcht' ich der Donner Getümmel?

Wo Du bist, da lächelt ein heiterer Himmel!

HANNCHEN.

O weh! der Tag verbirgt sein Licht!

CHRISTEL.

Mir stralt Dein glänzend Angesicht.

HANNCHEN.

Die Eichen! – sie schwanken, von Winden erschüttert!

CHRISTEL.

So hat auch für Hannchen mein Herze gezittert.

HANNCHEN.

Doch ist es nun von Stürmen frey?

CHRISTEL.

Ja, denn Du warst und bleibst mir treu?[114]

BEYDE.

So mag es denn stürmen und donnern und blitzen!

Uns wird die gefällige Liebe beschützen!

HANNCHEN. Doch stille! – – hörst Du nicht außer dem Donner das Geräusche von Menschen, das Gebelle der Hunde, das Wiehern der Pferde?

CHRISTEL. Ja, es klingt, wie eine Jagd.

HANNCHEN. Dieß wird es auch seyn; denn, wie ich gehöret, jagt heute der Hof in diesem Walde.

CHRISTEL. Der Hof? o so laß uns fliehen! Menschenzorn ist oft gefährlicher, als der Zorn des Himmels! da ist der Graf, unser Feind gewiß dabey. Sie eilen davon.


[115] Die Musik, die das Geräusch des Gewitters nachmacht, kann hier ein weilchen gehen, und sich endlich nach und nach verlieren.


Quelle:
Johann Adam Hiller: Die Jagd. Leipzig 1770, S. 108-116.
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