Eilftes Exempel.

Christus erscheinet dem Heil. Edmund in Gestalt eines holdseeligen Knabens.

[13] Als der Heil. Edmund in seiner Jugend zu Paris, der vornehmsten Stadt in Franckreich, studirte, flohe er die Gesellschaft derjenigen Mit-Schulern durch dero allzufreye Reden, und freches Schertzen, die Reinigkeit seiner Seel könte bemackelt werden. Dannenhero pflegte er an denen Vacantz-Tägen gern allein spatzieren zu gehen. Wie er nun einstens über eine lustige Wiese spatzieren gienge, da begegnete ihme Christus der HErr in Gestalt eines holdseeligen Knabens, von welchem er mit disen Worten gegrüßt wurde: grüsse dich GOtt, mein geliebter Edmund, weil er disen Knaben sein Lebtag nie gesehen, verwunderte er sich sehr ab disem Gruß. Indem er also nicht wußte, was er antworten solte, da grüßte ihn der Knab abermahl mit den vorigen Worten; und setzte noch dise Frag hinzu: wie? Edmund! solst du mich nicht kennen? nein, antwortete Edmund; ich kenne dich nicht: kan mir auch nicht einbilden, wie ich dir solle bekannt seyn. Da lächlete der Knab, und sagte: wie ist es möglich, Edmund, daß du mich nicht kennen sollest? indem ich doch täglich dir an der Seiten bin; du seyest gleich in der Schul, oder anderstwo. Keinen Augenblick weiche ich von dir. Und damit ich dir aus dem Wunder helffe, so lise die Buchstaben, welche an meiner Stirn geschriben stehen. Edmund sahe über sich, und nahme wahr, [13] daß an der Stirn des Knabens mit goldenen Buchstaben geschrieben stunde dieser Titul: J. N. R. J. das ist: JEsus von Nazareth, ein König der Juden. Nachdem Edmund diesen Titul gelesen, da sagte der Knab, eben das ist mein Nam, diesen solst du verehren: und so oft du zu Nachts ins Beth gehst, diese Buchstaben J. N. R. J. mit dem Daumen an deine Stirn machen: dann dieser Titul wird dich und alle die jenige, so ihn bedeutet massen werden an die Stirn machen, vor dem gähen Tod bewahren. Nach welchen Worten der göttliche Knab verschwunden; Edmund aber mit himmlischem Trost erfüllet worden. Surius ad diem 16. Novemb.


Wollen die Schul-Kinder, daß auch Christus nicht allein in der Schul, sondern allenthalben bey ihnen seye, und bleibe, so müssen sie dem heiligen Edmund nachfolgen, und sich vor denjenigen Mitschülern hüten, so im Reden und Schertzen gar zu frey und ausgelassen seynd; und zu diesem End den H. Edmund für ihren Patronen erwählen.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 13-14.
Lizenz:
Kategorien: