Sechszehente Begebenheit.

Ein Raab laßt sich mit deutlicher Stimm vernehmen von der Ewigkeit.

[651] Zu Erfurt in Thüringen hatte ein Burger einen heimischen, und zu allerhand Spässen abgerichten Raaben in seinem Zimmer, der ihme oft viel Kurtzweil machte. Eines Tags vermerckte er, daß dieser Vogel, sein Kostgänger, etwas traurig sich stellte, in dem Winckel hockete, einen Peltz machte, und den Kopf in die Federen steckte, als wann er schlaffen, oder gar verrecken wolte. Er munterte ihn auf mit Wisplen, Pfeiffen, und sprach zu ihm, er solte ihm sagen, wo ihm fehle? Worauf dieser sich wiederum auf die Füß gerichtet, die Flügel zusammen geschlagen, und mit deutlicher Stimm jene Wort aus dem 76. Psal. ausgesprochen: ich hab denen verflossenen Tägen nachgedenckt, und mir die ewige Jahr zu Gemüth geführt. Und mit diesen Worten ist er zum Fenster hinaus, und davon geflogen, daß man ihn hernach nicht mehr gesehen hat. Kein Mensch zweifelte, [651] es müsse ein höllischer Geist hinter der Gestalt dieses Vogels gesteckt seyn, welchen GOtt gesandt, dem Innwohner des Haus einen Schröcken einzujagen, und ihn auf heilsame Gedancken zu bringen: Welches geschiehet, wann man ernstlich an die Ewigkeit gedenckt. Zehentner S.J. de Verme malæ Conscientiæ l. 4. c. 1. §. 6.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 651-652.
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