Sechster Auftritt

[32] Gehrmann, Madame Wölbing durch die Mitte rechts.


GEHRMANN. Nur geschwinde, Madame; bin heute sehr beschäftigt. Was steht denn zu Diensten?

MADAME WÖLBING. Die Angelegenheit, in der ich komme, bedarf einiger Erläuterung.

GEHRMANN. Dann bitte ich, mir die Ehre Ihres Besuchs in acht bis vierzehn Tagen wieder zu schenken, denn heute –

MADAME WÖLBING gekränkt. Sie sind wohl reich, mein Herr?

GEHRMANN stutzt. Wie so, Madame? wie so?

MADAME WÖLBING. Weil Sie nicht wissen, wie lange dem Armen das Warten auch nur eines Tages wird.

GEHRMANN etwas verlegen. Madame –

MADAME WÖLBING. Verzeihen Sie, ich weiß wohl, daß der Geschäftsmann Augenblicke hat, die ihn nicht zur Anhörung[32] einer Sache geneigt machen, die außer seinem Geschäftskreise liegt. Aber mein Anliegen ist Ihrem Wirkungskreise nicht fremd.

GEHRMANN. Nicht fremd? Hier ist ein Stuhl, hier mein Ohr, nur bitte ich, kurz. Setzt ihr einen Stuhl.

MADAME WÖLBING bleibt stehen. Alles, was meinem Anliegen vorausgehen sollte, dieser seltsame Empfang hat es in meine Brust zurückgedrückt, und ich begnüge mich nur damit, Ihnen dieses Manuscript zur Durchsicht zu übergeben. Gibt ihm ein Manuscript.

GEHRMANN. Ein Manuscript? von wem?

MADAME WÖLBING. Von einem Frauenzimmer.

GEHRMANN bey Seite. Das hört nicht auf zu schreiben. Laut. Aber von was für einem Frauenzimmer? darauf kommt alles an. Man sieht mehr auf den Nahmen, als auf das Werk.

MADAME WÖLBING. Sie nennt sich Wölbing.

GEHRMANN. Wölbing? Wölbing? nie genannt, nicht bekannt. – Es thut mir leid, Madame, aber mein Verlag befaßt sich nur mit gediegenen Werken.

MADAME WÖLBING mit unterdrücktem Gefühl. Wenn Sie dieses nur der Durchsicht würdig finden wollten?[33]

GEHRMANN. Zeitverlust, liebe Madame; ein Buchhändler erwirbt eine solche Fertigkeit, daß er, wie ein zweyter Lavater, den Manuscripten von außen ansieht, was von ihrem Inhalte zu erwarten ist.

MADAME WÖLBING. Ich hege das feste Vertrauen zu diesem Werke, daß ihm eine nähere Bekanntschaft nicht nachtheilig ist.

GEHRMANN. Vermuthlich – selbst verfaßt?

MADAME WÖLBING. Dann würde ich nicht mit dieser Ueberzeugung seines Werthes zu Ihnen sprechen.

GEHRMANN. Um so besser, wenn Sie nicht selbst die Verfasserin sind, so werden diese wohlgemeinten Worte Sie um so weniger verletzen. Vertraut, gutmüthig. Liebe Madame, es entfremden sich jetzt immer mehr Frauenzimmer der Küche und dem Nährahmen; es ist Wohlthat, durch' Schwierigkeiten dem Uebel zu steuern.

MADAME WÖLBING fast mit Thränen. Diese gute Lehre mag für Manche heilsam seyn, aber auf die Verfasserin dieser Blätter paßt sie nicht. Sie hat es sich lange versagt, sich einem so bemerkbaren Wirkungskreise hinzugeben, bis ihr Unglück sie zwang.

GEHRMANN. Unglück? – Ich erwarte immer weniger von dem Manuscript. Denn wenn die Armuth die Feder ergreift,[34] sieht man es jedem Buchstaben an, daß er sich in eine Brotrinde verwandeln soll.

MADAME WÖLBING will reden, kann nicht, sagt endlich mit gepreßter Stimme. Wir sind zu Ende, mein Herr! Will gehen.

GEHRMANN hält sie auf. Nun, nun, Madame, es war so böse nicht gemeint. Es ist nur – ich war – ich werde so sehr überlaufen; Nimmt ihr das Manuscript ab. ich will es doch hier behalten; es gibt ja Ausnahmen! und wenn sie mir das Unglück der Verfasserin, in wenig Worten aber, mit in den Kauf geben wollen – hier steht der Stuhl, setzen Sie sich.

MADAME WÖLBING. Nein, mein Herr, in eine solche Brust möchte ich meinen Kummer und das Unglück der Verfasserin dieses Werkes nicht niederlegen. Sie appellirt nicht an Ihr Mitleid, sie verlangt ein unpartheyisches Prüfen und Erkennen, ob die Erzeugnisse ihres Geistes einer öffentlichen Bekanntschaft würdig sind. – Und – obgleich sie den Gewinn dafür bedarf, um sich und ihre Mutter zu ernähren, so würden Beyde doch verschmähen, ihn zu empfangen, wenn er nicht aus der reinen Anerkennung ihres Verdienstes fließt. Ueberzeugt, daß sie nicht auf der Stufe der jetzt Bewunderung erregenden Frauen steht, hofft sie doch für die Sprache des Herzens ein Publikum zu finden. Und Alles, was ich von Ihnen erbitte, ist – daß Sie diese Blätter bald lesen und mich bald wissen lassen, ob Ihnen eine Auflage davon wünschenswerth ist. Verbeugt sich.[35]


Quelle:
Johanna Franul von Weißenthurn: Neue Schauspiele. Band 13, Wien 1834, S. 32-36.
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