[376] Zu Trallis in Phrygien (so eine Provintz in klein Asien ist) hat sich ein junge ledige Weibs-Person, mit Namen Philenion befunden, deren Eltern Democrates, und Chariton waren. Diese war der Hofart, unreinen Liebe, und weltlicher Uppigkeit sehr ergeben. Damit aber GOtt ihren Hochmuth unterdruckte, liesse er sie in ein schwere Kranckheit fallen, [376] die ihro alle Schönheit also benahme, daß sie in kurtzer Zeit vielmehr einem Todten, als Lebendigen gleich sahe. Sie branne am gantzen Leib mit einem hitzigen Fieber; aber noch viel stärcker von unreiner Liebe: war auch kein Mittel solche doppelte Brunst zu löschen. Die äusserliche Hitzen nahmen überhand; vielmehr aber die innerliche gegen einem jungen Edelmann, der sich damahls in fremden Landen befande. Sie därfte aber, und wolte dieses niemand vertrauen. Wurde also von diesen beyden Flammen verzehret, und von dem Tod in die andere Welt geschickt.
Die Eltern beklagten diesen unverhoften Tod ihrer Tochter über alle massen schmertzlich, liessen sie samt allem dem, was sie insonderheit lieb gehabt, auf das köstlichste zur Erden bestatten. Nach sechs Monathen kame der junge Edelmann (so Machates genannt war) aus der Fremde in sein Vatterland zuruck, und nahme seinen Einkehr bey Democrate, seinem Freund, der Verstorbenen Vatter. Als er nächtlicher Weil in der Schlaf-Cammer ruhete, erschiene ihm die Verstorbene in der Gestalt, die sie bey Leb-Zeiten gehabt; grüßte ihn freundlich, und gabe ihm allerhand Zeichen der Liebe. Machates empfande anfänglich einen grossen Schröcken, bevorab, weilen er es für ein Gespenst hielte; jedoch weilen es sich oft sehen liesse, auch kein Ungelegenheit verursachte, machte er mit ihr Gemeinschaft, und versprache ihm endlich die Ehe. Auf eine Zeit, als er sich etwas längers in der Cammer aufhielte, befahle Chariton (die Mutter) einer Magd, zu sehen, ob Machates sich vielleicht übel auf befinde. So bald sie die Thür eröffnet hatte, sahe sie Philenon lebhaft in den Kleyderen, die sie bey Leb-Zeiten getragen, bey dem Edelmann auf dem Beth sitzen, worüber weil sie sehr erschrocken, lieffe sie zuruck, und zeigte dem Herrn und der Frauen an, was sie gesehen hätte. Diese konten es nicht glauben; sondern vermeinten, die Magd wäre etwann im Hirn verruckt worden. Schaften sie demnach mit Unwillen ab, als eine, so die allbereit zugeheilte Wunden wiederum eröffnen, und die vergangene Schmertzen erneueren wolte. Die Magd aber liesse sich mit diesem nicht abweisen, sondern bekräftigte alles, was sie gesehen, so viel ihr möglich war. Dahero die Mutter bewegt worden, die Sach selbst zu erkundigen. Begabe sich derohalben nächtlicher Weil unvermerckt in des jungen Edelmanns Cammer, konte aber die gantze Nacht nichts gründliches vermercken.
Und weilen sie (nach der Weiber Art) sehr begierig war, aus diesem Wunder zu kommen, verfügte sie sich den folgenden Tag zu dem Jüngling in sein Zimmer, und bate ihn auf das höchste, er wolle ihr anzeigen, wer diejenige Person seye, mit welcher er in seinem Beth Sprach gehalten. Machates über diese unerwartete Anfrag erschrocken, wolte anfangs mit [377] der Sprach nicht heraus. Weilen er aber vermeinte, daß er verkundschaftet worden, bekennte er, daß er sich allbereit mit Philenione, ihrer vielgeliebten Tochter, in ein eheliches Versprechen eingelassen, seye auch die Sach so weit kommen, daß die liebe Eltern solches vernünftiglich nicht verhinderen sollen. Indem er dieses redet, zohe er einen goldenen Ring samt einem Schleyer, welchen er von ihr auf zukünftige Ehe empfangen, herfür (dermassen hatte ihn der böse Geist verblendet) und zeigte ihr beyde vor.
