Erster Auftritt

[108] Emerike. Kunigunde.


EMERIKE sitzt rechts, ein Haufe Bücher auf dem Tisch, sagt nach einer Pause. Kundel!

KUNIGUNDE sitzt auf der andern Seite, wendet den Kopf hin. Jungfer!

EMERIKE. Mir wird die Zeit lang.

KUNIGUNDE seufzt. Mir auch!

EMERIKE. Was in den Büchern steht, versteh' ich nicht.

KUNIGUNDE. Wird ja nichts Vernünftiges hinein geschrieben.

EMERIKE springt auf. Wenn das so fort geht –

KUNIGUNDE. Fahren wir heim.[108]

EMERIKE. Heim? Tritt lebhaft vor sie hin. Daß es hieße, ich hätte mit meinem vielen Gelde in der Stadt keinen Mann bekommen? Ist des Nachbars Liese hübscher als ich? hat sie mehr Geld als ich? Der Vater hat sie nur einmal mit dem Leder nach der Stadt genommen, und richtig, die Liese und das Leder fand ihren Mann.

KUNIGUNDE seufzt. Ich sitze mit meiner Waare noch auf dem Markt.

EMERIKE. Daß mir die Leute hier alle ausweichen, geht nicht mit rechten Dingen zu. Du weißt, Kundel, wie du zu Hause deine Noth hattest, wenn ich nur vor die Thüre trat, weil mich die Mannspersonen so angafften. Aber hier – hier brauchst du mich gar nicht zu hüthen, Kundel, Weinerlich. wer sieht mich denn hier an?

KUNIGUNDE. Und wer sieht mich an? Wer bekümmert sich darum, ob ich auf meine Fragen die gehörige Antwort habe. In Breitenfeld – die Kirche liegt nur zehn Schritte von uns, aber ich brauchte, um hinein zu kommen, immer eine volle Stunde, weil die Leute, die mir begegneten, den Mund nicht zu Hause ließen, sich menschenfreundlich um das Thun und Lassen ihrer Nachbarsleute bekümmerten, aber hier ist bey dem grüß dich Gott, auch gleich das – behüth dich Gott! Keins bekümmert sich um das andere.

EMERIKE. Um mich würden sich die Leute schon bekümmern;[109] aber – Kundel, lache mich nicht aus; aber ich glaube, verzeih' mirs Gott! die Nachbarin hat mich häßlich gemacht.

KUNIGUNDE. Ey, da ist nicht zu lachen; sie ist längst als eine Zauber-Base bekannt; darum konnte sie auch von ihren fünf Töchtern noch keine unter die Haube bringen. Ja – wenn die ihre Hände im Spiel hat –

EMERIKE. Gewiß, gewiß! sie hat mich nie leiden können – und wie wir in den aufgethürmten Wagen stiegen, und fort fuhren, hat sie überlaut gelacht. Vertraut. Darum sind uns auch die zwey Küchelchen von der letzten Brut daraufgegangen. – Kundel! die hat mich so häßlich gemacht.

KUNIGUNDE. Lassen Sie sich doch betrachten. Sieht sie an. Ja wahrhaftig!

EMERIKE ängstlich. Nicht wahr, Kundel?

KUNIGUNDE. Die Nase –

EMERIKE. Krumm? ganz krumm?

KUNIGUNDE. Das nicht, aber –

EMERIKE. Verdreht?

KUNIGUNDE. Auch nicht – aber –

EMERIKE. Sage es nur heraus, ein ganz ander Gesicht?[110]

KUNIGUNDE. Anders kommt es mir wirklich vor Auf einmahl ängstlich. aber – was hat sie denn aus mir gemacht?

EMERIKE. Du hast noch dein altes Gesicht – an dem ist ja auch nichts zu verderben; aber ich, Kundel – ich begreife jetzt wohl, daß mich Herr Flint nicht liebt.

KUNIGUNDE. Wer ist der Flint?

EMERIKE. Ach Kundel! das ist ein lieber Mensch! dem würde ich mit Freude meine Hand geben.

KUNIGUNDE erstaunt. Was, Jungfer?

EMERIKE treuherzig. Er nimmt mich nicht, ich habe es ihm schon zu verstehen gegeben, daß er mir lieber als Herrn Gehrmanns Neffe wäre – aber die Nachbarin, Kundel – er nimmt mich nicht.

KUNIGUNDE. Und darf Sie auch nicht nehmen. Herr August Gehrmann, und kein anderer, wird Ihr Mann.

EMERIKE lebhaft. Nein Kundel, ehe ich den nehme, ehe würde ich ins Wasser springen.

KUNIGUNDE. Was? so gottlos sind Sie geworden, nicht nur das Gesicht, auch die Seele ist verdorben! ins Wasser springen? den Himmel verscherzen? eine üble Nachrede hinter sich lassen? und das alles, um –[111]

EMERIKE. Um nicht einen Mann zu nehmen, den ich nicht lieben kann.

KUNIGUNDE. Mann ist Mann! und ein Mädchen muß ihn heut zu Tag nehmen, wie er die Hand ausstreckt. Und zieht man in diesem Glückstopf eine Niete, so wird uns das, was wir hier abbüßen, von der großen Erdenschuld dort abgerechnet.


Quelle:
Johanna Franul von Weißenthurn: Neue Schauspiele. Band 13, Wien 1834, S. 108-112.
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