Achtzehente Fabel.

Ein Wolf gräbt ihm selbst durch übles Nachreden eine Grub.

[762] Gedachter Löw lage auf ein andere Zeit in seiner Höle abermahl kranck. Nun kamen zu ihm allerhand Thier, zu bezeugen gegen ihrem König ihr hertzliches Mitleiden; ausser dem Fuchs, welcher, weiß nicht was Ursach daheim bliebe. Da gabe es dann allerhand Reden, durch welche er bey dem Löwen in Verdacht kame, als wäre er ein Verachter seines Königs, und ein untreuer Vasall; absonderlich aber wußte der Wolf, als des Fuchsen abgesagter Feind, seine Zähn wider ihn zu schärfen. Einsmahls war der Wolf allein bey dem Löwen, gegen welchem er sein Mitleiden auf ein besondere Art bezeugte, und unter anderen auch diese Wort gebrauchte, wie daß er bereit wäre Leib und Leben aufzusetzen, nur damit dem krancken König wiederum möchte aufgeholfen werden. Mithin brache er wider den Fuchsen aus, und verkleinerte ihn bey dem Löwen dergestalten, daß dieser einen theuren Eyd schwure, sich an dem Fuchsen seines Ausbleibens halber zu rächen. Zu allem Glück war damahls der Fuchs auch vorhanden, stunde heimlich verborgen ausser der Höle des Löwens, und gedachte auf einen List, wie er den Hals aus der Schlingen ziehen, hingegen aber den Wolf darein bringen möchte. Als er nun den List ausgesonnen, gehet er in die Höle hinein, macht sein Compliment, und wartet nicht, bis er seines Ausbleibens halber befragt wurde; sondern fangt an mit verschrauften Worten vorzutragen, wie daß er aus Mitleiden gegen dem krancken Löwen, als seinem Herrn, und König bewogen eine geraume Zeit gantz Teutsch- und Welschland durchreiset, nur damit er bey allen der Artzney Verständigen ein Mittel erfragen möchte, durch welches seinem König wiederum möchte aufgeholfen werden. Da habe er dann gehört, daß, weil die Kranckheit dem König theils vom hohen Alter, theils von erkälter Brust zugestossen, so wäre kein besseres Mittel dem Ubel zu steuren, als wann der Löw über seine Brust legen wurde einen Wolfs-Balg; dieser aber müßte von frischem Blut noch warm seyn, und also aufgelegt werden. Auf solche Weis wurde die erkältete Brust wiederum erwärmt, und der Krancke mithin die vorige Gesundheit erlangen. Widrigen Falls seye er des Tods eigen. Das ware nun dem Krancken ein grosser Trost, in Bedencken, daß er einen Wolfs-Balg zu bekommen, nicht weit gehen därfte. Wie der [762] Fuchs gesehen, daß der Löw sich aufmuntere, sagte er zu dem Wolf: hast du dich nicht vor wenig Stunden anerbotten, Leib und Leben aufzusetzen, nur damit unserem König wiederum möchte aufgeholffen werden? da hast du nun die schönste Gelegenheit im Werck zu zeigen, was du mit Worten anerbotten hast. Wie dem Wolf auf diese Erinnerung werde ums Hertz gewesen seyn, kan ihme ein Gescheider leicht einbilden. Der Löw nahme den Rath für bekannt an, zoge dem Wolf den Balg über die Ohren herunter, und brauchte selbigen auf des Fuchsen Rath auf seine Brust. Æsopus in fabulis.


Also siehet man, daß mancher oft in eben diejenige Gruben falle, die er einem anderen gegraben hat.

Quelle:
Wenz, Dominicus: Lehrreiches Exempelbuch [...] ein nutzlicher Zeitvertreib als ein Haus- und Les- Buch. Augsburg 1757, S. 762-763.
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