Die Mutter erkannte alsbald den Ring und den Schleyer, und wußte vor Verwunderung und Freuden nicht, was sie thun solte. Bald fiele sie ihm um den Hals, bald kußte sie den Ring und Schleyer; und begosse sie mit ihren Zäheren. Hierauf seynd alle Hausgenossene herzu geloffen, und haben sich über diese ungewöhnliche Sach sehr verwundert. Ein Sach war, so der Mutter noch schmertzlich vorkame, daß sie nemlich die Tochter nicht persönlich sehen, noch mit ihr reden konte. Dahero sie ihren vermeinten Tochtermann, den sie als einen Engel vom Himmel annahme, auf das höchste gebetten, er wolle ihr die Tochter zeigen, damit sie sich mit ihro völlig erfreuen, und allen Zweifel hinweg legen möchte.
Machates verpflichtet sich, ihro hierinn ein Genügen zu thun. Als derohalben Philenion nach gewöhnlichem Brauch in Geheim, mit ihme zu handlen erschienen, schickte er seinen Diener, deme er ein gewisses Zeichen gegeben, zu der Mutter: welche alsbald samt ihrem Ehe-Herrn sich in des jungen Edelmanns Cammer verfügten, und ihr Tochter beym Leben, und guter Gesundheit (wie sie vermeinten) ersahen. Beyde wußten abermahl vor Freuden nicht, was sie thun sollten. Konten nichts reden, fielen ihr um den Hals, grüßten und kußten sie. Die Tochter aber erbleichte im Angesicht: schöpfte einen tieffen Seuftzer, und sagte: Ach! meine Eltern, wie theur müßt ihr diesen euren Fürwitz bezahlen: indem ihr meinen Tod zum andern mahl beweinen müsset. Dieses geredt, fiele sie tod zur Erden, und liesse einen unleidentlichen Gestanck zuruck, davon das gantze Haus angefüllet worden. Die Eltern fiengen an wegen neuem Schröcken und Forcht also zu weinen, und zu klagen, daß es die Benachbarte leichtlich hören konten. Und weilen sie die Ursach solches Jammerens nicht wußten, lieffen sie in das Haus, und fanden sie samt dem jungen Edelmann bey der Leiche: konten sich auch ab solcher unerhörter Sach nicht genugsam verwunderen. Mithin zogen sie andere nach sich, daß endlich fast die gantze Stadt dieses wunderliche Spectacul gesehen.
Die Obrigkeit des Orts liesse der Verstorbnen Grab eröfnen, um zu erkundigen, was es mit ihrem vor sechs Monathen vergrabenen Leib für ein Beschaffenheit habe. Man fande [378] aber denselbigen nicht, sondern allein ein Trinck-Geschirr samt einem goldenen Ring, den sie von dem Machates empfangen hatte. Dannenhero der Magistrat befohlen, den andern Leib, so der Geist aus dem Luft an sich genommen, und noch in der Cammer in einer abscheulichen Gestalt, und unerträglichen Gestanck lage, ohne alle Ehr und Aufzug in ein heimliches Ort zu werffen. Machates aber entrüstete sich ab diesem Betrug dermassen, daß er sich selbst um das Leben brachte.
Es wäre hier viel von denen Umständen, so die geistliche Scribenten von den Bescheinungen der verdammten Seelen beybringen, zu sagen. Allein es solle genug seyn, daß wir aus dieser Begebenheit ersehen können, was massen GOtt der HErr die Lasterhafte straffe. Dann wo müßte man den vorigen Leib der Verstorbenen, nachdem er in dem Grab nicht mehr gefunden worden, anderstwo, als in der Höllen suchen, allwo diejenige, so die unreine Liebe mit sich in die andere Welt tragen, immer und ewig brinnen müssen. Idem Causinus lib. cit. ex Phlegone, qui eventui ipsius interfuit.